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Meereis und Ozean

Neben dem Wind sind es vor allem Dichteunterschiede im Wasser, die Meeresströmungen und die Umwälzung der Ozeane antreiben. Meerwasser wird dabei dichter, wenn sein Salzgehalt zunimmt und/oder seine Temperatur sinkt.

Dieser Antrieb von Meeresströmungen als Folge von Dichteunterschieden wird als „thermohaliner Antrieb“ bezeichnet. „Thermo“ steht dabei für Temperaturänderung und „halin“ (vom griechischen Wort für Salz abgeleitet) für die Änderung des Salzgehaltes.

In hohen Breiten wird durch die Meereisbildung im Winter viel schweres Wasser gebildet. Die im Meereis enthaltende Salzsole besitzt einen deutlich höheren Salzgehalt und damit eine höhere Dichte als Meerwasser (siehe Entsalzung von Meereis). Sie läuft daher mit der Zeit aus dem Eis heraus und gelangt in den darunter liegenden Ozean. Die Menge des im Eis befindlichen Salzes nimmt daher immer weiter ab, der Ozean unter dem Eis wird immer salziger. Durch den erhöhten Salzgehalt und die niedrigen Wassertemperaturen wird die Dichte des Oberflächenwassers erhöht und es sinkt in die Tiefe.

Auf diese Weise wird etwa östlich von Grönland in der Arktis und im Weddellmeer in der Antarktis viel ozeanisches Tiefenwasser gebildet. Diese absinkenden polaren Wassermassen erzeugen an der Oberfläche einen gigantischen Sog, so dass warmes Oberflächenwasser aus niedrigeren Breiten polwärts strömt. In der Tiefe drücken sie dagegen Unmengen von Wasser in Richtung Äquator. Die Tiefenwasserbildung in den Polargebieten ist daher ein zentraler Bestandteil und Hauptantreiber der weltumspannenden Ozeanzirkulation – auch bekannt als Thermohaline Zirkulation oder „Globales Förderband“. Dieses Förderband ist entscheidend für das Klima auf der Erde. Es verteilt nicht nur Wärme auf dem Planeten, sondern transportiert auch etwa ein Drittel der durch den Menschen ausgestoßenen Kohlendioxid-Emissionen von der Ozeanoberfläche in die Tiefsee, wo es für Jahrhunderte verbleibt, bevor es dann irgendwann wieder in Kontakt mit der Atmosphäre kommt. Ohne die Thermohaline Zirkulation wäre es deshalb auf der Erde bereits deutlich wärmer. 

Da Meereis die Tiefenwasserbildung entscheidend mitbestimmt, wird ein weiterer Eisrückgang in Folge des Klimawandels erhebliche Folgen für die globale Ozeanzirkulation und das Klima haben. Denn ohne Meereisbildung bleibt die Erhöhung des Salzgehalts im Oberflächenwasser der Polargebiete aus und die Tiefenwasserbildung und somit auch das ganze Förderband geraten ins Stocken.

Der vielleicht bekannteste Bestandteil des globalen Förderbandes ist der Nordatlantikstrom oder gemeinhin Golfstrom genannt. Dieser Name wird oft – und fälschlicherweise – für die Gesamtheit eines komplexen Systems aus Meeresströmungen verwendet, das sich von der Karibik bis in arktische Gewässer erstreckt. Im engeren Sinne bezeichnet der Golfstrom jedoch „nur“ den ersten großen Teilabschnitt dieses Systems. Unabhängig von der genauen Bezeichnung ist jedoch klar: Der Golfstrom und seine Folgeabschnitte wirken wie eine „Heizung“, die Westeuropa sein im Vergleich zu anderen Regionen derselben geographischen Breiten ungewöhnlich mildes Klima zu verdanken hat.

