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Kühlere Wetterbedingungen verlangsamen das Schmelzen des arktischen Meereises

Meereisminimum Arktis

„Wir befinden uns mit dem diesjährigen Wert weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. So ist die jeweils im September gemessene Meereisfläche der vergangenen elf Jahre geringer gewesen als in allen Jahren davor“, sagt Dr. Marcel Nicolaus vom Alfred-Wegener-Institut.

In diesem September ist die Fläche des Arktischen Meereises bisher auf eine Größe von etwa 4,7 Millionen Quadratkilometern abgeschmolzen (siehe Abbildung 1). Die Fläche ist damit etwas größer als im vergangen Jahr, aber nah am Mittelwert der letzten 10 Jahre. Das bedeutet, dass die Eisbedeckung weiterhin deutlich unter den Werten von 1979 bis 2006 liegt (siehe Abbildung 2). „Wir befinden uns mit dem diesjährigen Wert weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. So ist die jeweils im September gemessene Meereisfläche der vergangenen elf Jahre geringer gewesen als in allen Jahren davor“, sagt der Meereisphysiker Marcel Nicolaus vom Alfred-Wegener-Institut. Seit 2007 erreichte das Meereisminimum nie wieder eine Fläche von mehr als 5,3 Millionen Quadratkilometern. In den 1970er und 1980er Jahren lagen die sommerlichen Minima noch bei durchschnittlich rund sieben Millionen Quadratkilometern. Im August 2017 umfasste die Meereisausdehnung im Mittel eine Fläche von 5,42 Millionen Quadratkilometer. Damit lag sie 1.7 Millionen Quadratkilometern unter dem langjährigen Mittelwert der Jahre 1981 bis 2010. Sie übertraf die Ausdehnung im August des Jahres 2012 um 914.141 km² und die des Jahres 2007 um 182.455 km² (siehe Abbildung 3, 4 und 5). Die Meereisaudehnung ordnete sich bis Ende August jedoch weiterhin leicht unterhalb der zweifachen Standardabweichung des langjährigen Mittelwertes von 1981-2010 ein (siehe Abbildung 3).

Der Rückzug des Meereises erfolgte langsamer als in 2012, dem Jahr des schnellsten Eisrückgangs im Vergleich zu jedem anderen August, von dem passive Mikrowellensatellitendaten vorliegen. Auf der eurasischen Seite des arktischen Ozeans fanden sind im August große Bereiche mit einer geringen Eiskonzentration von 40 % bis 70 %. In der westlichen Beaufortsee war der Eisrückgang zwischen Juli und August besonders ausgeprägt. Ein großer Teil der Beaufortsee und der Ostsibirischen See wies nur eine niedrige Eiskonzentration auf.

In der Barents- und Karasee sowie in der Laptew- und Ostsibirischen See veränderte sich die Eiskante in der ersten Hälfte des Augusts kaum. Ein leichter Rückzug war ausschließlich in der östlichen Grönlandsee zu finden. Ein Eisrückgang wurde vor allem in der Tschuktschensee, der westlichen Beaufortsee und in der Nähe der Neusibirischen Inseln verzeichnet (siehe Abbildung 6). Ende August war die nördliche Route der Nordwestpassage von einer hohen Konzentration von Eis blockiert. Grundsätzlich liegt die Meereisausdehnung in der Passage aber immer noch unter dem Durchschnitt von 1981 bis 2010. Das Rekordminimum der saisonalen Eisausdehnung auf der nördlichen Route wurde im Jahr 2011 aufgezeichnet. Jahre mit wenig Eis auf der nördlichen Route resultieren typischerweise aus einem frühen Aufbruch der winterlichen Festeisdecke, der mit überdurchschnittlich hohem Luftdruck in der Beaufortsee und im kanadischen Becken in Verbindung gebracht wird. Diese Bedingungen führen dazu, dass Eis vom westlichen Eingang der Route weggetrieben wird. Umgekehrt führt niedriger Luftdruck in der Beaufortsee (so wie in diesem Sommer) dazu, dass Eis in den westlichen Zugang hineingedrückt wird. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die nördliche Route in diesem Jahr noch öffnen wird. Die Eiskonzentration ist auf der südlichen Route (Amundsen-Passage) deutlich geringer, Eis blockiert aber nach wie vor den östlichen Teil dieser Passage. In Sommern mit wenig Eis wird dickes, mehrjähriges Eis aus dem arktischen Ozean normalerweise in die Kanäle der nördlichen und südlichen Route transportiert, wo es eine beträchtliche Gefahr für durchquerende Schiffe bedeutet (siehe auch NSIDC).

