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Meereisausdehnung im Südozean geht auf Sommerminimum zu

Antarktis

Was wir aus den aktuellen Polarstern-Expeditionen im Weddellmeer darüber lernen können.

Betrachten wir die Meereisausdehnung in der Antarktis über die vergangenen Wochen, erleben wir eine spannende Entwicklung – nicht nur in unseren möglichen Interpretationen, sondern auch wenn wir die aktuelle Meereislage mit derjenigen der vergangenen Jahre vergleichen.

Das antarktische Meereis erreichte am 24.01.2019 eine Ausdehnung von 3,17 Mio. km² (siehe Abbildung 1). Seit November 2018 liegt die Meereisausdehnung um den antarktischen Kontinent unterhalb der zweifachen Standardabweichung des Langzeitmittelwertes von 1981 bis 2010 – ein ähnliches Bild wie wir es schon 2017 und 2016 erlebt haben (siehe Abbildung 2). Ab Mitte Dezember vergangenen Jahres nahm die Eisausdehnung in der Antarktis rapide ab und erreichte Ende Dezember 4,94 Mio. km², den für diesen Monat niedrigsten Wert seit Beginn der kontinuierlichen Satellitenmessungen. Betrachten wir die Monatsmittel der Monate November und Dezember (Abbildung 3), so liegen die drei letzten Jahre unter dem Langzeittrend und zeichnen sich durch die niedrigsten Eisbedeckungen im antarktischen Frühling aus. Was sind die Gründe für diesen Eisrückgang?

Während im Frühjahr 2016, dem Jahr der bisher geringsten Eisausdehnung November und Dezember, ein verändertes Windfeld (Southern Annual Mode - SAM-Index - in negativer Phase, siehe auch meereisportal.de-News-Beitrag Dezember 2016) verbunden mit einem quasi-stationären Tiefdruckgebiet über dem Amundsenmeer, die Hauptursache für den rapiden Eisrückgang war, lässt sich in diesem Jahr die Ursache bisher nicht genau analysieren. Ein wichtiger Grund hierfür ist das Fehlen von täglichen klimatologischen Daten, die eine Auswertung der Windrichtung und somit der Eisdrift, sowie auch der Temperaturentwicklung über dem Meereis ermöglichen. Diese Daten werden durch die National Oceanographic and Atmospheric Administration (kurz NOAA) üblicherweise auf täglicher Basis zur Verfügung gestellt. Durch den Shut-down der amerikanischen Regierung sind auch diese Dienste betroffen, so dass die für die Analyse notwendigen Daten derzeit nicht zur Verfügung gestellt werden können. Daher kann zum jetzigen Zeitpunkt über die Ursache der starken Eisabnahme im Dezember 2018 nur spekuliert werden. Sobald die klimatologischen Daten wieder vorliegen, können diese Analysen nachgeholt werden und eine Interpretation der Situation erfolgen.

Generell können jedoch drei Hauptgründe für den beschleunigten Rückgang des Meereises im Frühjahr herangezogen werden. Wie bereits angeführt, kann die Verlagerung des Westwindgürtels (SAM-Index) das Eisfeld auseinandertreiben und eine damit veränderte Eisdrift den Export von Meereis begünstigen. Aus den bisher vorliegenden Daten ist dies jedoch weitestgehend auszuschließen, da der SAM-Index von September bis Anfang Dezember 2018 im positiven Mode lag. Ein anderer Grund kann ein verstärktes Aufsteigen von wärmeren Wassermassen sein, die das Meereis von unten schmelzen lassen. Generell ist eine Erwärmung der Zwischenwassermassen in der Antarktis zu beobachten. Dieser Effekt wirkt jedoch langfristig und kann nicht zu einem, wie im Dezember beobachteten, kurzfristigen Ereignis über wenige Wochen führen. Als drittes kann der Einstrom wärmerer Luftmassen zu einem verstärkten Schmelzen von Meereis beitragen. Aber auch hier fehlen uns derzeit Anzeichen und räumliche Daten, die dies als Ursache belegen würden. Eine erste Auswertung von Stationsdaten aus der Antarktis zeigen für Dezember keinen ungewöhnlichen Wärmeeinstrom.

Im Gegensatz zur Arktis ist die Meereisverteilung in der Antarktis einer ausgeprägten Regionalität unterworfen, so dass lokale Luftdrucksysteme die Meereisausdehnung beeinflussen. So zeigt für Dezember 2018 die Differenzkarte der Meereisausdehnung gegenüber dem Langzeitmittel anomale Regionen der Meereisausdehnung im Amundsen- und im Weddellmeer (Abbildung 4). Eine genaue zeitliche Analyse wird weiter unten gegeben. Mittlerweile bewegt sich die Meereisausdehnung in der Antarktis wieder im Bereich der zweifachen Standardabweichung.