Nun reist die Meeresströmung ganz offiziell unter dem Namen Golfstrom an der US-amerikanischen Ostküste entlang nach Norden bis auf die Höhe von North Carolina. Bei Cape Hatteras biegt die Strömung nach Osten ab und fließt als gebündelter Strahlstrom mit etwa 5 km/h auf einer Breite von 50 km in den offenen Atlantik hinaus. Für diesen Rechtsschwenk in Richtung Europa gibt es zwei Gründe. Zum einen wehen in diesem Bereich die Winde aus Westen und nicht wie im karibischen Geburtskanal des Golfstroms aus Osten, drücken das Wasser also von der „Neuen Welt“ weg in Richtung Europa. Zum anderen sorgt die Erdrotation bei einer so langen Wegstrecke für einen ausgeprägten Rechtsdrall (Corioliskraft).

Hier im Nordatlantik vor der Küste Neufundlands endet zumindest namentlich der von Winden und Erdrotation angetriebene Golfstrom. Er trifft auf den kalten Labradorstrom aus dem Nordpolarmeer. Beide Ströme vermischen sich teilweise und lassen an der Oberfläche oft Nebel entstehen. Aus dieser nebligen Heirat entsteht der Nordatlantikstrom, der immer noch gewaltige Mengen an mexikanischer Wärmeenergie in sich trägt. Ihn treibt es weiter über den atlantischen Ozean auf die Britischen Inseln zu, wo er sich vor Island aufspaltet und nach Westen in Richtung Grönland, nach Nordosten ins europäische Nordpolarmeer in Richtung Norwegen abbiegt.

Dabei entfaltet die gigantische Warmwasserheizung ihre volle Wirkung in Europa. Der Ozean gibt das warme Erbe des Golfstroms an die Atmosphäre ab und Westwinde blasen die milde Luft an Land. Die Folge: Palmen in Cornwall und ganzjährig eisfreie Fjorde in Norwegen. Während im kanadischen Labrador Karibuherden durch Tundrenwälder ziehen, wachsen auf dem gleichen Breitengrad weiter östlich – in England und Norddeutschland – saftige Wiesen und Laubwälder.

Die Schätzungen variieren, wieviel Wärmeenergie auf diesem Wege eigentlich wirklich in den Norden gepumpt wird. Die Leistung der Heizung Europas dürfte aber wohl deutlich über einer Milliarde Megawatt liegen, was in etwa der Nennleistung von einer Million Kernkraftwerken entspricht.

Rahmstorf, S., Risk of sea-change in the Atlantic. Nature, 1997. 388: p. 825-826.Rahmstorf, S., Risk of sea-change in the Atlantic. Nature, 1997. 388: p. 825-826.

Ein besonders spannendes Thema in der Klimaforschung ist die Frage, wie sich der Wasser- und Wärmetransport nach Norden im Zuge des Klimawandels verändern wird. Der Schlüssel zur möglichen Zukunft der Wärmepumpe ist dabei die Tiefenwasserbildung in der Arktis, die mit ihrer Sogwirkung auf oberflächennahes Wasser den Hauptantrieb des Nordatlantikstroms und seiner Ausläufer darstellt. Wieviel schweres Wasser in der Arktis absinkt und als Tiefenwasser zurück Richtung Äquator fließt, hängt von mehreren Faktoren ab. Auf dem Weg nach Norden kühlt das Wasser des Nordatlantikstroms stark ab, weil es viel seiner in Mittelamerika getankten Wärme an die Atmosphäre abgibt. Es wird zudem salziger, weil durch den langen Kontakt mit der Atmosphäre viel Wasser verdunstet. Und es wird noch salziger, weil sich im äußersten Norden an der Oberfläche Meereis bildet. All dies erhöht die Dichte des Stroms und damit sein Gewicht.

Der Klimawandel wirkt dieser Dichtezunahme nun in mehrfacher Hinsicht entgegen. Zum einen heizt sich die Atmosphäre – besonders stark die Luft über der Arktis – auf, so dass Golfstrom und Nordatlantikstrom auf dem Weg nach Norden weniger Wärme abgeben können. Zum anderen beobachten Forschende schon seit längerer Zeit eine „Aussüßung“ des Arktischen Ozeans. Diese hat drei wesentliche Gründe:

  • Als Folge des Klimawandels schneit und regnet es mehr in Sibirien. Die zahlreichen Flüsse transportieren deshalb mehr Süßwasser in den Arktischen Ozean.
  • Der gigantische Eisschild auf Grönland verliert wegen schmelzender Gletscher an den Küsten seit Jahren kontinuierlich an Masse. Im Rekordjahr 2019 etwa schwand das Festlandeis netto um 532 Milliarden Tonnen. Allein diese enorme Jahresmenge an Schmelzwasser machte nicht nur den Arktischen Ozean süßer, sondern ließ auch den weltweiten Meeresspiegel um 1.5 Millimeter ansteigen.
  • Bei der Bildung von Meereis steigt unter dem Eis der Salzgehalt des Ozeanwassers. Wegen des Meereisrückgangs verringert sich auch dieser Effekt.

