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Viereinhalb Monate unterwegs im Eis der Arktis - Ein Fahrtabschnitt mit großen Herausforderungen!

Ozean Atmosphäre Wissenschaft Arktis

Professor Torsten Kanzow, Ozeanograph vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, ist am 27. Januar von Tromsø, Norwegen, auf der Kapitan Dranitsyn als Fahrtleiter des dritten MOSAiC Fahrtabschnitts aufgebrochen.

An der MOSAiC Scholle sind er und sein Team trotz eines Sturm und der schwierigen Eisverhältnisse fast geplant angekommen. Die MOSAiC Scholle wurde dann am 16. Mai verlassen und die Eisgrenze am Dienstag, 2. Juni passiert. Nun ist Torsten Kanzow auf dem Forschungsschiff Maria S. Merian auf dem Rückweg von Spitzbergen wieder in Bremerhaven angekommen.

meereisportal.de:  Herr Kanzow: Was hat Sie bei Ankunft auf der MOSAiC Scholle im Februar erwartet?

Torsten Kanzow: Bei Ankunft an der FS Polarstern Ende Februar herrschte noch die Polarnacht. Beim Austausch gab es die kältesten Bedingungen während der gesamten Expedition mit gefühlten Temperaturen von bis zu -60°C, wenn man den Windchill Faktor mitberücksichtigt: eine echte Erschwernis. Zum einen stellte dies eine wirkliche logistische Herausforderung beim Frachtumschlag zwischen den beiden Schiffen dar und zum anderen ein großes Problem auch hinsichtlich der durchzuführenden wissenschaftlichen Arbeiten.

Nach circa zehn Tagen veränderte sich die Arbeit vor Ort dadurch, dass Dynamik ins Eis kam. Der Grund hierfür lag darin, dass sich die FS Polarstern in einer großen Scherungszone zwischen Eisschollensystemen befand. Wir wurden die Dynamik im weiteren Verlauf der Expedition nicht mehr los, was dazu führte, dass das Schiff ständig durch den herrschenden Eisdruck versetzt wurde. Es bildeten sich Presseisrücken und Rinnen, sodass der Zugang und die Bewegung auf der Eisscholle erschwert wurden. So war es z. B. schwierig, die Energieversorgung der Messsysteme auf dem Eis aufrecht zu erhalten, die Stromversorgung musste teilweise durch Generatorbetrieb ersetzt werden.

meereisportal.de: Was waren die großen positiven Erfahrungen für Sie?

Das war der Teamgeist der Wissenschaft, Technik, Logistik und Besatzung der Polarstern und der hohe Arbeitseinsatz für diese ganzen Logistikarbeiten, um die Messsysteme am Laufen zu halten und damit keine Daten zu verlieren. Wir wurden dann Mitten in diesen Herausforderungen von der Corona-Welle überrascht. So konnte die ursprünglich geplante wissenschaftliche Flugzeugmesskampagne nicht durchgeführt werden und die Abholung und der Austausch des Teams per Flugzeuge für Mitte April nicht mehr realisierbar. Es folgte ein Monat der Unsicherheit an Bord. Dem AWI gelang es aber trotzdem, Expeditionsteilnehmende, denen es nicht gut ging, auszufliegen. Dies konnte durchgeführt werden obwohl die gebaute Landebahn halb zerbrochen war. Gleichzeitig entfachte sich ein enormer Mannschaftsgeist, alle kamen gut ins Arbeiten, Messungen wurden aufrechterhalten und ich bin stolz darauf, dass wir die Gesamtheit der Messungen, also die in Atmosphäre, Eis, Schnee und Ozean weiterführen konnten, und zwar sowohl die Zeitserien wie auch die flächigen Messungen auf und unter dem Eis und auch die Beobachtungen vom Hubschrauber aus.

meereisportal.de: Was bedeutet diese Dynamik des Eises aus wissenschaftlicher Perspektive?

Ja, durch die Eisdynamik hatten wir immer wieder Einschränkungen und interne Diskussionen darüber, wie wir damit umgehen sollen. Die Eisdynamik stellt dann ein logistisches Problem dar, aber sie ist auch ein hervorragender Forschungsgegenstand - Presseisrücken, ihre Auswirkungen auf den Energietransfer, die Rinnenbildung und die biologische Aktivität, die sich darin offenbarte - all diese Dinge, die sich im Winter in Ozean vollziehen, konnten erforscht und gemessen werden. Ein wahrer Schatz an Daten.

meereisportal.de: Hatte die Verlängerung der Expedition auch positive Seiten?

Durch verlängerte Expeditionszeit wurde der Übergang zur Schmelzsaison noch miterlebt. Interessant war hier, dass dieser Übergang nicht graduell passiert, sondern in Phasen. So hatten wir bereits im April Warmlufteinschübe, die das Schmelzen vorbereitet haben. Dann Mitte Mai gab es einen großen Sturm, der die arktischen Kaltluftmassen durchmischte und den Übergang zum Sommer markierte.

meereisportal.de: Und dann Abschied von der Scholle ...

Ja, Ende April wurde dann der Abschied von der Scholle vorbereitet und der Austausch der Besatzung und Wissenschaft sollte vor Spitzbergen geschehen. Wir haben einen Plan gemacht, wie die Messinstrumente so zurückgebaut werden können, dass kritische Instrumente an Bord gebracht, andere Messungen aber weiterlaufen können. Hier war von Vorteil, dass wir bereits im Vorfeld des großen Sturms im Mai vieles an Bord gebracht hatten. Nach diesem Sturm brach die MOSAiC-Scholle in einem Maß auseinander, welches wir zuvor noch nicht gesehen hatten. Wir haben dann unseren Aufenthalt an der Scholle deshalb noch einmal verlängert, um weitere Messsysteme abzubergen. Dadurch, dass schon vorher vieles abgebaut werden konnte, waren wir glücklicherweise in der Lage, das Meiste retten und es dem neuen Team auf dem Fahrtabschnitt 4 übergeben zu können. So kann es mit den Messungen vor Ort weitergehen. Es konnte natürlich nicht alles gerettet werden: es gab auch Instrumente und Installationen, die vom Eis zerdrückt wurden oder nicht mehr auffindbar waren. Am 16. Mai verließen wir die Scholle und von hier aus waren es dann 160 Seemeilen bis zur Eiskante. Die Fahrt verlief anfangs wirklich sehr schleppend – in der ersten Woche haben wir gerade mal fünf Meilen am Tag gutgemacht. Alle an Bord waren aber sehr flexibel und haben diesen Teil der Fahrt bis zum Treffpunkt in Spitzbergen mit ihrer Expertise unterstützt: die Helikoptercrew an Bord, die Eiserkundungen geflogen ist, die Meteorologen, die gefühlt immer im Dienst waren, um die Vorhersagen für die Flüge zu machen und die Meereisphysiker, die weiter ihre Eisbeobachtungen gemacht haben.

meereisportal.de: Was haben Sie während der langen Expedition am meisten vermisst und was werden Sie als Erstes tun, wenn Sie wieder zu Hause sind?

Während der Reise habe ich zu allererst meine Familie vermisst, meine Frau und unsere beiden Kinder. Ich freue mich einfach riesig, sie wiederzusehen, und dann wird uns schon gemeinsam etwas einfallen.

meereisportal.de: Vielen Dank für die ersten Einblicke in diesen spannenden Fahrtabschnitt und eine gute Erholung und Einleben nach dieser langen Zeit!

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