Analyse der aktuellen Eissituation in der Antarktis

Im November 2016 war die Anomalie der Meereisausdehnung im Wesentlichen in der Ostantarktis zwischen 20° und 75°E sowie im Rossmeer zu beobachten, während wir in der Amundsensee eine leichte Zunahme der Meereisausdehnung beobachtet haben. So waren Bereiche mit weniger Meereis als im Langzeitmittel vor allem im Weddellmeer zu beobachten (30°W bis 45°E) und auch die Öffnung der Weddellmeer-Polynja hat einen entscheidenden Beitrag zur Meereisabnahme geliefert.
Auch 2018 hat sich schon in der mittleren November-Ausdehnung des Meereises gezeigt, dass erneut sowohl das Weddellmeer als auch das Rossmeer die Hauptgebiete für eine potentielle negative Meereis-Anomalie über das gesamte südliche Meereis dominieren könnten. Betrachtete man dazu nun vierzehntägige Vergleiche der Meereisausdehnung im Dezember 2018 bzw. Januar 2019 mit gleichen Daten der vorherigen Jahre, insbesondere dem Minimumjahr 2016, bestätigt sich diese angedeutete Anomalie im Süd-Frühsommer. So zeigten sich zu Beginn Dezember 2018 (01.-15.12.) eine etwas größere Meereisausdehnungen im Ross- und im Weddellmeer, während die Eiskante in der östlichen Amundsensee bereits weiter zurückgegangen ist (Abbildung 5a). In der zweiten Monatshälfte (16.-31.12.) hat sich die Eiskante in der östlichen Amundsensee deutlich weiter zurückgezogen und auch im Weddellmeer lässt sich eine geringere Eisausdehnung gegenüber 2016 feststellen (Abbildung 5b).

Die Auswirkungen dieser geringeren Meereiskonzentrationen zeigen sich schon einen Monat später in der Betrachtung der Meereisausdehnung ganz deutlich. So findet sich in der ersten Januarhälfte in beiden Sektoren des eisbedeckten Südozeans eine starke negative Anomalie, was einer deutlich geringeren Meereisausdehnung entspricht (Abbildung 5c). Insbesondere im östlichen Amundsensee bzw. westlichen Rossmeer setzt sich der Eisrückgang weiter fort und ist insgesamt weiter auf Kurs historisch geringster Eisausdehnung im Januar. Im Vergleich dazu, hält sich im Bereich zwischen 20° und 60° E mehr Meereis als in der Vergangenheit. Diese Anomalien sind auch im Verlauf des Januars noch zu erkennen. Es wird jedoch deutlich, dass die anfänglichen starken Veränderungen langsam stagnieren und sich damit die antarktisweite Meereisausdehnung langsam den Vorjahres-Werten anpasst (Abbildung 5d). Trotzdem bleibt es wichtig, das antarktische Meereis nicht nur als großes Ganzes zu betrachten, sondern die regionalen Unterschiede aufzugreifen und zu verstehen.

Antarktis-Expedition PS117

Der deutsche Forschungseisbrecher FS Polarstern befindet sich momentan genau da, wo diese beschriebene interannuale Variabilität der Meereisanomalie mit am größten ist: nämlich im Weddellmeer. Auf vergangenen Expeditionen musste man sich hier auch um diese Jahreszeit durch wesentlich mehr Meereis brechen, um dem Forschungsprogramm an Bord gerecht zu werden, wie der Fahrtleiter Olaf Boebel zu berichten weiß. “In diesem Jahr ist es fast schon problematisch, geeignete Meereisschollen zu finden, von denen aus wir die geplanten meereisbiologischen Untersuchungen durchführen können. Für den Kursverlauf und Zeitplan von FS Polarstern sind dies natürlich sehr günstige Bedingungen“. Und in der Tat, nicht alle an Bord freuen sich über das wenige Eis im Weddellmeer (Abbildung 6).
Die Meereisforscher Dr. Giulia Castellani (AWI) und Dr. Klaus Meiners (Australian Antarctic Division) sehen das ganz anders. In Ihrer Arbeit messen sie die Sonneneinstrahlung unter dem Eis, die das Wachstum von Mikroalgen kontrolliert. Diese Algen wachsen im und unter dem Eis und bilden die Basis für das Nahrungsnetz des südlichen Ozeans. Sie dienen als Nahrung für den antarktischen Krill, der wiederum von Walen, Robben und Pinguinen gefressen wird.
Klaus Meiners erklärt zur aktuellen Expedition: „Von dieser Expedition erhoffen wir uns neue Erkenntnisse über die Rolle von Meereis im antarktischen Ökosystem. Wir versuchen zu verstehen, welche Art von Meereis in Bezug auf Eisdicke und Schneedicke einen guten Lebensraum für Algen und Krill darstellt.“ und Giulia Castellani ergänzt dazu: „Während dieser Expedition haben wir die Möglichkeit, das Meereisökosystem in einem Jahr mit besonders niedriger Ausdehnung zu untersuchen. Unsere Arbeit zielt auf ein besseres Verständnis der Bedeutung eisbedeckter und eisfreier Gebiete für die Verteilung und das Wachstum von antarktischem Krill und Zooplankton“ (Abbildung 6c und d).