All das – weniger Abkühlung des Wassers auf dem Weg nach Norden, weniger Salzgehaltszunahme durch verringerte Meereisbildung und mehr Süßwasserzufuhr durch Flüsse und Gletscherschmelze – lässt das Oberflächenwasser auch weniger schwer werden, so dass es nicht mehr so stark absinkt. Auf lange Sicht könnte deshalb auch der Antrieb des „Golfstrom“-Systems ins Stocken kommen. Erste Anzeichen für eine verringerte Pumpleistung der europäischen Fernheizung lassen sich schon heute beobachten. Schaut man sich etwa eine Weltkarte mit den aktuellen globalen Erwärmungstrends an, fällt zwischen all dem Erwärmungsrot auf der Nordhalbkugel ein blauer Fleck im Nordatlantik vor Grönland auf. Diese von der Wissenschaft Cold Blob („kalter Fleck“) getaufte Region hat sich entgegen dem globalen Trend nicht nur nicht erwärmt, sondern sogar abgekühlt.

Eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) von 2018 beziffert den Verlust der Pumpleistung von Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute auf 15 Prozent. Setzt sich dieser Trend fort, wird die Golfstromwärme wohl vermehrt in Nordamerika bleiben und dort die US-Amerikanische Ostküste aufheizen. Zudem rückt der verlangsamte Golfstrom, der durch die Erdrotation bei North Carolina in Richtung Europa abgelenkt wird, vermutlich näher an die Küste von New England heran. Weil warmes Golfstromwasser ein höheres Volumen hat als kaltes, könnte so der Meeresspiegelanstieg in New York oder Boston deutlich höher ausfallen, als bislang gedacht.

Und Europa? Steht hier eine regionale Eiszeit vor der Tür? Wohl kaum. Die Abschwächung der Wärmepumpe erfolgt – wenn sich der Trend denn fortsetzt – allmählich, über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte. Der deshalb zu erwartende Kühleffekt wird nach Meinung großer Teile der wissenschaftlichen Gemeinde durch die weiter voranschreitende globale Erwärmung überkompensiert. Wahrscheinlich ist also langfristig höchstens ein leicht verlangsamter Anstieg der Temperaturen in Europa, jedoch keine Abkühlung unter das heutige Niveau.

Kurzfristig könnte es in Europa durch die schwächelnde Wärmepumpe sogar heißer und stürmischer werden. Denn der Cold Blob beeinflusst das europäische Wetter. So war der Nordatlantik etwa im Jahr 2015 besonders kalt, was ein Luftdruckmuster begünstigte, das im Sommer viel heiße Luft aus dem Süden nach Westeuropa leitete und eine Hitzewelle auslöste. Zudem rechnen Studien für die Zukunft mit einer verstärkten Sturmaktivität in Europa, die unter anderem mit der Abschwächung des Golfstromsystems zusammenhängt.

 

Rahmstorf S. (2006): Thermohaline Ocean Circulation. In: Encyclopedia of Quaternary
Sciences, Edited by S. A. Elias. Elsevier, Amsterdam 2006.

Der Südliche Ozean rund um die Antarktis nimmt im Klimasystem der Erde eine Schlüsselstellung ein. Denn hier wird in deutlich größerem Umfang als im Nordatlantik schweres Wasser – und damit auch atmosphärische Wärme und gelöstes CO2 – in die Tiefen des Weltozeans verfrachtet. Langzeitmessungen zeigen, dass das Meer südlich des 40. Breitengrades in den vergangenen Jahrzehnten mehr Wärme aufgenommen hat als alle anderen Meeresregionen zusammen. Damit hat der Südliche Ozean einen großen Teil der durch den menschlichen Treibhausgasausstoß herbeigeführten atmosphärischen Erwärmung abgepuffert. Welche Folgen die zusätzliche Wärme in der Tiefe des Weltozeans langfristig haben wird, ist aktuell Gegenstand intensiver Forschung.

