- Arktis: Ausgeprägte Hoch‑ und Tiefdrucksysteme verstärkten den Beaufortwirbel und beschleunigten den Meereis-Export in die Framstraße. In der Laptewsee führte ihr Zusammenspiel zu einem frühen Aufbruch der Eisdecke.
- AWI-Flugzeug-Messungen: Infolge des warmen Winters in der kanadischen Arktis ist das neu gebildete Festeis auf den inneren Gewässern des kanadischen Archipels bis zu 30 Zentimeter dünner als in vorhergehenden Jahren.
- In der Antarktis blieb die Meereisausdehnung im April zum vierten Mal in Folge deutlich unter dem Langzeittrend.
Arktis: Meereisdrift und Ausdehnung unter dem Einfluss ausgeprägter Hoch- und Tiefdrucksysteme
Im zurückliegenden Monat April dominierte ein ausgeprägtes Hochdruckzentrum das Wettergeschehen in der zentralen Arktis, während über der Kara‑ und Barentssee ein beständiges Tiefdruckgebiet lag (Abbildung 1). Das Zusammenspiel dieser beiden Drucksysteme beeinflusste vermutlich maßgeblich die Bewegung und Ausdehnung des Meereises in der Arktis.
Das Hochdruckgebiet kann den Beaufortwirbel verstärkt haben, der das Packeis im Uhrzeigersinn um das Hoch herumführte. Zugleich können Winde, die im Zusammenhang mit der Tiefdruckzone über der Kara‑ und Barentssee entstanden sind, den Eistransport in Richtung Framstraße beschleunigt haben, sodass der Eisexport dort deutlich über dem Durchschnitt lag (Abbildung 2).
Die Druckkonstellation erzeugte in der Laptewsee eine ausgeprägte ablandige Eisdrift. Das heißt, ablandige Winde schoben das Packeis von der Küste weg. Gleichzeitig strömten warme Luftmassen aus Ostsibirien nach (Abbildung 3), sodass bereits früh im Jahr ausgedehnte offene Wasserflächen in der Laptewsee entstanden (Polynien, Abbildung 4).
Abbildung 1: Darstellung der gemittelten Luftdruckanomalien in der Arktis im April 2025, gemessen auf Meeresspiegelniveau. Die orangefarbene Fläche in der Bildmitte zeigt die positive Druckanomalie und die blau-grüne Fläche in der rechten Bildhälfte die negative Druckanomalie über der Barents-, Kara- und Laptewsee, im Zuge deren starke ablandige Winde entstanden. Zusätzlich zu den Druckanomalien sind auch Windvektoren zu sehen, die die Windrichtung und -geschwindigkeit anzeigen. Die Pfeile auf der Karte zeigen die Windrichtung an, und ihre Länge ist proportional zur Windgeschwindigkeit.
Abbildung 2: Darstellung der Geschwindigkeitsabweichungen (Farbkodierung: rot = Zunahme, blau = Abnahme) sowie der mittleren Meereisdrift (Mittelwert der Driftgeschwindigkeit: Vektorpfeile) auf dem Arktischen Ozean für den April 2025 im Vergleich zum April-Langzeitmittel 2010 bis 2025. Deutlich zu erkennen sind der Beaufortwirbel sowie der ausgeprägte Transport von Meereis nördlich der russischen Randmeere in Richtung Framstraße. Quelle: Thomas Krumpen/Alfred-Wegener-Institut
Entstehen solche offenen Wasserflächen früh im Jahr, können sie die sommerliche Meereisschmelze in der Laptewsee beschleunigen. “Die Abfolge der Prozesse ist dann vergleichsweise einfach: Das Oberflächenwasser in den eisfreien Regionen erwärmt sich im Frühling schneller als in eisbedeckten Gebieten. Treiben Winde das junge, dünne Meereis der Laptewsee dann zurück in die Regionen mit dem warmen Oberflächenwasser, schmilzt das Packeis viel schneller, als wären diese Gebiete bis weit in den Frühling hinein von Eis bedeckt gewesen”, erklärt AWI-Meereisforscher Thomas Krumpen. Er und eine Kollegin hatten diese Atmosphäre-Ozean-Eis-Dynamik bereits im Jahr 2017 in einem Fachartikel beschrieben.
