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Meereisökosysteme im Klimawandel

Das Meereis in der Arktis und Teilen der Antarktis schwindet zusehends. Dieser Schwund ist vor allem in der Arktis ausgeprägt. Der Rückgang der arktischen Meereisausdehnung erstreckt sich inzwischen beinahe über alle Jahreszeiten und gipfelt im Sommer. Zudem hat sich das arktische Meereis in den letzten vier Jahrzehnten als Reaktion auf die Erwärmung verdünnt. Älteres Eis, das mehrere Sommer überstanden hat, schrumpft schnell und wird durch einjähriges Eis ersetzt, das jedes Jahr im Frühling und Sommer vollständig verschwindet. Ferner beginnt das Wiedergefrieren später im Jahr. Insgesamt ergibt sich so eine längere eisfreie Periode. Die Schneedecke wird dünner und Experten erwarten, dass Regen anstelle von Schnee bis zum Ende dieses Jahrhunderts die dominierende Form des Niederschlags in der Arktis sein könnte. Das Eis wird dadurch dunkler, das Rückstreuvermögen kurzwelliger Strahlung von der Sonne (die sogenannte Albedo) verringert sich, wodurch das Eis mehr Wärme aufnimmt und noch stärker abschmilzt. Alles in allem wird das Meereis in der Arktis künftig also dünner, jünger und kurzlebiger als zuvor. Auch in der Antarktis verzeichnen Forscher in einigen Regionen seit vielen Jahrzehnten einen Verlust an Meereis – insbesondere in der Westantarktis im Bereich der Antarktischen Halbinsel (IPCC, 2019).

Mit dem Verlust des Meereises wird in beiden Polarregionen der Lebensraum für alle jene Pflanzen und Tiere knapp, die das Eis als Nahrungsquelle, Ruheraum oder Kinderstube benötigen. In der Arktis zieht sich das Eis zwischen Frühjahr und Herbst immer weiter nach Norden zurück. Zugleich steigen die Wassertemperaturen. Für Organismen, die an die Kälte angepasst sind oder direkt am Meereis leben, wird der Lebensraum daher immer kleiner. Künftig werden sie sich in die letzten verbliebenen Eiszonen zurückziehen müssen. Tiere wiederum, die vorwiegend an der Eiskante nach Nahrung jagen, wie etwa Wale oder Seevögel, müssen immer längere Wanderungen nach Norden unternehmen, um dem Eis zu folgen. Zugleich wandern Tierarten aus südlicheren Breiten in die frei werdenden und wärmeren polaren Gewässer ein. Insofern wird befürchtet, dass künftig die Bestände vieler spezialisierter polarer Pflanzen- und Tierarten schrumpfen, während Arten aus dem Atlantik und Pazifik vordringen (WOR, 2019). Experten sprechen von einer „Atlantifizierung“ und „Pazifizierung“ der Arktis. Diese Einwanderer konkurrieren möglicherweise mit den angestammten Arten um Nahrung. Auch weiß man inzwischen, dass Mikroalgen aus dem atlantischen Bereich weit weniger energiereich als die Eisalgen sind. Für Tiere, die von den Eisalgen leben, wie etwa Kleinkrebse und die von ihnen lebenden Fische, ist der Rückgang des Meereises und der Verlust an Eisalgen damit Existenz gefährdend. Im Winter 2017/2018 beispielsweise war die Eisfläche vor der Küste Alaskas nur mehr etwa halb so groß wie im Jahr 1978, als die Satellitenmessungen der Eisbedeckung begannen. Aufgrund der geringen Eisfläche fiel die Eisalgenblüte im Frühjahr 2018 sehr klein aus. In der Folge stand den Kleinkrebsen und anderen Zooplankton-Organismen wenig Nahrung zur Verfügung. Da sich die wichtigen arktischen Fischarten wie Lodde und Polardorsch von Zooplankton ernähren, schrumpften schließlich auch deren Bestände. Im anschließenden Sommer beobachtete man in Alaska ein ungewöhnliches Seevogelsterben, welches man auf den Mangel an Fisch zurückführte. Dieses Beispiel macht deutlich, wie umfassend der Rückgang des Meereises auf die polaren Nahrungsnetze wirkt (WOR, 2019).

Noch haben Forscher die Nährstoffkreisläufe und die Dynamik der Eisalgenpopulationen nicht restlos verstanden, weil viele Faktoren eine Rolle spielen – die Wassertemperatur, Meeresströmungen, die Temperatur, der Salzgehalt des Wassers oder die Verfügbarkeit von Nährstoffen. Intensiv untersucht wird beispielsweise, wie sich die Situation durch ausdünnendes Meereis und größere, offene Wasserflächen verändert. Sicher ist aber, dass ein Totalverlust des Meereises im Sommer massive Folgen haben wird.

Während der Meereisrückgang in der Arktis stetig fortschreitet, ist die Situation in der Antarktis nicht so eindeutig. Während seit Jahrzehnten das Meereis in Teilen der Westantarktis weniger wird, schien die Eisfläche in der östlichen Antarktis lange Zeit zu wachsen. Seit wenigen Jahren aber scheint nun auch hier die Eisausdehnung geringer zu werden. In der Antarktis haben Experten dabei vor allem die Beziehung zwischen den Eisalgen, dem Krill und jenen Tieren im Blick, die sich vom Krill ernähren – den Pinguinen, vielen Robben- und Walarten. Sollten die Bestände des Krills im Zuge des Klimawandels abnehmen, dann könnten sämtliche Räuber davon betroffen sein. Für die Westantarktis gibt es bereits Hinweise auf sinkende Krillbestände. Wie ernst die Situation dort tatsächlich ist, ist Gegenstand der aktuellen Forschung.