Die Struktur des Meeresströmungssystems im Südlichen Ozean ist hochkomplex, lässt sich aber stark vereinfacht mit zwei großen Transport- und Umwälzbewegungen beschreiben. Dominiert wird das Strömungssystem vom gewaltigen Antarktischen Zirkumpolarstrom, der – angetrieben durch starke Westwinde – Unmengen von Wasser in einem kontinuierlichen Ring rund um Antarktika treibt. Wie ein gigantischer Verteiler verbindet er den atlantischen, pazifischen und indischen Ozean und kontrolliert so den Austausch von Wassermassen zwischen den Weltmeeren. Überlagert wird der Strömungstransport von West nach Ost durch eine nord-südliche (meridionalen) Umwälzbewegung, die von einer Divergenz im großräumigen Windfeld – also auseinanderfließenden Luftmassen – angetrieben wird. An dieser sogenannten Antarktischen Divergenz quillt großflächig Tiefenwasser an die Oberfläche, was einen gigantischen Sog erzeugt und wiederum Tiefenwasser nach Süden „nachzieht“, das unter anderem ursprünglich aus dem Nordatlantik stammt. Hier schließt sich also eine Verbindung mit der Tiefenwasserbildung in der Arktis.

Das an die Oberfläche steigende Wasser wird auf zwei Pfaden weitertransportiert. Ein Teil fließt zurück nach Norden, sinkt auf etwa 1.000 Meter Tiefe ab und bewegt sich als sogenanntes Antarktisches Zwischenwasser bis in die gemäßigten nördlichen Breiten. Der andere Teil wird nach Süden in die antarktischen Schelfmeere transportiert und trägt dort maßgeblich zur Neubildung von Tiefenwasser bei. Starker Wärmeverlust an die Atmosphäre, Wechselwirkungen mit dem angrenzenden Schelfeis sowie Anreicherungen von Salzlauge, die aus dem sich bildenden Meereis austritt, lassen Wassermassen sehr hoher Dichte entstehen, die den Kontinentalhang hinab in die Tiefe gleiten.

Über tiefe Passagen in den Mittelozeanischen Rücken bewegen sich die abgesunkenen Wassermassen unter dem Zirkumpolarstrom hindurch nach Norden in den pazifischen, atlantischen und indischen Ozean. Sie breiten sich in der Folge sehr langsam in den tiefen Schichten des Weltozeans aus und kommen erst nach einigen Jahrhunderten in fernen Aufquellgebieten wieder an die Oberfläche. So schließt sich der Kreislauf des globalen ozeanischen Förderbandes, das eine Umlaufperiode von etwa 1.000 Jahren hat. Atmosphärische Wärme und CO2, die von den Wassermassen in die Tiefsee transportiert werden, bleiben also nicht für immer dort, sondern kommen irgendwann wieder zurück an die Oberfläche. Sollte es die Menschheit in 1.000 Jahren geschafft haben, die Temperatur und den CO2-Gehalt der Atmosphäre im Vergleich zu heute deutlich zu reduzieren, werden die Ozeane von einer Senke für Wärme und CO2 zu einer Quelle. Sie geben ihre tausend Jahre alte Fracht wieder an die Luft ab, weil sich zwischen Wasser und Atmosphäre ein neues physikalisches und chemisches Gleichgewicht einstellt. Dies ist nur eines von vielen Beispielen für die Trägheit des Klimasystems. Selbst bei starker Reduktion des Treibhausgasausstoßes binnen weniger Jahre, werden die heutigen Emissionen noch in tausenden von Jahren Wirkung zeigen.

Lumpkin R. & Speer K. (2007):  Notes and Correspondence, Global Ocean Meridional Overturning; J. Phys. Oceanogr. DOI: 10.1175/JPO3130.1; pp. 2550-2560; https://www.aoml.noaa.gov/phod/docs/LumpkinSpeer07.pdf