Abbildung 4: Diese Aufnahme eines NASA-Satelliten vom 4. Mai 2025 zeigt deutlich die großen eisfreien Flächen in der russischen Laptewsee. Quelle: NASA Worldview
Folge des warmen Winters: Dünneres Meereis im kanadischen Archipel
Was es kurzfristig für das Meereis bedeutet, wenn der Winter in einer Arktisregion überdurchschnittlich warm ausfällt, konnten Meereisphysiker:innen des Alfred-Wegener-Institutes im März 2025 auf ihrer diesjährigen Flugzeug-Meereis-Messkampagne im Norden Grönlands und Nordamerikas beobachten. Vor allem in den inneren Gewässern der Inselwelt des kanadischen Archipels war das im Winter 2024/2025 gebildeteFesteis bis zu 30 Zentimeter dünner als in vorhergehenden Jahren (Abbildungen 5 & 6).
Normal ist in dieser Zeit des Jahres eine Eisdicke von 1,7 bis 1,8 Meter. Bei den aktuellen Messungen 2025 dokumentierte der Meereisdicken-Sensor EM-Bird eine durchschnittliche Meereisdicke von 1,3 bis 1,5 Metern. “Diese Eisdickenabnahme können wir unmittelbar auf die vergleichsweise warmen Wintertemperaturen in der kanadischen Arktis zurückführen. Zwischen den Inseln des kanadischen Archipels gibt es nämlich nur Meereis, welches im Laufe des Winters entstanden ist. Wenn dieses Eis in diesem Frühjahr deutlich dünner ist als in vorhergehenden Jahren, müssen ungewöhnliche Luft- oder Wassertemperaturen der Grund dafür sein”, sagt Prof. Dr. Christian Haas, Leiter der Sektion Meereisphysik am AWI und Teilnehmer der diesjährigen IceBird-Messkampagne.
Die mittlere Lufttemperatur über dem kanadischen Archipel war im zurückliegenden Winter durchgehend 1,5 bis mehr als 6 Grad Celsius wärmer als im Vergleichszeitraum 1971 bis 2000. Das zeigen auch der Zeitraffer der Lufttemperatur-Abweichungen in der Arktis (Abbildung 7).
Abbildung 5: Deutlich dünner und schmaler als in vorhergehenden Jahren war im Frühjahr 2025 unter anderem die Meereisfläche im Eclipse Sound, einem Meeresgebiet im Innern des kanadischen Archipels, welches das AWI-Forschungsflugzeug Polar 6 auf diesem Foto überfliegt. Die abnehmende Dicke des Meereises beeinträchtigt die Stabilität der Eisfläche. Für die einheimische Küstenbevölkerung wird es somit gefährlicher, auf dem Meereis jagen zu gehen. Foto: Christian Haas/Alfred-Wegener-Institut
Abbildung 6: Beim Anflug auf ein Messgebiet bleibt den Forschenden etwas Zeit, um aus dem Fenster zu schauen und die polare Eiswelt zu genießen. Sobald dann der Eis- oder Schneedicken-Sensor im Einsatz ist, sind alle Augen auf die Monitore und Kontrollanzeigen gerichtet. Foto: Esther Horvath/Alfred-Wegener-Institut
Abbildung 7: Zeitraffer der gemittelten Lufttemperaturabweichungen von Oktober 2024 bis April 2025 im Vergleich zu den langjährigen Temperatur-Mittelwerten für die jeweiligen Monate im Zeitraum 1971 - 2000. Die Anomaliekarten zeigen die anhaltend hohen Temperaturabweichungen in der zentralen und kanadischen Arktis.
Der Frühling hält Einzug
In der Meereis-Monatsbilanz für April haben die offenen Wasserflächen in der Laptewsee sowie das dünne Eis im kanadischen Archipel noch keinen wirklichen Einfluss auf die Gesamtmeereisausdehnung in der Arktis. Diese lag im Monatsmittel bei 13,9 Millionen Quadratkilometern, was Platz 9 in der Monatsstatistik bedeutet (Abbildung 8). Mehr Packeis als im Vergleich zum Langzeitmittel gab es unter anderem im östlichen Beringmeer sowie in der Framstraße. “Die größere Meereisausdehnung in der Framstraße ist dabei auf den verstärkten Meereisexport zurückzuführen. Seit einigen Wochen wandert auffallend viel Packeis aus dem Arktischen Ozean in den Nordatlantik, wodurch die Meereisausdehnung in der Framstraße automatisch etwas zugenommen hat”, sagt Thomas Krumpen. Weniger Meereis dokumentierten die Satelliten vor allem in der östlichen Barentssee, im westlichen Beringmeer sowie im Ochotschken Meer (Abbildung 9).
Der Blick auf den Jahresgang der Meereisausdehnung in der Arktis zeigt, dass die Linie für das Jahr 2025 in der ersten Aprilhälfte ziemliche Kurven schlägt und die Meereisausdehnung zweimal sogar wieder deutlich zugenommen hat. Seit dem 16. April aber hat der Frühling Einzug in der Arktis gehalten und die Meereisausdehnung nimmt abgesehen von kleinen tagesaktuellen Schwankungen kontinuierlich ab – mit Eisschmelzraten von durchschnittlich etwa 40.000 Quadratkilometern pro Tag.
