Zum Inhalt springen Zum Footer springen
Als Anwendung installieren

Installieren Sie meereisportal.de als App für ein besseres Nutzungserlebnis.

Messungen in Schnee und Eis

Messungen aus dem All mithilfe von Satelliten und aus der Luft mithilfe von Flugzeugen und Hubschraubern ergeben in Kombination bereits ein sehr gutes wissenschaftliches Bild des aktuellen Zustands der Meereisbedeckung. Wirklich vollständig wird dieses Bild aber erst durch Untersuchungen auf kleinstem Raum – direkt auf dem Eis. Nur so lassen sich die feinen Details – etwa die Struktur des Schnees auf dem Eis – erkennen, die enormen Einfluss auf wichtige Funktionsparameter haben – zum Beispiel den Wärmefluss zwischen Ozean, Eis und Atmosphäre oder die Rückstrahlkraft (Albedo) des Eises für Sonnenlicht. Mithilfe der Daten können Forschende dann etwa Meereissimulationen im Computer verbessern und Prognosen zur zukünftigen Entwicklung noch verlässlicher machen. Nicht zuletzt sind Untersuchungen direkt auf dem Eis nicht nur notwendig, sondern sind für alle Polarforschenden auch ein unvergessliches Erlebnis, das sie in hautnahen Kontakt mit einem Lebensraum bringt, der für die Klimazukunft unseres Planeten entscheidend sein wird. Hier stellen wir Ihnen die wichtigsten Untersuchungsinstrumente vor, mit denen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Eis arbeiten.

Warum sind Messungen im Schnee so wichtig?

Die Schneeauflage auf Meereis ist eine wichtige Komponente im Klimasystem der Polarregionen und modifiziert die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Meereis und Ozean signifikant. Aufgrund seiner Albedo trägt der Schnee dabei maßgeblich zur Oberflächenenergiebilanz bei und bestimmt somit, wie viel der einfallenden Solarstrahlung reflektiert, absorbiert oder durch den Schnee ins Eis und den darunterliegenden Ozean transmittiert wird. Damit ist der Schnee auch eine Art Frühwarnsystem für das darunterliegende Meereis: Eine zunehmende Erwärmung verändert zunächst die Schneeeigenschaften bevor sie dann das darunterliegende Meereis erreicht.

Dabei ist es außerdem wichtig zu verstehen, dass sich der Schnee auf arktischem und antarktischem Meereis grundlegend unterschiedlich verhält: Während die Schneeoberfläche auf arktischem Meereis einer starken Saisonalität mit vollständigem Abschmelzen dieser im Sommer unterliegt, erfährt der Schnee auf antarktischem Packeis nur sehr geringe Schmelzraten im saisonalen Verlauf. Stattdessen verändert der Schnee jedoch seine physikalischen Eigenschaften durch z. B. diverse Schmelz- und Gefrierzyklen und trägt damit entscheidend zur Meereis-Massenbilanz im Südozean bei.

Neben seinem direkten Einfluss auf die physikalischen Meereiseigenschaften, erschwert der Schnee auch die Interpretation und Gewinnung geophysikalischer Parameter des Meereises, wie der Meereisdicke und des -volumens aus satellitengestützten Fernerkundungsmethoden. So wird hier zum Beispiel mithilfe von Laseraltimetrie das Schneefreibord bestimmt. Um diese Freibordmessung in Eisdicke umzuwandeln sind genaue Annahmen über die Schneedicke nötig. Dies gilt insbesondere für antarktisches Meereis, da dies ein vergleichsweise hohes Verhältnis zwischen Schneedicke und Eisdicke aufweist, was einen starken Einfluss auf das Freibord hat. Eine genaue Schätzung der Eisdicke ist daher besonders empfindlich gegenüber der Umrechnung von Freibord in Eisdicke, was zu großen Unsicherheiten bei der Abschätzung der Meereisdicke für antarktisches Meereis führt. Auch eine unzureichende Parametrisierung des Schnees und seiner Eigenschaften in numerischen Modellen sorgt für große Unsicherheiten in entsprechenden Beschreibungen des Ist-Zustandes und der Meereisvorhersage auf großen räumlichen und zeitlichen Skalen.

