Zum Inhalt springen Zum Footer springen
Als Anwendung installieren

Installieren Sie meereisportal.de als App für ein besseres Nutzungserlebnis.

Newsdetailansicht

Recycling und Weiterverwertung von Sensordaten

Messungen unter dem Eis Ozean Meereisdicke Arktis

Um die Veränderung der arktischen Meereisfläche und besonders seiner Dicke zu beobachten, zu verstehen und sogar vorherzusagen, sind Langzeitmessungen der Meereisdicke elementar wichtig.

Meereis ist eine der wichtigsten Komponenten des arktischen Klimasystems. Es steht im ständigen Austausch mit der Atmosphäre und dem Ozean und bestimmt mit seinen physikalischen Eigenschaften, besonders seiner hellen Oberfläche und dem daraus resultierenden starken Reflexionsvermögen, maßgeblich die Energiebilanz an der Ozeanoberfläche. Um die Veränderung der arktischen Meereisfläche und besonders seiner Dicke zu beobachten, zu verstehen und sogar vorherzusagen, sind Langzeitmessungen der Meereisdicke elementar wichtig.
Satellitenmessungen erlauben zwar eine große räumliche Auflösung der Eisbedeckung, haben aber gerade bei Messungen der Eisdicke eine geringe zeitliche Auflösung (Wochen-und Monatsmittelwerte) und einige Ungenauigkeiten. Um die Auswertung von Satellitendaten daher weiter zu verbessern und die verfügbaren Daten besser interpretieren zu können, bedarf es direkter und lokaler Messungen der Eisdicke, über möglichst lange Zeiträume.

Langzeitbeobachtung der Eisdicke vor Ort

An Verankerungen angebrachte und nach oben gerichtete Sonare, sogenannte Upward-Looking Sonars (ULSs), sind in der Lage, Langzeitbeobachtungen der Eisdicke mit großer Genauigkeit durchzuführen. Das ULS sendet dabei ein kurzes akustisches Signal nach oben, welches dann von der Eisunterseite zurückreflektiert wird. Am ULS wird die Zeit aufgezeichnet, die das Signal für den zurückgelegten Weg benötigt hat und mit Informationen über die Wassereigenschaften und der Tiefe des ULS im Wasser, kann dann der Teil des Eises berechnet werden, der sich unterhalb der Wasseroberfläche befindet, der sogenannte „Tiefgang“ (englisch: draft) (Abbildung 1, links).
Diese Art der Verankerungen sind vor allem in den vergleichsweise einfach zugänglichen Regionen der Arktis über die letzten Dekaden ausgebracht worden und liefern seitdem wichtige Daten für die Vergleiche mit verschiedenen Eisdickenprodukten von Satelliten. Zu diesen „einfach erreichbaren“ Orten gehören vor allem die Regionen in denen das Eis am ältesten und meist auch am dicksten ist (nördlich von Kanada und in der Framstraße, nordöstlich von Grönland, siehe kleine Karte in Abbildung 2).

Vergleichbare Langzeitmessungen der Eisdicke, zum Beispiel in Regionen wie der Laptewsee, in denen der Großteil des arktischen Eises gebildet wird, gab es bisher nicht. Aufgrund der schlechten Erreichbarkeit und der limitierten Ressourcen für Forschungsprojekte in der Laptewsee, waren Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) bislang nur in der Lage, ULS Verankerungen im Zeitraum zwischen 2013 und 2015 auszubringen. Und obwohl die gewonnen Daten extrem wertvoll sind, reichen sie nicht aus, um lange Zeitreihen für Modellstudien und Vergleiche zu Satellitendaten zu gewinnen.

Zusammenschluss von Expertisen

Um dieses Manko und die gewaltigen zeitlichen Lücken der Eisdickenzeitserien in dieser wichtigen Region der Eisbildung zu überwinden, haben sich Forscher aus den Bereichen Meereisphysik und Physikalische Ozeanographie des AWI mit den Entwicklern von verankerten Sonaren zusammengetan, um nach Möglichkeiten zu suchen, diese Lücken zu schließen.

Dabei lag der Fokus vor allem darauf, Methoden zu entwickeln, die es erlauben Eisinformationen aus bereits vorhanden Datensätzen von früheren Expeditionen zu gewinnen, die aber auch für zukünftige Projekte weiterverwertbar und anwendbar sind. „Wir wollten nicht nur wissen, wofür bestimmte ozeanographische Messgeräte gebaut wurden, sondern vor allem auch was sie über ihren eigentlichen Zweck hinaus tatsächlich leisten können“, erläutert Dr. Jakob Belter, einer der beteiligten Forscher und Hauptautor der beiden Studien vom Alfred-Wegener-Institut (Belter et al., 2020Belter et al., 2021).
In der Vergangenheit gab es in der Laptewsee vor allem ozeanographische Messungen von Temperatur, Salzgehalt, Dichte und Ozeanströmungen. Gerade die akustischen Strömungsmessgeräte, sogenannte Acoustic Doppler Current Profiler (ADCP), sind zwar für die Messung des vertikalen Strömungsgeschwindigkeitsprofils entwickelt worden, arbeiten dabei aber mit dem gleichen Konzept wie ein ULS (Abbildung 1 rechts).

