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Meereis und Strahlungsbilanz

Wenn Sonnenlicht auf die Erde fällt, wird sie von jeder beschienenen Oberfläche je nach ihrer Beschaffenheit teilweise reflektiert und teilweise absorbiert. Dieses Reflexionsvermögen einer Oberfläche wird mit der sogenannten Albedo beschrieben. Der Begriff ist dem Lateinischen entlehnt und bedeutet „Weißheit“. Die Albedo kann definiert werden als Quotient aus reflektiertem und einfallendem Strahlungsstrom, jeweils summiert über den ganzen Halbraum und über alle Wellenlängen. Die mittlere Albedo der Erde beträgt 0,3. Sie kann in Abhängigkeit von Ort und Zeit stark variieren. In die Gesamtalbedo geht also nicht nur die Reflexion von der Erdoberfläche ein, sondern auch die der Atmosphäre.

Schneebedeckte (helle) Oberflächen haben eine hohe Albedo. Sie reflektieren einen Großteil der einfallenden Sonnenstrahlung wieder zurück ins All. Im Gegensatz dazu ist die Albedo von pflanzenbedeckten (dunklen) Oberflächen und Ozeanen relativ niedrig. Die Albedo der Erde variiert hauptsächlich wegen unterschiedlicher Bewölkung, Schnee-, Eis-, oder Laubbedeckung und Veränderungen bei der Landnutzung.

Eis und Schnee sind sehr hell und bilden sehr ebene Oberflächen – in der Physik spricht man von einer geringen Rauigkeit. Die Albedo von schneebedeckten Eisflächen ist daher sehr hoch und kann bis zu 0,9 betragen. Wasserflächen hingegen haben, in Abhängigkeit des Einfallswinkels der Sonnenstrahlung, sehr geringe Werte (0,05-0,25).

Einfluss von Eis auf die Albedo

Wegen der Kugelgestalt der Erde wird die sowieso schon hohe Albedo der Polgebiete noch weiter angehoben. Denn im Gegensatz zu den äquatorialen Gebieten treffen die Sonnenstrahlen in den hohen Breiten in einem relativ flachen Winkel auf die Erde. Damit vergrößert sich die von einem Bündel Sonnenstrahlen beschienene Fläche, während sich die Dichte der einfallenden Strahlung verringert. Somit kann eine Absorption der solaren Strahlung (und damit eine Erwärmung der Erdoberfläche) nur in begrenztem Maße stattfinden. Insgesamt wird auf Grund der hohen Albedo von Schnee und Eis sowie der geografischen Lage der Polgebiete auf der kugelförmigen Erde deutlich weniger Strahlungsenergie vom Erdkörper absorbiert als am Äquator.

Die im Meereis befindliche Salzsole verändert seine optischen Eigenschaften. Sie schafft im Eiskörper zahlreiche Phasengrenzen – also Übergänge zwischen fest (Eis) und flüssig (Sole). Das einfallende Sonnenlicht wird deshalb in viele Richtungen gestreut. Meereis erscheint so nicht durchsichtig, lässt das Licht also nicht passieren, sondern reflektiert einen Großteil zurück ins Weltall. Während von Meerwasser je nach Winkel des einfallenden Sonnenlichts nur etwa vier bis sieben Prozent reflektiert werden, strahlt Meereis bis zu 60 Prozent des Lichts zurück. Ist das Meereis mit Schnee bedeckt, können sogar bis zu 90 Prozent des Sonnenlichts ins Weltall zurückreflektiert werden. Dies ist einer der Gründe, warum die Polargebiete so kalt bleiben: Über stark reflektierenden Flächen (Eis und Schnee) bildet sich viel kalte Luft (Balburg & Breitkreuz, 2012).

Die hohe Albedo der Polargebiete schwankt mit den Jahreszeiten. Zum einen ändert sich die Meereisbedeckung saisonal (mehr Eis im Winter, weniger im Sommer). Zum anderen schmilzt bei stabilerem Eis im Sommer der Schnee auf seiner Oberfläche und bildet Schmelztümpel. Diese blauen Flächen absorbieren wesentlich mehr Strahlungsenergie als die umgebenden weißen Eisflächen.

Wegen seiner hohen Albedo hat Meereis also einen wesentlichen Einfluss auf die Strahlungsbilanz der Erde. Vereinfacht kann man sagen: Die Sonne ist die Hauptenergiequelle der Erde und Meereis der Haupt-Reflektor.

Rückkopplungsprozesse im Klimasystem

Typisch für die oft nichtlinearen Reaktionen des komplexen Klimasystems und von großer Bedeutung für Klimaschwankungen sind sogenannte Rückkopplungsprozesse. Positive Rückkopplungen können ursprünglich sehr schwache und für sich kaum wirksame Klimaantriebe enorm verstärken. Außerdem machen sie das Klimasystem instabil, weil es sich nach einer zunächst nur kleinen Abweichung immer weiter und schneller von der Ausgangslage entfernt („Überschießen“).

Negative Rückkopplungen führen dagegen zu einer Stabilisierung des Klimasystems, da es nach der Auslenkung in seine Ausgangslage zurückkehrt.

Eis-Albedo-Rückkopplung

Nimmt die Intensität der einfallenden solaren Strahlung im Sommer zu, erwärmen sich – trotz hoher Albedo – auch die hohen Breiten und Schnee und Meereis beginnen zu schmelzen. Schmilzt das Meereis, wird der Flächenanteil des darunter liegenden, dunkleren Wassers größer. Auf diesen Flächen wird dann viel mehr Sonnenlicht absorbiert und nicht mehr reflektiert. Der Ozean erwärmt sich dadurch und noch mehr Eis schmilzt. Da dieser Effekt sich selber verstärkt, schmelzendes Meereis also eine stärkere Schmelze verursacht, spricht man von einem positiven Rückkopplungseffekt, dem Eis-Albedo-Rückkopplungseffekt.

Aufgrund der Eis-Albedo-Temperatur-Rückkopplung werden alle positiven und negativen Temperaturänderungen – seien sie nun auf natürliche oder auf menschengemachte Ursachen zurückzuführen – zu den Polen hin verstärkt. Dies wird in der Klimaforschung als „polar amplification“ (polare Verstärkung) bezeichnet. In der Arktis entfaltet die Eis-Albedo-Temperatur-Rückkopplung eine enorme Wirkung: Der Hohe Norden erwärmt sich in Folge des menschengemachten Klimawandels im Vergleich zu den meisten anderen Regionen der Welt doppelt so schnell.

Bahlburg, H. & Breitkreuz, C. (2012): Grundlagen der Geologie. 4. Auflage, S. Springer Verlag, pp. 21-22
Kappas, M. (2009): Klimatologie, Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag, p. 81