Obwohl die Schneeauflage auf dem Meereis und ihre Eigenschaften also eine so wesentliche Zustandsvariable des polaren Klimasystems ist, ist sie dennoch einer der am wenigsten bekannten und am schwierigsten zu charakterisierenden Parameter im gekoppelten polaren Klimasystem – weswegen es umso wichtiger ist, dass wir den Schnee umfänglich auf unseren Expeditionen in Arktis und Antarktis vermessen.

Wie genau beschreibt man nun aber die Schneeeigenschaften? Eine noch sehr klassische manuelle Methode ist die der sogenannten Schneeschacht-Analyse (engl.: snow pit). Dabei wird an einem repräsentativen Ort auf der Eisscholle zunächst ein Loch in den Schnee gegraben – von der Schneeoberseite bis auf das darunterliegende Meereis. In dieser Schneegrube wird dann an einer geraden schattigen Wand gearbeitet.

Hier wird zunächst ein vertikales Profil der Schneetemperatur mit einer vertikalen Auflösung von 2 bis 5 cm – je nach Schneedicke – mithilfe eines Einstech-Thermometers bestimmt. Als nächstes wird die sogenannte volumetrische Schneedichte bestimmt – ebenfalls über die gesamte Schneehöhe. Dafür wird jeweils ein Schneeblock einheitlicher Größe aus der Arbeitswand herausgelöst und gewogen. Aus dem bekannten Volumen und dem Gewicht kann man so die Dichte bestimmen. Auf gleiche Art und Weise kann auch die mittlere Gesamtdichte des Schnees bestimmt werden. Dafür wird ein Schneeblock über die gesamte Schneehöhe geschnitten und vermessen.

Danach geht es ans „Eingemachte“ – und der Schnee wird, wortwörtlich, unter die Lupe genommen: Für die sogenannte Schneestratigraphie wird der Schnee visuell inspiziert und es werden Schichten im Schnee bestimmt. Für jede identifizierte Schicht wird dann Schneekorngröße, -typ sowie Schichthärte und -feuchtigkeit bestimmt. Für die Bestimmung von Schneekorngröße und -typ werden jeweils einzelne Schneekristalle auf einer Millimeterkarte unter einer Lupe betrachtet. So können dann fragmentierte von facettenreichen Kristallen oder den sehr groß gewachsenen Tiefenreif-Kristallen unterschieden werden. Während letztere sich vor allen bei sehr starken Temperaturgradienten zwischen warmem Schnee und kalter Atmosphäre bilden, sind stark kompaktierte, kleine runde Kristalle meist Ergebnis starker Windereignisse in der Region. Die Schneehärte hingegen lässt sich durch einfache Fingerspiele in sechs verschiedene Klassen einteilen: Kann ich eine Faust (sehr weich), 3,4 Finger (weich) oder nur 1,2 Finger (mittel) hereinstecken – oder benötige ich sogar einen Bleistift (hart), ein Messer (sehr hart) oder ist es einfach eine richtige Eisschicht im Schnee? Natürlich können diese Eigenschaften auch wesentlich technischer mithilfe eines Computertomographen (CT) im Labor bestimmt werden. Im CT wird dann ein gezogener Schneekern kontinuierlich analysiert und es kann aus den Ergebnissen ein 3-D-Modell der Schneeauflage erstellt werden. Allerdings ist das Gerät sehr wackel- und Vibrations-empfindlich und kann daher auf einer normalen Schiffsexpedition ins Eis nicht verwendet werden.

Für die Schneefeuchtigkeit kann entweder ein dielektrisches Messverfahren eingesetzt werden – oder ebenfalls eine eher klassische und schnelle Methode: Wir versuchen aus dem Schnee einen Schneeball zu formen. Während der Schnee im Winter genau dafür viel zu kalt und trocken ist und leicht zerfällt, kann im Frühjahr so überprüft werden, ob die Schneeschmelze eingesetzt und sich der Flüssigwassergehalt im Schnee erhöht hat. In diesem Fall haftet der Schneeball zusammen – Schneeballschlacht für die Wissenschaft, was will man mehr?