Atmosphärischen Wetterbedingungen im Sommer 2017

Im August blieben die Lufttemperaturen unter dem langjährigen Durchschnitt, sodass die Eisschmelze nur langsam voranschritt. Die Lufttemperatur war im August im Bereich des arktischen Ozeans und über Grönland und der Karasee zwischen 1° C und 3 °C  geringer als der Durchschnitt der Jahre 1981 und 2010 (siehe Abbildung 7 oben). Die niedrigste Temperatur im Vergleich zum Langzeitdurchschnitt wurde in den Küstenregionen der Kara- und Barentssee gemessen, womit sich das dominierende Muster des Sommers fortsetzte (siehe Abbildung 8). Obwohl die Lufttemperaturen im August zu sinken begannen, setzte sich die Eisschmelze im Verlauf des Monats fort. Dies geht auf die Mischungsschicht des Ozeans zurück, welche sich im Sommer erwärmte und nun weiterhin ein Abschmelzen des Eises von unten und an den Rändern verursacht.

Die Oberflächentemperaturen lagen in Küstennähe bis zu 5 °C über dem Durchschnitt, entlang des Eisrandes in der Beaufort- und der Tschuktschensee traten aber keine großen Abweichungen vom Durchschnitt auf (siehe Abbildung 7 oben). Die überdurchschnittlich kalten Bedingungen der zentralen Arktis resultierten aus anhaltenden, kalten Tiefdruckgebieten. Im August herrschte im größten Teil des arktischen Ozeans ein niedriger Luftdruck vor, der sein Zentrum in der nördlichen Beaufortsee fand (Abbildung 7 Mitte). Diese Tiefdruckgebiete erreichten weder die Größe, noch die Stärke der Zyklone von 2012 und 2016 (The Great Arctic Cyclones), obwohl der Luftdruck im Mittelpunkt eines solchen Systems am 10. August auf 974 hPa sank. Darüber hinaus befanden sich diese Tiefdruckgebiete näher am Pol im Bereich des verfestigten Packeises. An dieser Position konnten sie vermutlich nicht den starken Eisverlust verursachen, der durch die großen arktischen Tiefdruckgebiete im Jahr 2012 in der Tschuktschensee erfolgte. Eine Übersicht der Temperatur- und Luftdruckverteilung für den gesamten Sommer (Juni bis August) gibt Abbildung 8. Die beschriebenen Bedingungen halfen dabei, die Eiskante in dieser Region nordwärts zu treiben. Sommer, welche von einem niedrigen Luftdruck dominiert werden (wie es in 2017 der Fall war), zeigen normalerweise keine sehr markanten Eisverluste. Niedriger Luftdruck geht im Allgemeinen mit kühlen Verhältnissen einher; die zyklonischen Winde (gegen den Uhrzeigersinn) verteilen das Eis zusätzlich über ein größeres Gebiet. Allerdings scheint es, als könnten starke einzelne Stürme (wie zum Beispiel das Sommertiefdruckgebiet von 2012) das Eis aufbrechen und das Meereis mit warmem Ozeanwasser vermischen, was wiederum den Eisrückgang beschleunigt. Diese teils gegeneinander wirkenden Prozesse zeigen, dass die sommerliche Eisausdehnung schon von kleinen Veränderungen in der Stärke einzelner Prozesse stark beeinflusst werden kann, was die langfristige Vorhersagbarkeit erschwert.

Der Einfluss von warmem Pazifikwasser

Im Mai 2017 erreichte die Meereisausdehnung in der Tschuktschensee ein Rekordminimum seit dem Beginn der Satellitenbeobachtungen. Der frühe Eisrückgang in dieser Region könnte zum Teil auf den Einfluss von ungewöhnlich warmem Meerwasser zurückgehen. Rebecca Woodgate von der Universität von Washington (Seattle) berichtet von einer achttägigen Expedition des Forschungsschiffs Norseman II, während der in der Beringstraße und in der südlichen Tschuktschensee ozeanographische Mooring-Bojen und akustische Instrumente zur Untersuchung von Walen geborgen wurden (siehe Abbildung 9).

