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Entsalzung

Meereis ist nicht in jeder Tiefe der Schicht gleich salzig. Tatsächlich weist Meereis in der Regel ein deutliches Salzprofil auf, bei dem sich der Salzgehalt mit zunehmender Schichttiefe beständig ändert. Verantwortlich dafür sind im Wesentlichen zwei Mechanismen, die zu einer Entsalzung führen:

  1. Prozesse, die im „kalten“ Eis aktiv werden, also während der Eiswachstumsphase. Diese werden hauptsächlich von Temperaturgradienten in der bestehenden Eisbedeckung und dem Abkühlen von einzelnen Eisschichten angetrieben.
  2. Prozesse, die im „warmen“ Eis dominieren. Sie erfordern die Anwesenheit von Schmelzwasser mit geringem Salzgehalt entweder an der Oberfläche oder an der Unterseite des Eises.

Zu den Prozessen der ersten Gruppe zählen die schweregetriebene Drainage („gravity drainage“) und der Sole-Ausstoß („brine expulsion“). Wichtigster Prozess für die zweite Gruppe ist die Ausspülung („flushing“). Im Zusammenspiel erzeugen all diese Prozesse den typischen wie ein „C“ geformten Kurvenverlauf des Salzprofils von einjährigem Eis.

Wenn Meerwasser gefriert, können wegen der entstehenden Kristallgitterstruktur keine Moleküle und Ionen – also auch keine Salze – in das Eis eingebunden werden. So kommt es zu einer Auftrennung in zwei Phasen. Das Kristallgitter des festen Eises besteht nahezu nur aus Wassermolekülen. Das im Meerwasser enthaltene Salz wird dagegen im Meereiskörper in kleinen Kanälen und Kammern in Form einer flüssigen salzigen Sole „gefangen“. Dabei gilt: je kälter das Eis wird, desto mehr Salz wird aus dem Eis ausgestoßen und desto höher konzentriert ist die Sole in den Kanälchen (Hempel, 2006).

„Schweregetriebene Drainage“ ist ein Entsalzungsprozess, bei dem die Sole unter der Einwirkung der Schwerkraft aus dem Eis in das unterliegende Meerwasser ausgestoßen wird. Wenn das Eis wächst und die Eisdicke zunimmt, hebt sich die Eisoberfläche graduell über den Meerwasserspiegel, um im isostatischen Gleichgewicht zu bleiben. Dadurch entsteht im Porensystem ein hydrostatischer Druck, der die Sole nach unten heraustreibt.

Verstärkt wird dieser Entsalzungsprozess noch durch den winterlichen negativen Temperaturgradienten im Eis selbst. Die kalte und damit dichtere Sole an der Eisoberfläche liegt über einer wärmeren und damit leichteren Sole im unteren Teil des Eises. Innerhalb der Solekanäle führt das zu einer Konvektionsströmung, welche die dichtere Sole nach unten aus dem Eis heraustreibt. Dieser Prozess mündet in einer Entsalzung des Eises und der Ausbildung des Drainagesystems.

Als Folge des Abflusses der Sole sinkt der Gesamtsalzgehalt des Eises im Laufe der Zeit von anfänglichen über 10 Promille auf unter 5 Promille. Älteres, mehrjähriges Eis, hat durch die fortschreitende Entsalzung einen geringeren Salzgehalt (um 3 bis 3,5 ‰) als jüngeres, einjähriges Eis (5 ‰). Dabei ist der Salzgehalt nicht gleichmäßig vertikal im Eis verteilt. Bei mehrjährigem Eis nimmt er nach unten hin zu, während der Salzgehalt von erstjährigem Eis an der Oberfläche hoch ist (8 bis 16 ‰), dann abnimmt und in der Nähe der Eisunterkante wieder ansteigt (Tucker et al., 1992).

Hempel G. & und I. Hempel I. (2006): Faszination Meeresforschung, Ein ökologisches Lesebuch, Verlag H. M. Hauschild GmbH, Bremen, 2006, p. 42
Tucker W. B., et al. (1992): Physical properties of sea ice relevant to remote sensing, in Carsey (1992): Physical properties of sea ice relevant to remote sensing, pp. 9-28

Eine weitere Möglichkeit der Entsalzung in „kaltem“ Eis ist der Sole-Ausstoß, der nur bei weiterer Abkühlung stattfindet. Im Eis können sich größere Salztaschen – sogenannte „brine pockets“ – bilden. Kühlen sich diese weiter ab, bildet sich darin neues Eis, das wegen seines größeren Volumens einen enormen Druck innerhalb der Taschen erzeugt. Dieser kann sich entladen, indem die Kanäle aufplatzen und die Sole in das Meerwasser freigeben. Geschieht dies nahe der Eisoberfläche und wird die Sole zur Eisoberseite hin ausgestoßen, können sogenannte Eisblumen entstehen. Diese sind zwischen einem und drei Zentimetern groß und bilden sich, wenn das Wasser der ausgestoßenen Sole evaporiert, also verdampft. Zurück bleiben sehr salzige Kristalle, die schnell wieder schmelzen.

Bei der Auswaschung („flushing“) handelt es sich um eine spezielle Form der schweregetriebenen Drainage. Wenn im späten Frühling und im Sommer an der Eisoberfläche viel schweres Schmelzwasser entsteht, erzeugt dies einen hydrostatischen Druck auf das darunterliegende Porensystem. Das Wasser sickert dann in das Eis nach unten und verdrängt dort die salzige Sole. Die Auswaschung ist der effektivste Entsalzungsmechanismus und sorgt in den Sommermonaten für einen rapiden Salzverslust im Eis.

Thomas D. N. & Dieckmann G. S. (2003): Sea Ice: An introduction to its physics, chemistry, biology and geology, Blackwell Publishing, p. 50