Fierz, C., Armstrong, R. L., and Durand, Y. (2009): International Classification for Seasonal Snow on the Ground, Technical Documents in Hydrology. International Association of Cryospheric Sciences / UNESCO.

Wie man sich leicht vorstellen kann, ist die manuelle Bestimmung der Schneedichte sehr aufwendig, wenn dieser Schicht für Schicht in einer Schneedicke von bis zu einem Meter vermessen werden muss. Da gleichzeitig oftmals nur wenige Stunden für diese Messungen auf dem Meereis zur Verfügung stehen, bedeutet das, dass in der Regel nicht mehr als zwei bis drei Schneeschächte pro Scholle beprobt werden können – und somit keine Aussagen über die räumliche Variabilität der Schneedichte auf der jeweiligen Eisscholle getroffen werden kann.

Deswegen werden zusätzlich sogenannte SnowMicroPen, kurz SMP genutzt. Es handelt sich dabei um ein hochauflösendes Schnee-Penetrometer, welches objektiv die Bindungskraft zwischen den Schneekörnern, mit hoher vertikaler Auflösung und hoher Geschwindigkeit misst – eine Messung dauert hier nicht einmal eine Minute. Das Offensichtlichste an dem Gerät ist ein langer Metallstab. Dieser wird mithilfe eines Motors mit konstanter Geschwindigkeit in den Schnee gefahren. Am Ende der Stange sitzt ein piezoelektrischer Kraftsensor, der den Eindringwiderstand als Funktion der Tiefe bestimmt. Sobald der Widerstand zu groß wird fährt die Sensorstange zurück. Dies ist der Fall, wenn entweder die Grenzfläche zwischen Schnee und Meereis erreicht ist, sprich die Schneeauflage komplett durchfahren wurde – oder aber dicke Eislinsen im Schnee sind.

Diese Messungen werden oftmals entlang von geraden Profilen (sog. Transektlinien) über die jeweiligen Eisschollen durchgeführt: In einem fixen Abstand zwischen den Messpunkten wird so über Strecken von 100 Metern das Gerät eingesetzt.

Zurück an Bord können die Kraftmessungen dann mithilfe einfacher Gleichungen in Schneedichten umgerechnet werden. Der große Vorteil gegenüber der manuellen Schneedichte-Messungen: Es liegen vertikal-hochaufgelöste Dichteprofile vor, aus denen einzelne Schichten abgelesen und Schichtdichten oder die Dichte der gesamten Schneesäule berechnet werden können – und das ganz nicht nur an zwei bis drei Messpunkten auf der Eisscholle, sondern an teilweise bis zu 100 Messpunkten pro Scholle. Trotzdem sind die Schneeschacht-Messungen auch wichtig: Sie helfen, die SMP-Messungen zu validieren und so die berechneten Schneedichten noch präziser zu machen.

Oberflächentopographie von Meereis gemessen mit einem terrestrischen Laserscanner (TLS)

Die Vermessung der räumlichen Verteilung und der zeitlichen Entwicklung der Oberflächentopographie ist für die Untersuchung der Massen- und Energiebilanz des Meereises von entscheidender Bedeutung. Mit Hilfe eines terrestrischen Laserscanners (TLS, siehe Abbildung 1) lassen sich Karten der Oberflächentopographie mit hoher räumlicher Abdeckung und Auflösung erstellen.

Ein TLS wird in der Regel auf einem Stativ etwa 2 Meter über der Meereisoberfläche montiert. Der Sender (Transmitter) des TLS sendet Laserpulse mit Lichtgeschwindigkeit aus, die an der Meereisoberfläche reflektiert und zum Empfänger (Receiver) zurückgesendet werden. Durch die Messung der Laufzeit zwischen Aussenden und Empfang des Laserpulses wird die Höhenveränderung und damit die Oberflächentopographie relativ zur Position des TLS anhand der Geschwindigkeit der Pulse in der Luft erfasst. Die Laserpulse scannen die Oberfläche in Form eines Fächers ab. Zusätzlich dreht sich der TLS während der Messzeit um 360° und vermisst so die Oberfläche einer größeren Fläche. Verschiedene Messstationen, sogenannte Scanpositionen, sind über das gesamte Untersuchungsgebiet verteilt. Mithilfe von im Untersuchungsgebiet installierten und eingemessenen Reflektoren können alle Messstationen mit einer geeigneten Software kombiniert und ein vollständiges Geländemodell eines größeren Gebiets erstellt werden.

