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MOSAiC - Wissenschaftliche Ergebnisse verknüpfen (Teil 1)

Wissenschaft Arktis

MOSAiC-Ergebnisse zur arktischen Atmosphäre, Eis und Ozean veröffentlicht. Neue Perspektiven auf Schnee- und Meereiseigenschaften und -prozesse.

Vor anderthalb Jahren kam die einmalige MOSAiC (Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate)-Expedition und ihre jahrlange Drift durch die Zentralarktis zu Ende. Mit Unmengen an Daten, Begeisterung und neuen Ergebnissen kehrten die beteiligten Forscher*innen zu ihren Heimatinstituten zurück, um die Daten auszuwerten und erste zusammenfassende Schlüsse zu formulieren. Inzwischen sind drei Papers zum Thema Eis-, Atmosphären- und Meeresforschung veröffentlicht worden. Sie bieten Einblicke in eine sich rasant ändernde Welt, die zugleich faszinierend und alarmierend ist.

Das MOSAiC Schnee- und Meereisteam hat ein Jahr lang die physikalischen Eigenschaften des Schnees und Eises, sowie die Prozesse, welche die Entwicklung des Packeises und seine Interaktion mit der Atmosphäre und dem Ozean bestimmen, beobachtet. Das sog. ICE-Team besteht aus mehr als 150 Forscher*innen aus aller Welt, darunter 66 Personen, die für die Expedition mit an Bord waren (Foto ICE-Team). Nun, 15 Monate nach dem Ende der Arktis-Expedition auf dem Forschungseisbrecher Polarstern im September 2020 (s. Karte in Abbildung 1), hat das Team die bisher umfassendste Übersicht ihrer Arbeit zusammen mit exemplarischen Ergebnissen veröffentlicht. Die Arbeit war Teil des interdisziplinären Designs der MOSAiC-Expedition, d. h., die Atmosphäre, den Ozean, das Ökosystem und biogeochemische Prozesse zu erforschen. „Es ist wunderbar zu sehen, wie das Team, bestehend aus 101 Autoren und Autorinnen aus 46 Instituten, diese erste Übersicht erstellt hat, und wie das Projekt intensive, interdisziplinäre Zusammenarbeit angestoßen hat, auch außerhalb der ursprünglichen MOSAiC-Teilnehmer*innen. Diese Veröffentlichung liefert eine Basis für die Interpretation von Schnee- und Meereiseigenschaften als eine zentrale Komponente des arktischen Klimasystems,“ sagt Dr. Marcel Nicolaus, Meereisphysiker am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Folgende Absätze geben einen kurzen Überblick über den verschiedenen Messinstrumenten, -skalen und -ergebnissen, die ganze Geschichte ist in Nicolaus et al. (2022) zu finden.

Für einen schärferen Blick aus dem All

Die Gruppe hat Messungen auf Skalen von wenigen Zentimetern bis zu mehreren Kilometern und über alle Jahreszeiten durchführen können. Diese werden unser Verständnis der Eigenschaften und Prozessen im gekoppelten Arktissystem verbessern (Abbildung 2). Die Messarbeiten fanden überwiegend in dem sog. Central Observatory (CO), der Umgebung des RV Polarsterns, statt. Abbildung 3 zeigt das CO während des 5. Fahrtabschnitts im Herbst 2020, sowie die vom ICE-Team verwendeten Messstellen. Ein Teil des Eis-Camps bestand aus einer einzigartigen Sammlung an Fernerkundungsinstrumenten. „Mit 14 Stück haben wir die bis dato größte Ansammlung von Fernerkundungsinstrumenten auf das Eis ausgebracht (Abbildung 4), um gleichzeitig den Schnee und das Meereis an der gleichen Stelle beobachten zu können. Diese Instrumente sind ihren Pendants auf Satelliten sehr ähnlich. Zusammen mit detaillierten Schnee- und Eisbeobachtungen bilden sie die Grundlage für neue Meereisbeobachtungen auf künftige Satellitenmissionen. Sie werden auch verbesserte Unsicherheitsanalysen für bestehende satellitenbasierte Zeitreihen und die Verbesserung von Klimamodellen ermöglichen,“ meint Dr. Gunnar Spreen, Wissenschaftler und Sektionsleiter an der Universität Bremen. Erste Ergebnisse haben bereits gezeigt, dass eine Kombination aus Radarmessungen bei verschiedenen Frequenzen wertvolle Informationen zur Schneetiefe auf dem Meereis liefern kann – aber gleichzeitig, dass heutige satellitenbasierte Methoden nicht immer zuverlässige Daten liefern, wenn Warmluftvorstoße oder Regen auf Schnee die Mikrowelleneigenschaften der Oberfläche verändern. Diese algorithmischen Schwächen können nun mit Hilfe der MOSAiC-Messdaten reduziert werden.

