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Meereisentwicklung in der Antarktis weiter auf Rekordtief

Meereisminimum Antarktis Arktis

Nach Rekordminimum im Februar und dem monatlichen Tiefstwert im Mai zeichnet sich auch der Monat Juni durch eine bisher nie dagewesene geringe Eisbedeckung in der Antarktis aus.

Die Meereisentwicklung in der Antarktis entwickelt sich in diesem Jahr außergewöhnlich schleppend und hat nach dem Vormonat Mai auch im Juni ein weiteres Rekordminimum in der monatlichen Eisausdehnung erreicht. Mit 11,23 Millionen km² Meereisausdehnung liegt das Monatsmittel Juni um ca. 1,1 Millionen km² unterhalb des bisherigen Niedrigwerts aus dem Jahr 2022 und ist einzigartig in der Größe der Unterschreitung des Langzeittrends seit dem Beginn der kontinuierlichen Satellitenbeobachtungen im Jahr 1979 (Abbildung 1). Um mehr als 2,1 Millionen km² unterschreitet die mittlere Eisausdehnung den Langzeitmittelwert der Jahre 1979 – 2022 von ca. 13,4 Millionen km², was einer reduzierten Eisfläche der Größe Grönlands oder in etwa der sechsfachen Fläche Deutschlands entspricht. Bis Ende Juni waren lediglich 12,41 Millionen km² des südlichen Ozeans mit Meereis bedeckt (Abbildung 2).

Mit Beginn der Gefriersaison in der Antarktis hat sich das Meereis nur zögerlich entwickelt (Abbildung 3). Es verlief ähnlich zum bisherigen Rekordminimumjahr 2022 mit einer niedrigen Eisbedeckung in den ersten Herbstmonaten (März und April auf der Südhalbkugel). Bereits seit Mitte April wurde jedoch deutlich, dass sich die Meereisneubildung geringer als in den Vorjahren entwickelte und sukzessiv unterhalb der Eisausdehnungskurve des Vorjahres blieb. Im Mai hatte sich bereits ein neuer monatlicher Tiefstwert ausgebildet, der sich nun im Monat Juni noch einmal deutlicher von den bisherigen Verläufen absetzte und verstärkt hat.

Gegenüber dem langjährigen Mittelwert der Jahre 2003 – 2014 (Abbildung 4) ist insbesondere im Weddellmeer, in der D’Urville See sowie der Bellingshausensee deutlich weniger Meereis vorhanden, während im westlichen Rossmeer und der Amundsensee eine leichte Zunahme der Eisbedeckung zu verzeichnen ist. Die Verteilung der Lufttemperatur über der Antarktis vervollständigt das Bild. Über der gesamten Antarktis mit Ausnahme des Amundsensee-Rossmeer-Sektors liegen die Lufttemperaturen zwischen 2° und 3° Celsius oberhalb des langjährigen Mittelwertes der Jahre 1971 – 2000, im Bereich der Bellingshausensee und des südlichen Weddellmeers sogar bis über 6° C oberhalb des Langzeitwertes (Abbildung 5). Das beeinflusst die Neueisbildung, jedoch sind die Ursachen dieser für die Antarktis wirklich außergewöhnlichen Entwicklung bisher noch nicht eindeutig zuzuordnen.

Auch auf dem internationalen Meereissymposium „Sea Ice Across Temporal and Spatial Scales” von der Internationalen Glaziologischen Gesellschaft (IGS), das vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, sowie der Universität Bremen ausgerichtet wurde, hat diese offene Forschungsfrage eine Vielzahl von Beiträgen und Diskussionen dominiert. „Bisher lag der Fokus in der antarktischen Meereisforschung insbesondere auf der Beschreibung des Ist-Zustandes, da wir viele Prozesse und Zusammenhänge im komplexen Meereisgefüge des Südozeans noch nicht ausreichend verstehen. Die aktuellen Entwicklungen des antarktischen Meereises, sowohl in den Sommer- als auch in den Wintermonaten, verschieben den Fokus der Diskussionen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft nun jedoch viel stärker auf die zeitliche Entwicklung und die starke Veränderung“, so der Eindruck der Meereisphysikerin Dr. Stefanie Arndt. „Von einem signifikanten negativen Trend in der antarktischen Meereisausdehnung zu sprechen, wie es in der Arktis der Fall ist, dafür ist es dennoch zu früh“, betont die Wissenschaftlerin.