Die Tatsache, dass ADCPs und ULSs im Zeitraum von 2013 bis 2015 zeitgleich in der Laptewsee ausgebracht waren, erlaubte es den Wissenschaftlern nicht nur eine Methode zur Bestimmung der Eisdicke mit ADCP Daten zu entwickeln, sondern diese auch direkt mit den Resultaten der extra für die Messung der Eisdraft entwickelten Geräte zu validieren (Publikation: Belter et al., 2021). Mit Hilfe der neuentwickelten Methodik waren die Forscher nun in der Lage, „alte“ Datensätze von in der Laptewsee verankerten ADCPs unter einem ganz neuen Gesichtspunkt zu analysieren. Die so entstandene Zeitserie (2002 bis 2017) bietet nicht nur neue Einblicke in die Variabilität der Eisdicke in der Laptewsee sondern lieferte darüber hinaus eine bisher nicht vorhandene Datengrundlage für die Verbesserung und Weiterentwicklung von Eisdickenprodukten von Satelliten (Publikation: Belter et al., 2020).

Fazit

Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die diese beiden Studien liefern, zeigt die Herangehensweise der Wissenschaftler zwei Dinge. Erstens, der Austausch und die Kooperation zwischen den Herstellern von Messgeräten und den einzelnen Fachbereichen der Klima- und Polarforschung ist elementar wichtig für die Forschung und bringt im Idealfall unerwartete, aber wichtige Erkenntnisse. Und zweitens, ist gerade in einer Zeit, in der das Thema Nachhaltigkeit einen immer größeren Raum in der öffentlichen Debatte einnimmt, die Wissenschaft mehr denn je gefragt, neue und nachhaltige Methoden zu entwickeln und die Informationen zu sammeln, die uns helfen, unser Klimasystem besser zu verstehen und zu schützen. Die neu-entwickelte Methodik zur Eisdickenbeobachtung liefert hierzu einen wichtigen Beitrag, denn sie erlaubt nicht nur die erneute und neue Aufarbeitung von „alten“ Sonardaten aus der Laptewsee, sondern bietet darüber hinaus auch die Möglichkeit, vergleichbare Datenlücken in der Arktis und Antarktis zu schließen. „Außerdem zeigt sie das Potenzial zur Verwendung von akustischen Strömungsmessgeräten zur Beobachtung der Eisdicke für die Zukunft und wir lernen daraus auch, dass unsere Messgeräte nicht nur für eine bestimmte festgelegte Aufgabe geeignet sind, sondern oft noch viel mehr leisten können. Wir müssen den Einsatzbereich der Geräte nur einmal von einer anderen Perspektive betrachten und die erfassten Daten weiterverwenden“, resümiert Jakob Belter.  

Publikationen

  • Belter, H. J., T. Krumpen, S. Hendricks, J. Hoelemann, M. A. Janout, R. Ricker, C. Haas, 2020: Satellite-based sea ice thickness changes in the Laptev Sea from 2002 to 2017: comparison to mooring observations. The Cryosphere 14, 7, 2189-2203, doi.org/10.5194/tc-14-2189-2020
  • Belter, H. J., T. Krumpen, M. A. Janout, E. Ross, C. Haas, 2021: An Adaptive Approach to Derive Sea Ice Draft from Upward-Looking Acoustic Doppler Current Profilers (ADCPs), Validated by Upward-Looking Sonar (ULS) Data. Remote Sensing, 13 (21), 4335, doi.org/10.3390/rs13214335

Kontakt

Schematische Darstellung der Funktionsweise eines nach oben gerichteten Sonars akustischen Strömungsmessgerätes.

Abbildung 1: Links: Schematische Darstellung der Funktionsweise eines nach oben gerichteten, an einer Verankerung angebrachten Sonars (Upward-Looking Sonar, ULS). Rechts: Schematische Darstellung der Funktionsweise eines verankerten, akustischen Strömungsmessgerätes (Acoustic Doppler Current Profiler, ADCP), welches ebenfalls für die Messung der Eisdicke verwendet werden kann. (Quelle: Alfred-Wegener-Institut / Jakob Belter)