Abbildung 9: Differenz der mittleren Eiskantenposition im April 2025 im Vergleich zur mittleren Eiskantenposition im Langzeitmittel der Jahre 2003 bis 2014. Blau gekennzeichnet sind Meeresgebiete, in denen im April 2025 mehr arktisches Meereis existiert. Rot markierte Regionen hingegen wiesen weniger Meereis auf.
Antarktis: Viel zu warme Luftmassen in der Westantarktis
In der Antarktis hingegen wächst die Meereisausdehnung seit Winterbeginn kontinuierlich. Die Zuwächse fielen im April 2025 auch vergleichsweise deutlich aus, sodass die Kurve des Jahresganges im April vergleichsweise steil anstieg und zum Ende des Monates deutlich innerhalb der Minimum-Maximum-Spannbreite aus dem Zeitraum 1981 bis 2010 lag (Abbildung 10). Trotzdem fällt die mittlere Meereisausdehnung im April 2025 mit einem Wert von 6,4 Millionen Quadratkilometern eher klein aus und ordnet sich unterhalb der Trendlinie ein (Abbildung 11).
Deutlich weniger Meereis als im Vergleich zum Langzeitmittel des Zeitraumes 2003-2014 gab es im April vor allem im westlichen Weddellmeer, in der Bellingshausensee, im Rossmeer sowie vor der Küste des Königin-Maud-Landes (Abbildung 12).
Abbildung 12: Differenz der mittleren Eiskantenposition im April 2025 im Vergleich zur mittleren Eiskantenposition im Langzeitmittel der Jahre 2003 bis 2014. Blau gekennzeichnet sind Meeresgebiete, in denen im April 2025 mehr antarktisches Meereis existiert. Rot markierte Regionen hingegen wiesen weniger Meereis auf.
Weiterführende Analysen werden benötigt, um herauszufinden, in welchem Umfang die ungewöhnlich warmen Lufttemperaturen über der Westantarktis die Bildung von neuem Meereis im westlichen Weddellmeer sowie in der Bellingshausen- und Amundsensee gebremst haben. Über weiten Teilen der Antarktischen Halbinsel und der Westantarktis lagen die Abweichungen von Lufttemperaturmittelwerten im April bei bis zu 6 Grad Celsius oberhalb des langjährigen Mittelwertes (Abbildung 13).
Abbildung 13: Darstellung der Lufttemperaturabweichungen im April 2025 im Vergleich zu den langjährigen Temperatur-Mittelwerten für diesen Monat im Zeitraum 1971 - 2000. Die Karte zeigt deutlich wärmere Lufttemperaturen über der Antarktischen Halbinsel und Teilen der Westantarktis. Ausgangsbasis sind Tagesmitteltemperaturen, gemessen in einer Höhe von etwa 760 Metern.
Gute Nachricht: Sentinel 1C-Satellit sendet neue Meereisdaten aus den Polarregionen
Zum Abschluss eine gute Nachricht: Der ESA-Satellit Sentinel-1C ist nach dem Start seiner Trägerrakete am 4. Dezember 2024 auf seine Umlaufbahn eingeschwenkt und hat die Arbeit aufgenommen. Seit Mitte April sendet er unter anderem Radardaten zur Meereisbedeckung aus den Polarregionen. Mit seinem Radar kann der Satellit durch Wolken hindurch schauen und auch bei Nacht Messungen vornehmen. Er liefert Forschenden somit wichtige tagesaktuelle Daten zur Meereissituation. Diese werden sowohl für Flugzeug-Messkampagnen als auch für Schiffsexpeditionen benötigt. Auf Flugzeug-Kampagnen helfen die Radardaten den Forschenden, Regionen mit besonders dünnem oder dickem Meereis zu identifizieren und die Route der Messflüge entsprechend zu planen. Auf den Expeditionen des Forschungseisbrechers Polarstern werden die Sentinel-Daten gebraucht, um Rinnen im Eis zu identifizieren, die dem Schiff ein möglichst leichtes Vorankommen garantieren.
Abbildung 14: Meereisforschende des Alfred-Wegener-Institutes nutzen Radaraufnahmen der Sentinel-Satelliten unter anderem, um die Flugrouten ihrer Meereisdicken-Messflüge zu planen. Die Daten zeigen u.a., wo besonders dünnes oder besonders dickes Packeis treibt. Foto: Esther Horvath/Alfred-Wegener-Institut
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Prof. Dr. Christian Haas (AWI)
Autorin
Sina Löschke (Science Writer)
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