Die Eisuhr – Messdaten zum ganzen Jahreszyklus

Es ist uns gelungen, den kompletten Jahreszyklus zu beobachten: von dünnem, neuem Eis im September/Oktober, zu weiterem Eiswachstum mit Schneeakkumulation in der dunklen Jahreszeit bis Februar, zum dicken und kalten Frühlingspackeis bis April, und danach zur Schneeschmelze, Schmelzwassertümpelbildung und zum Zerfall des Packeises im Sommer. Das sieht man in Abbildung 5, welche wir als die „Eisuhr“ bezeichnen. Im gesamten Datensatz haben wir eine größere räumliche Variabilität der Schneeabdeckung als erwartet – was atmosphärischen Prozessen und der Struktur des darunterliegenden Meereises zuzuschreiben ist – festgestellt. Diese extreme Variabilität bedeutet, dass wir für künftige modellbasierte Simulationen und die Interpretation von Satellitendaten den Schnee viel detaillierter berücksichtigen müssen. Darüber hinaus hat das Packeis schneller und dynamischer als erwartet gedriftet, was nicht nur eine Herausforderung für die tägliche Feldarbeit des Teams darstellte, sondern auch und insbesondere veränderte Meereiseigenschaften und Verteilungen der Meereisdicke zur Folge hatte. Diese Eisdynamik-Ereignisse wurden durch eine einzigartige Kombination aus lokalen, hochauflösenden Aufnahmen vom Schiffsradar und Bojen- und Satellitenbeobachtungen erfasst.

Kurzfristige Ereignisse mit langanhaltenden Auswirkungen

Kurzfristige atmosphärische Ereignisse, z. B. Winterstürme, Warmphasen im Frühling, Schmelzwasserfluktuationen im Sommer und Regen im Herbst, stellten sowohl ein weiteres wissenschaftliches Highlight als auch eine besondere Herausforderung für die Messarbeiten dar. „Diese Ereignisse waren ein besonderer Schwerpunkt unserer Arbeit. Dann mussten die Teammitglieder im Feld ihre routinemäßige Messpläne anpassen, um die Ereignisse zu erfassen und ihre Beobachtungen intensivieren, um die daraus resultierenden Veränderungen in den Schnee- und Eiseigenschaften zu beschreiben. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Ereignisse erhebliche Auswirkungen auf die Schnee- und Meereiseigenschaften über den nächsten Monaten haben, jenseits des Ereignisses selbst,“ berichtet Marcel Nicolaus.

 Dicke und optische Eigenschaften des Schnees in verschiedenen Jahreszeiten

Eine unserer Hauptzeitreihen betraf Schnee- und Meereisdickemessungen, die mit manuellen, flugzeugbasierten und autonomen Instrumenten sowie auf verschiedene Skalen durchgeführt wurden. Wir haben regelmäßig Transekte quer durch das Central Observatory gemacht (Abbildung 6). Ein Transekt ist ein im Vorfeld festgelegte Linie, die die Scholle durchquert. Entlang dieser Linie wurden die Massenbilanz- und Oberflächeneigenschaften des Meereises und des Schnees gemessen. Wir haben einen Anstieg der modalen (Schnee plus Meereis) Eisdicke von 1,3 m auf 1,8 m (Durchschnitt 2,7 m) zusammen mit sich ändernden Verteilungsfunktionen vom Herbst bis Frühling festgestellt. Dieser Datensatz ermöglicht eine Diskussion über die Beiträge thermodynamischer und dynamischer Veränderungen in der Eisdicke. Die Schneedicke war erwartungsgemäß viel niedriger im Sommer als im Winter/Frühling, wie in der Reduktion der modalen Schneedicke von 0,06 m auf 0,03 m klar ersichtlich ist. In Juli war die modale Schmelzwassertümpeltiefe 0,1 m, mit einer maximalen Tiefe von 0,5 m. Während den sonnigen Monaten bildet die Messung der optischen Eigenschaften des Schnees und Meereises eine Kernaufgabe. Das Beobachtungsprogramm konzentrierte auf Messungen der Oberflächenalbedo (vor Ort und dronenbasiert) sowie Messungen des transmittierten Lichtes unter dem Meereis, die vorwiegend von einem Tauchroboter (remotely operated vehicle (ROV) stammten. Wir konnten den saisonalen Verlauf vom Frühling zum Sommer sowie vom Sommer zum Herbst charakterisieren, wie z.B. in Abbildung 7 zu sehen ist. Wie die Datensätze zeigen, beeinflusst der saisonale Verlauf nicht nur die Gesamtmenge des reflektierten, absorbierten oder transmittierten Lichtes, sondern auch wie die räumliche Variabilität sich im Laufe des Jahres ändert.