Während wir in der Arktis eine klare Zuordnung des Meereisrückgangs mit der globalen Erwärmung und der in der Arktis beobachteten polaren Verstärkung bilden können, ist der globale Erwärmungstrend in der Antarktis bisher noch nicht eindeutig zu verzeichnen gewesen. Lediglich im Bereich der Antarktischen Halbinsel hat sich in den letzten 50 Jahren ein deutlicher Erwärmungstrend von 0,5 °C pro Dekade eingestellt, der Antarktische Kontinent ist jedoch durch seinen Eisschild und den dadurch hervorgerufenen Polarwirbel durch einen starken Westwindgürtel (polarer Jetstream) vom Zustrom warmer Luftmassen aus mittleren Breiten abgeschirmt. „Wenn wir uns die Entwicklung des antarktischen Meereises der vergangenen Dekaden ansehen, beobachten wir immer wieder eine sehr starke Variabilität zwischen den Jahren. Es bleibt nun abzuwarten, wie sich diese starke negative Entwicklung im eisbedeckten Südozean in den kommenden Jahren entwickeln wird“.

Genau dieser Fragestellung will die Jungwissenschaftlerin auch mit ihrer neuen Nachwuchsgruppe, die sie im Rahmen des Emmy Noether Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingeworben hat, nachgehen. Unter dem Akronym SNOWflAke ('Learning from local snow properties for large-scale Antarctic ice pack volume') hat Dr. Stefanie Arndt Anfang Juli ihre Nachwuchsgruppe hier am Alfred-Wegener-Institut begonnen und wird diese in Zukunft als Brückengruppe zwischen Bremerhaven und der Universität Hamburg aufbauen.

Bis zum Wintermaximum im September verbleiben nun noch drei Monate, in denen der polare Winter und das Eiswachstum die Situation verändern können. Hier spielen auch die Veränderung der atmosphärischen Randbedingungen eine wichtige Rolle, da ablandige Winde das Meereis auseinandertreiben und damit zusätzlich auf den offenen Ozean verdriften können. Eines ist aus der Entwicklung jedoch auch jetzt schon abzulesen. Die globale Erwärmung und damit die Auswirkungen auf das gesamte Klimasystem der Erde werden zunehmend auch in der bisher vom globalen Austausch weitestgehend unbeeinflussten Antarktis spürbar werden.

Eisentwicklung in der Arktis auf durchschnittlichem Niveau

Während es in der Antarktis gerade sehr spannend ist, wie sich die Eisneubildung entwickelt, ist in der Arktis die Schmelzsaison in vollem Gange. Der Eisrückgang in der Arktis entwickelt sich zur Zeit jedoch unterdurchschnittlich und die verbliebene Meereisfläche zu dieser Jahreszeit weist eine Fläche von 10,79 Millionen km² im Monatsmittel auf, dem bisher dreizehnt-niedrigsten Wert seit Beginn der kontinuierlichen Satellitenbeobachtungen (Abbildung 6). Die monatliche Eisausdehnung liegt oberhalb des langjährigen Trends und das Meereis schmilzt durchschnittlich auf einer Fläche von 79.000 km² pro Tag. Der Verlauf der täglichen Meereisausdehnung entspricht derzeit dem Vorjahresverlauf (Abbildung 7). Wir beobachten offene Wasserflächen in der gesamten Barentssee und der westlichen Karasee. In der Laptewsee und der ostsibirischen See hat sich eine erste, große eisfreie Fläche ausgebildet (Abbildung 8). Mit Sommeranfang am 21. Juni 2023 ist die Sonne bis in die zentrale Arktis zurückgekehrt und kann dort nun die Eisschmelze verstärken. Auch hier ist es noch zu früh, eine Prognose für den sommerlichen Eisrückgang in diesem Jahr zu wagen.

Kontakt

Dr. Stefanie Arndt (AWI)

Dr. Klaus Grosfeld (AWI)

Dr. Renate Treffeisen (AWI)

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Differenz der mittleren Eiskantenposition in der Antarktis im Juni 2023 im Vergleich zum langjährigen Mittel der Jahre 2003 - 2014.