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Arktisches Meereisminimum im Sommer durchschritten

Meereisausdehnung Meereisminimum Arktis

Zum Ende des Sommers findet sich in diesem Jahr mehr Schneeauflage als Schmelztümpel auf dem arktischen Meereis und das Eis ist dicker als in den vorherigen Jahren. Dennoch ist der Trend im Eisrückgang im Sommer weiter ungebrochen.

Das Minimum des arktischen Meereises wurde in diesem Jahr sehr wahrscheinlich am 15. September mit 4,33 Millonen km² erreicht (Abbildung 1) und nimmt damit Platz 7 in der Folge der Minima seit 1979 ein. Das Meereis liegt bereits das ganze Jahr am unteren Rand der Spannbreite der im Zeitraum 1981 – 2010 aufgetretenen Minima- / Maximawerte und ist im September noch einmal deutlich zurückgegangen. Der Monatsmittelwert für September bis zum 18. September von 4,47 Millionen km² ist dabei ähnlich, wie in den Jahren 2016 (4,51 Mio. km²) und 2007 (4,46 Mio. km²), die die Plätze 5 und 4 der Monatsmittel seit 1979 annehmen.  

In Tabelle 1 sind die Eisausdehnungen und Monatsmittel seit dem Jahr 2005 und ihre jeweilige Reihenfolge gelistet. Abbildung 3 zeigt die Monatsmittel der Jahre 1979 -2022 sowie die Positionierung für dieses Jahr bis zum 18. September. Wenn das arktische Meereis im September sein jährliches Minimum erreichte, sind große Teile der Nordost- und Nordwestpassage eisfrei. Nur der zentrale Arktische Ozean und die Gebiete nördlich von Grönland und von Teilen Kanadas wiesen eine geschlossene Eisdecke auf. Bemerkenswert ist, dass der Eisrückgang in der östlichen Arktis in diesem Jahr relativ langsam verlief. Dies ist auf den Einfluss von Tiefdrucksystemen zurückzuführen, die während des Sommers den russischen Teil der Arktis beherrschten. „Dadurch kam es zu einer eher ungewöhnlichen Eisdrift, bei der die Eismassen aus der zentralen Arktis in die Laptewsee gedriftet sind“, sagt Prof. Christian Haas, Leiter der Sektion Meereis am AWI. Der stetige Eisnachschub aus dem Norden führte dann dazu, dass Teile der russischen Randmeere aktuell in diesem September eine relativ hohe Eisbedeckung aufweisen. Dr. Thomas Krumpen, Meereisphysiker am AWI ergänzt: „Dies spiegelt sich auch in der Eisdicke wider. Messungen in der Arktis mit dem EM-Bird vom Forschungsflugzeug und von unserem Forschungseisbrecher Polarstern aus zeigen in den beflogenen Gebieten nördlich von Grönland und in der östlichen Arktis höhere Eisdicken als in den letzten 15 Jahren üblich. Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Schmelzraten im Sommer geringer ausgefallen sind. Darüber hinaus zeigen Lasermessungen in der östlichen Arktis weniger deformiertes Eis als üblich. Dies könnte u.a. auf geringere Deformationsprozesse bei der Eisbildung zurückzuführen sein.“  Im September hat sich insbesondere in der Ostarktis zwischen 150° Ost und 90 ° Ost eine Zone mit Meereiskonzentrationen kleiner 50 % entwickelt, die zu einem deutlichen Eisrückgang beigetragen hat (siehe Abbildung 2).

 

Erste Ergebnisse der aktuellen Expedition FS Polarstern in der Arktis

Forschende an Bord des Forschungseisbrechers Polarster, sind in diesem Sommer in der östlichen Arktis mit der Expedition PS138 Arctwatch-1 unterwegs, um eine erneute Zustandserfassung und vergleichende Untersuchungen im Arktischen Ozeans über den Zeitraum einer Dekade durchzuführen. Es werden die gleichen Regionen wie in 2012 wiederbesucht, um mittels interdisziplinärer Prozessstudien die Wechselwirkungen zwischen Eisphysik, Hydrographie, Biogeochemie und Biodiversität des arktischen Systems vom Meereis bis zum Meeresboden zu untersuchen. Ihre Beobachtungen vor Ort ergänzen die Einordnung der sommerlichen Bedingungen in der Arktis in diesem Jahr:

Schnee und Oberflächenschmelzen:

Messungen vor Ort zeigen, dass sich in diesem Jahr ungewöhnlich wenig Schmelztümpel auf dem Meereis gebildet haben, dafür aber sehr viel Schnee gefallen zu sein scheint. Normalerweise gibt es zu dieser Jahreszeit wenig Schnee auf dem Meereis, der sich bis auf wenige Ansammlungen in Schneewehen hinter Presseisrücken bildet, und die Schmelztümpel bedecken bis zu 50 % der Eisoberfläche. „Wir vermuten, dass es früh im Sommer im Juni und Juli wahrscheinlich eine Oberflächenschmelze gab, die dann aber recht schnell beendet war und so diese Situation erklären könnte. Danach ist die Oberfläche wieder gefroren und zugeschneit. Das finde ich sehr bemerkenswert und zeichnet dieses Jahr besonders aus“, so Dr. Marcel Nicolaus, Meereisphysiker am AWI und aktuell an Bord von FS Polarstern. Um diese Beobachtungen genau einordnen zu können, müssen nun jedoch die meteorologischen Bedingungen der letzten Monate im Detail analysiert werden.

Eisstruktur und Schmelzen an der Unterseite:

Die Forscher:innen fanden zudem viel mehr mehrjähriges Meereis vor als erwartet. Dies hängt damit zusammen, dass das Meereis (etwas untypisch) zum großen Teil von weiter nord-westlich kommt und weniger von den russischen Schelfmeeren. Das führt dazu, dass das Meereis bereits eine Saison an Eisschmelze im letzten Sommer erlebt hat. Entsprechend sind die gebohrten Eiskerne auf der Expedition in den oberen circa Zweidritteln stark geschmolzen, dann wieder gefroren und haben dann noch einmal angefangen erneut zu schmelzen. Das beeinflusst die Struktur des Meereises erheblich. Im unteren Drittel finden wir den Teil des Eises, der sich im letzten Winter gebildet hat und jetzt noch übrig ist, nachdem die Schmelze an der Unterseite stattgefunden hat. Das Ausmaß dieser Schmelze an der Unterseite war auf den einzelnen bisher acht Stationen der Expedition sehr unterschiedlich. „Insgesamt kann man aber sagen, dass der Großteil des Masseverlustes, also die Abnahme der Meereisdicke, über die Unterseite des Meereises gekommen ist, nicht von der Oberfläche. Die Unterseite war in den Eisbohrkernen sehr stark geschmolzen was wir ebenfalls sehr gut in all den von uns gemachten Videos mit dem Unterwasser-Tauchroboter (Remote Operated Vehicle, ROV) sehen: Die Unterseite des Eises ist sehr „glatt" geschmolzen.“, ergänzt Marcel Nicolaus von der Expedition.

Süßwasser:

Weiterhin wurden in diesem Jahr während der Expedition wesentlich weniger Schmelz-(=Süß) Wasser gefunden als aus anderen Jahren bekannt. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Oberflächenschmelze nicht so stark wie gewöhnlich stattgefunden hat. Hier sind die Ursachen vermutlich unterschiedlich, die jedoch alle zusammenspielen. Ein Aspekt ist das gerade beschriebene geringere Oberflächenschmelzen, aber es hängt vermutlich auch mit der Drift und der Herkunft des Eises und damit auch der oberen Wassermassen zusammen, die weniger Süßwasser von den sibirischen Schelfen mitgebracht haben als sonst.

Zusammenfassend zeigt dieser Sommer in der Arktis eine deutlich von den Vorjahren abweichende Situation, was aber den generellen Trend einer fortschreitenden Eisabnahme im Sommer nicht unterbricht. Hier steht eine detaillierte Analyse der Ergebnisse im Kontext der in diesem Jahr extremen Wetterbedingungen auf der Nordhalbkugel an, um den Zusammenhang und zukünftige Entwicklungen besser beurteilen zu können.

Kontakt

Prof. Dr. Christian Haas (AWI)

Dr. Marcel Nicolaus (AWI)

Dr. Thomas Krumpen (AWI)

Dr. Klaus Grosfeld (AWI)

Dr. Renate Treffeisen (AWI)

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Differenz der mittleren Eiskantenposition im Monat September (1.-15.09)) im Vergleich zum Jahr 2022.