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Meereisausdehnung in der Antarktis auf saisonalem Tiefstwert

Meereisminimum Antarktis

Die Gefriersaison in der Antarktis entwickelt sich nur zögerlich und zeigt eine zu dieser Jahreszeit nie dagewesene geringe Eisausdehnung.

Nach dem absoluten Rekordminimum der antarktischen Eisausdehnung im Februar 2023 hat sich das Meereis auch in den Folgemonaten nur langsam gebildet. Insbesondere in der Bellingshausensee hat sich, für diese Jahreszeit untypisch, nahezu kaum Meereis gebildet, wodurch keine zusammenhängende Eisdecke entstehen konnte – das Packeis (Abbildung 1). Die Eisaudehnung in der Antarktis betrug am 31. Mai 2023 erst 9,99 Millionen km² (Abbildung 2) und war damit um ca. 136.000 km² bzw. 590.000 km² niedriger als die bisher niedrigsten Eisausdehnungen an diesem Tag in den Jahren 1986 bzw. 2019. Seit Mitte April verläuft die Eisausdehnung unterhalb dieser bisherigen Vergleichsjahre. In den Monaten März und April hatte die Eisausdehnung in der Antarktis den niedrigen Stand der Vormonate fortgesetzt und mit 3,12 Millionen km² im März und 5,69 Millionen km² im April im Monatsmittel (Abbildung 3) jeweils die drittniedrigste Eisausdehnung erreicht. Im Mai betrug die Eisausdehnung im Monatsmittel lediglich 8,56 Millionen km², eine Fläche von 306.000 km² unterhalb des bisherigen Tiefstwertes aus dem Jahr 1980 (Abbildung 4). Dies entspricht in etwa einer Fläche der Größe Polens (312.685 km²), die eisfrei ist.

Die Regionen, in denen sich deutlich weniger Eis als im Vorjahr bzw. zum Langzeitmittel der vergangenen Jahre entwickelt hat, konzentrieren sich auf die Bellingshausensee und das Weddell Meer, erstrecken sich jedoch auch über weite Bereiche der ostantarktischen Küste. Ein größerer Packeisgürtel gegenüber dem vergangenen Jahr hat sich lediglich im westlichen Rossmeer ausgebildet (Abbildung 5). Ursache dieser außergewöhnlichen Entwicklung steht vermutlich im Zusammenhang mit einer ausgeprägten Tiefdruckzelle (Abbildung 6 und 7), die sich westliche der Antarktischen Halbinsel in der Amundsen- und Bellingshausensee etabliert hat und mit ihrem zyklonalen Drehsinn (auf der Südhalbkugel im Uhrzeigersinn) Luftmassen und damit frei treibendes Meereis von der Antarktischen Halbinsel weg auf den offen Ozean treibt. Gleichzeitig werden wärme Luftmassen aus dem Norden bzw. Nordosten herantransportiert, die die Eisbildung in dieser Region verlangsamen. Über dem antarktischen Inlandeis herrschen derzeit Temperaturen, die mehr als 6° C oberhalb des langjährigen Mittelwertes der Jahre 1971 - 2000 liegen. In einer Studie im Frühjahr dieses Jahres haben Wang et al. (2023) den Einfluss eines verstärkten Tiefdruckgebietes über der Amundsensee auf das bis dahin kleinste Meereisminimum im Frühjahr 2022 in der Antarktis untersucht und einen deutlichen Zusammenhang der Prozesse feststellen können. Eine ähnliche Konstellation hat sich im Frühjahr dieses Jahres erneut eingestellt und zu einem noch dramatischeren Eisrückgang geführt. Der Monat Mai hat daher einen neuen Tiefstwert der Eisausdehnung für diese Jahreszeit erreicht. Die weitere Entwicklung für das antarktische Meereis im Laufe des antarktischen Winters ist derzeit jedoch noch nicht klar abzuschätzen.

Vom 4. – 9. Juni 2023 wird in Bremerhaven das internationale Meereissymposium „Sea Ice Across Temporal and Spatial Scales” von der Internationalen Glaziologischen Gesellschaft (IGS), dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, sowie der Universität Bremen ausgerichtet. Dieses Symposium ist die größte Fachtagung dieser Art zu diesem Thema, die alle fünf Jahre in verschiedenen Ländern stattfindet. In den sechs Tagen werden 280 Meereiswissenschaftler:innen aus 20 Ländern zusammenkommen, um über den Stand der Wissenschaften in der Meereisforschung und über die Ergebnisse der MOSAiC-Expedition zu diskutieren und sich auch über die sich deutlich verändernden Meereisbedingungen in der Antarktis auszutauschen. Dr. Marcel Nicolaus, Meereisphysiker am AWI und Mitorganisator des Symposiums beschreibt seine Vorfreude so: „Ich freue mich sehr, dass unsere Konferenz so viele Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt zu uns nach Bremerhaven holt. Es ist ein großes ‘Klassentreffen’ mit vielen Freunden. Wir werden die neuesten Ergebnisse verschiedenster Projekte sehen und diskutieren. Ein Schwerpunkt wird es sein, die verschiedenen Beobachtungen und Modellergebnisse aus der Arktis zu betrachten und zu diskutieren, was wir dort in den kommenden Jahren zu erwarten haben. Aber auch die dramatischen Entwicklungen des Meereises in der Antarktis werden im Fokus der Konferenz stehen. Wir werden die Frage diskutieren, ob und in welchem Ausmaß der Klimawandel nach vielen Jahren der Unberührtheit auch in der Antarktis angekommen ist.“

Referenzen

Wang, S., et al 2023: Contribution of the deepened Amundsen sea low to the record low Antarctic sea ice extent in February 2022,  Environ. Res. Lett. 18 054002 DOI 10.1088/1748-9326/acc9d6, iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/acc9d6

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