Bei einem noch genaueren Blick auf die Eiskarten der vergangenen Wochen fällt eine weitere kleine Anomalie an der antarktischen Halbinsel auf der Seite des Weddellmeeres auf: Hier zeigt sich im Bereich von 65°S eine Polynja mit weniger Meereis als in den vergangenen Jahren. Grund dafür ist der im Sommer 2017 abgebrochenen Eisberg A-68 am Larsen C Eisschelf, der in dieser Region das Meereis hindert, weiter nach Norden zu driften (siehe Abbildung 7). In Verbindung mit den beobachteten großskaligen Veränderungen der Meereisausdehnung und -konzentration im Weddellmeer, ergeben sich somit spannende Fragestellungen: Wie stark beeinflusst der A-68 Eisberg die Eisdicke und -drift in der Region? Wie dick ist das Meereis insgesamt in dem Bereich des Weddellmeeres, der ganzjährig mit Meereis bedeckt ist? Welchen Einfluss haben die beobachteten Veränderungen auf die Schneeauflage auf dem Meereis? Um diesen Fragestellungen auf den Grund zu gehen und Antworten zu finden, gehen in wenigen Tagen Prof. Christian Haas, Dr. Stefanie Arndt und ihr Meereisteam zusammen mit weiteren knapp 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Punta Arenas an Bord des Forschungsschiffes FS Polarstern - nachdem die Forschungs- und Schiffscrew um Fahrtleiter Dr. Olaf Boebel ihren Fahrtabschnitt beendet haben.
Auf dieser Expedition, auf dem Weg zum Larsen-C-Schelfeis, wollen die Forscher den Ist-Zustand des eisbedeckten Ozeans erforschen und vermessen und mit Messungen aus den Jahren 2004 und 2006 in dieser Region vergleichen, um potentielle Veränderungen auszumachen. „Auf den vorherigen beiden Expeditionen in diese Region haben wir viel über die saisonalen Schneeschmelz-Prozesse auf dem antarktischen Meereis gelernt, die oftmals mit keinem signifikanten Schmelzen von Schnee einhergehen. In vielen Fällen ändern sich lediglich die Schneestruktur über den saisonalen Zyklus“, berichtet Prof. Haas, der auch damals das Meereisprogramm an Bord geleitet hat. „Für uns wird es daher auf dieser Expedition interessant sein zu sehen, ob sich auf der einen Seite die beobachteten Veränderungen der Meereisausdehnung auch in den Schneeeigenschaften widerspiegeln. Auf der anderen Seite haben wir vergleichbare Messungen der Schneeeigenschaften auch auf Expeditionen im östlichen Weddellmeer gemacht, was die Frage aufwirft, wie groß die räumlichen Differenzen in diesen Eigenschaften sind“, ergänzt Meereisphysikerin Dr. Stefanie Arndt, die diese Messungen bereits in den vergangenen Jahren durchgeführt hat.
Darüber hinaus spielt die Schneeauflage auch für die Biologie in der Region eine wichtige Rolle: Wird die Schneeauflage in Relation zur Eisdicke zu mächtig, drückt diese das Meereis unter die Wasseroberfläche, so dass Ozeanwasser an die Grenzfläche zwischen Meereis und Schnee gelingt – und damit auch Lebewesen der oberen Wassersäule. „Es ist uns daher auf der diesjährigen Expedition ein großes Anliegen, die Interdisziplinarität unseres Teams an Bord zu nutzen und erstmalig den Zusammenhang zwischen Meereisdicke, Schneeeigenschaften, Biomasse und biogeochemischen Prozessen im Ozean-Meereis-Schnee-System zu quantifizieren“ fasst Prof. Christian Haas die geplanten Arbeiten seines Forschungsteams an Bord zusammen.

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Meereiskonzentration in der Antarktis am 24. Januar 2019.