Die Daten der Mooring-Bojen zeigten ein um etwa einen Monat verfrühtes Aufkommen von warmem Wasser in der Beringstraße, welches dazu führte, dass die Meerestemperatur im Juni den Durchschnitt um 3 °C überstieg. Das vorzeitige Eindringen von warmem Wasser in die Beringstraße im Mai könnte die Meereisschmelze von unten begünstigt haben und damit einer der Gründe für eine frühe Entwicklung von offenem Wasser in dieser Region sein (siehe auch NSIDC). 

Fazit für den Sommer 2017

Obwohl es im Sommer 2017 keinen neuen Rekord der minimalen Meereisausdehnung gab, waren die Eisbedingungen sehr ähnlich wie in den letzten elf Jahren und bestätigen damit den langfristigen Trend abnehmender Eisbedeckung. Sie zeigen auch, dass aufgrund starker interannualer Variabilität die genaue Eisbedeckung am Ende eines Sommers schwer vorhersagbar ist. „Der relativ moderate Eisrückgang dieses Sommers ist erstaunlich angesichts der sehr geringen Eisbedeckung schon Anfang der Schmelzperiode und des recht frühen sommerlichen Schmelzbeginns.“, so Christian Haas, Leiter der Sektion Meereisphysik am AWI.

Der Verlauf der Schmelzsaison bestätigt die große Bedeutung sommerlicher Wetterverhältnisse für den Ausgang des Sommers. So führte relative kühle Witterung zu nur geringem Oberflächenschmelzen. Dadurch war die Eisdicke am Ende des Sommers noch verhältnismäßig groß. Dies wurde von Flugzeugmessungen des AWI während der TIFAX Kampagne bestätigt. Während der Kampagne wurde auch eine recht geringe Schmelztümpelbedeckung beobachtet, was die Interpretation der niedrigen Schmelzraten unterstützt. Wetterbedingungen und Meeresströmungen werden nun entscheiden, wie stark das Eis während des kommenden Winters wächst und zu welchen Ausgangsbedingungen dies zu Beginn der nächsten Schmelzsaison im Sommer 2018 führt.

Arktische Lufttemperaturen und das Ziel des Pariser Klimaabkommens

Aus vielen Quellen geht hervor, dass sich die arktische Region schneller erwärmt als der Rest der Erde. Diese Erwärmung beschleunigte sich in den letzten Jahren, besonders seit 2005. Die zehn wärmsten Jahre der Arktis seit Beginn der Aufzeichnungen liegen alle innerhalb der letzten zwölf Jahre, wobei 2016 bei weitem das wärmste Jahr seit 1900 war. Einer der Kernpunkte des Pariser Klimaabkommens zum Thema „Reduktion von Treibhausgasen“ ist das Ziel, die Erwärmung der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C zu beschränken. Als Basis dient der vorindustrielle Temperaturdurchschnitt. Während dieser Bezugspunkt für die Erwärmung nicht ganz eindeutig ist, zeigen Bezugspunkte der durchschnittlichen arktischen Temperaturen von 1951 bis 1980 oder von 1980 bis 2010, dass ein Großteil des Gebietes nördlich von 80 °N diese Grenze bereits in den letzten fünf Jahren (2012 bis 2016) überschritten hat. Da sich die Arktis wahrscheinlich über 2 °C hinaus erwärmen wird, dürften sich andere Gebiete der Erde weniger stark erwärmen, wenn der globale Schwellenwert nicht überschritten werden soll. In den Modellen erwärmen sich Landflächen grundsätzlich etwa 30 % schneller als Ozeanflächen. In einem Szenario, in dem die globale Durchschnittstemperatur um 2 °C angestiegen ist, hätte sich ein großer Teil der globalen Landflächen um mehr als 2 °C erwärmt (Abbildung 10). Die Durchschnittstemperatur des Jahres 2016 lag im arktischen Norden (über 80 °N) mehr als 3,5 °C über dem Durchschnitt der Bezugsperiode von 1951 bis 1980. 2016 war damit das bisher wärmste Jahr, aber auch die Jahresdurchschnittstemperaturen der meisten anderen Jahre der letzten Dekade lagen zwischen 2 °C und 2,5 °C über dem Wert dieser Bezugsperiode. ERA-interim Reanalyse zeigt, dass der Ort der aktuellen Erwärmung vor allem über dem arktischen Ozean liegt. Geringere Erwärmungstendenzen zeigen sich bei den zirkumarktischen Landflächen (Abbildung 10).

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