Von lokaler zu regionaler Skala

Dank regelmäßigen Hubschrauber-Messflügen war es möglich, die lokale und regionale Skala miteinander zu verknüpfen. Oberflächentopographie und Freibord wurden mit Laserscanner gemessen, die Eisdicke durch elektromagnetische Induktion (EM-Bird). Erste Ergebnisse zeigen, dass die Eisdynamik die Oberflächentopographie verändert und erheblich zur Meereisdickenverteilung beigetragen hat. Im Winter wurden Temperaturkarten der MOSAiC-Scholle und ihrer Umgebung mit Hilfe von Infrarotmessungen mit dem Hubschrauber erstellt (Abbildung 8). Die Karten zeigen, wann Risse im Eis, auch als Leads bezeichnet, sich aufgetan und wieder verschlossen haben. Laut Gunnar Spreen: „Dies hat einen großen Einfluss auf den lokalen Energiehaushalt. Im Winter ist die Wärmestromdichte vom Ozean zur Atmosphäre in Rissen mit offenem Wasser oder dünnem Eis bis zu mehreren Größenordnungen höher als für geschlossene Meereisbedeckung.“ Hubschrauber-Aufnahmen aus dem Sommer zeigen z. B. die verschiedenen Stufen der Schmelzwassertümpelentwicklung, und dass sie sich vorwiegend in Regionen wo das Meereis im Winter etwas wärmer war bilden (Abbildung 8).

Auswertung der MOSAiC-Daten wird fortgeführt

Die in dieser Übersicht zusammengefassten Ergebnisse sind für sich genommen spannend. Und heute werden immer noch Daten von den letzten verbliebenen Bojen, die im nördlichen Atlantischen Ozean aber außerhalb der eisbedeckten Region noch driften, gesammelt. Momentan veröffentlichen wir Woche für Woche immer mehr Datensätze aus der enormen Datenablage, mit dem Ziel, noch vor dem Ablauf der Sperrfrist im Januar 2023 sämtliche Daten öffentlich zugänglich zu machen. Für zahlreiche Datensätze ist die erste Bearbeitung und Analyse bereits abgeschlossen. Im nächsten Schritt werden sie verknüpft – miteinander, in Bezug auf den Schnee und Meereis, aber auch und noch wichtiger, mit atmosphärischen, Meeres-, biogeochemischen und ökologischen Beobachtungen. Dabei werden zunehmend numerische Studien durchgeführt. Dadurch werden wir unser Verständnis des arktischen Klimasystems verbessern können. In dieser Hinsicht werden mehrere Workshops, wissenschaftliche Austausche und gemeinsame Veröffentlichungen in den kommenden Jahren Schlüsselelemente sein. Wir erwarten auch, dass sich mehr und mehr Menschen von außerhalb des ursprünglichen MOSAiC-Konsortiums daran beteiligen. Bleiben Sie uns treu – weitere spannende MOSAiC-Geschichten folgen demnächst!

Referenz und Link zur Originalpublikation

Nicolaus, M, Perovich, DK, Spreen, G, Granskog, MA et al., 2022. Overview of the MOSAiC expedition: Snow and sea ice. Elementa: Science of the Anthropocene 10(1). DOI: doi.org/10.1525/elementa.2021.000046

Kontakt

Mehr Geschichten vom MOSAiC Schnee- und Meereis-Team

Gruppenfotos des Schnee- und Meereisteams (ICE-Teams) an Bord der Polarstern während den verschiedenen MOSAiC-Fahrtabschnitten.

Foto ICE-Team: Gruppenfotos des Schnee- und Meereisteams (ICE-Teams) an Bord der Polarstern während den verschiedenen MOSAiC-Fahrtabschnitten. (Fotos: Stefan Hendricks (Fahrtabschnitte 1+2), Christian Rohleder (Fahrtabschnitt 3) und Lianna Nixon (Fahrtabschnitte 4+5))