Die verschiedenen, im Einsatz befindlichen TLS-Messgeräte, haben unterschiedliche Reichweiten, die von der Laserleistung, der Laserwellenlänge sowie den Oberflächen- und Schneebedingungen abhängen (Tabelle). In der Praxis wird die maximale Reichweite eines TLS auch durch die Sichtverhältnisse begrenzt. Bei Entfernungen von mehr als ca. 300 Metern wird die Abschattung selbst auf relativ ebenem Eis aufgrund des geringen Lasereinfallswinkels zu groß. Aufgrund der hohen Laserleistung sind einige TLS-Messgeräte unter anderem gefährlich für die Augen und müssen mit Vorsicht gehandhabt werden.

Die Ergebnisse eines TLS-Scans sind der Reflexionsgrad der Oberfläche (Abbildung 2A), die Höhe der Oberfläche relativ zur TLS-Höhe (Abbildung 2B) und die Entfernung vom TLS. Der Reflexionsgrad beschreibt, wie viel einfallende optische Leistung (hier des Lasers) von einem Material (hier Meereis) bei einer bestimmten Wellenlänge reflektiert wird. Der Reflexionsgrad für Wasser – etwa in Schmelztümpeln (Abbildung 2A, B) – oder von feuchtem Schnee ist dabei sehr gering.

Neben der Vermessung der Oberflächentopographie und ihrer Veränderungen (z. B. durch Anhäufung von Schnee oder Schneeschmelze) können auch andere Parameter abgeleitet werden, die für die Meereisforschung entscheidend sind. Dazu gehören die Verteilung und der Umfang von Schmelztümpeln (z. B. Anhaus et al., 2021a, Abbildung 2A), die Bildung, Entwicklung und Entwässerung von Schmelztümpeln (Polashenski et al., 2012) und die Schneehöhe. Letzteres ist dabei nur möglich, wenn die Scans auf ebenem Meereis mit einer konstanten Eisdicke innerhalb des Messfehlers des Eisdickenmessgeräts durchgeführt werden, da sich dann die Höhenänderung nur durch die Änderung der Schneeauflage ergibt (Anhaus et al., 2021b). Außerdem können die Positionen von anderen, auf dem Meereis installierten Messinstrumente und die Abstände zwischen dem TLS und diesen Instrumenten überprüft werden. So können verschiedene Messungen miteinander verglichen werden. Darüber hinaus können Luftaufnahmen der Oberfläche anhand der TLS-Messungen mit raumbezogenen Informationen und Koordinaten versehen (geo-referenziert) werden (z. B. Anhaus et al., 2021a).

Anhaus, P., Katlein, C., Nicolaus, M., Arndt, S., Jutila, A., & Haas, C. (2021b). Snow Depth Retrieval on Arctic Sea Ice Using Under-Ice Hyperspectral Radiation Measurements. Frontiers in Earth Science, 9. doi:10.3389/feart.2021.711306

Anhaus, P., Katlein, C., Nicolaus, M., Hoppmann, M., & Haas, C. (2021a). From Bright Windows to Dark Spots: Snow Cover Controls Melt Pond Optical Properties During Refreezing. Geophysical Research Letters, 48(23). doi:10.1029/2021gl095369

Polashenski, C., Perovich, D. K., & Courville, Z. (2012). The mechanisms of sea ice melt pond formation and evolution. Journal of Geophysical Research: Oceans, 117(C1). doi:10.1029/2011jc007231

Datenreferenzen

Beispielhafte Daten, die während Expeditionen in den Arktischen Ozean gesammelt wurden, können hier eingesehen werden:

doi:10.1594/PANGAEA.940151, doi:10.1594/PANGAEA.932593, doi:10.1594/PANGAEA.932597, doi:10.1594/PANGAEA.932598 , doi:10.1594/PANGAEA.932599