Zum Inhalt springen Zum Footer springen
Als Anwendung installieren

Installieren Sie meereisportal.de als App für ein besseres Nutzungserlebnis.

Newsdetailansicht

Rasante Frühjahrsschmelze des arktischen Meereises

In der Arktis hat die Meereisausdehnung im Monat Mai deutlich abgenommen, während in der Antarktis warme Luft die Neueisbildung vielerorts bremste.

  • In der Arktis schmilzt junges, dünnes Meereis großflächig und innerhalb kurzer Zeit; in der Antarktis verlangsamen überdurchschnittlich warme Luftmassen die Eisneubildung in wichtigen Regionen
  • Meereis-Fernerkundung: Satelliten dokumentierten im Winter 2024/25 einen saisonalen Eiszuwachs von mehr als 13.800 Kubikkilometern in der Arktis
  • Forschungseisbrecher Polarstern: Arktisexpedition nimmt das Meereis der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unter die Lupe

 

Arktis: Junges, dünnes Meereis schmilzt im hohen Tempo

Die Ausdehnung des arktischen Meereises ist im Monat Mai um eine Fläche mehr als fünfmal so groß wie Deutschland geschrumpft. Betrug sie am Donnerstag, den 1. Mai 2025, noch 13,41 Millionen Quadratkilometer, waren es am Samstag, den 31. Mai 2025 nur noch 11,52 Millionen Quadratkilometer – eine Differenz von 1,89 Millionen Quadratkilometer (Abbildung 1). Das Monatsmittel betrug 12,48 Millionen Quadratkilometer und nimmt Platz 8 in der Langzeitstatistik ein.

Im Monatsmittel lag die Meereisausdehnung über dem Langfristtrend und eher im Durchschnitt der zurückliegenden 20 Jahre. Wir sehen aber auch, dass sie im Verlauf des Monats vergleichsweise schnell abgenommen hat, was bedeutet, dass viel Meereis innerhalb kurzer Zeit geschmolzen ist. Diese Beobachtung wiederum lässt darauf schließen, dass das Eis entsprechend dünn gewesen sein muss

Unseren Satellitendaten zufolge waren in der vierten Maiwoche sowohl der Bottnische- und Finnische Meerbusen als auch das Ochotskische Meer eisfrei (Abbildung 2). Deutlich weniger Meereis als im Vergleich zum Langzeitmittel der Jahre 2003-2014 verzeichneten die Satelliten im Mai in der nördlichen Hudsonbucht, im westlichen Beringmeer, in der östlichen Laptewsee, in der nordöstlichen Barentssee sowie in der Karasee (Abbildung 3). Der schnelle Meereisrückgang in den russischen Randmeeren des Arktischen Ozeans könnte unter anderem auf deutlich wärmere Lufttemperaturen als im langjährigen Mittel zurückzuführen sein. Unsere Karte der gemittelten Temperaturabweichungen im Monat Mai zeigt für diese Regionen ein Plus von 2 bis 4 Grad Celsius im Vergleich zum Bezugszeitraum 1971 bis 2000 (Abbildung 4). Kälter als im Langzeitmittel war es dagegen über der Hudsonbucht und Teilen des Kanadischen Archipels.

Abbildung 1: Der aktuelle Jahresgang der Meereisausdehnung in der Arktis (blaue Linie) im Vergleich. Der türkis-gefärbte Bereich zeigt die Spannbreite der Minimum-Maximum-Werte aus dem Zeitraum 1981-2010. Die blaue Kurve für das Jahr 2025 fällt im Mai auffallend steil ab, was darauf hindeutet, dass innerhalb des Monats große Flächen Meereis geschmolzen sind.

Abbildung 2: Darstellung der Meereiskonzentration auf dem Arktischen Ozean am 31. Mai 2025. Die hellgrüne Linie markiert die Kante der mittleren Meereisausdehnung im Monat Mai im Zeitraum 1981 bis 2010.

Abbildung 3: Differenz der mittleren Eiskantenposition im Mai 2025 im Vergleich zur mittleren Eiskantenposition im Langzeitmittel der Jahre 2003 bis 2014. Blau gekennzeichnet sind Meeresgebiete, in denen im Mai 2025 mehr arktisches Meereis existierte. Rot markierte Regionen hingegen wiesen weniger Meereis auf.

Mehr Packeis als im Vergleichszeitraum gab es vor der Ostküste Kanadas, im östlichen Beringmeer sowie in der Framstraße (Abbildung 3). Die größere Meereisausdehnung in der Framstraße könnte darauf zurückzuführen sein, dass in den ersten Monaten des Jahres besonders viel altes Meereis aus der Arktis in den Nordatlantik getrieben ist. Meereisportal hatte bereits in den Meereis-Updates für die Monate März und April über diesen gestiegenen Eis-Export berichtet. Das aktuelle Meereis-Plus in der Framstraße könnte eine unmittelbare Folge dieser Entwicklung sein.

Abbildung 4: Darstellung der Lufttemperaturabweichungen im Mai 2025 im Vergleich zu den langjährigen Temperatur-Mittelwerten für diesen Monat im Zeitraum 1971 - 2000. Die Karte zeigt anomal warme Lufttemperaturen über dem gesamten Arktischen Ozean, die bis in die sibirischen Schelfgebiet, den Nordosten Kanadas und in den Nordatlantik reichen.

Die Winterbilanz: Ein saisonaler Zuwachs von 13.800 Kubikkilometer Meereis

Seit dem Jahr 2010 werten Meereisphysiker des Alfred-Wegener-Institutes im Auftrag der Europäischen Raumfahrtagentur ESA die Meereisdaten der beiden Satelliten CryoSat-2 und SMOS aus. Sie berechnen zum einen, wie viel Meereis sich im Laufe des Winters auf dem Arktischen Ozean gebildet hat (Eisvolumen). Zum anderen können sie die Meereisdicke flächendeckend aus den Satellitenmessungen ableiten und Anomaliekarten für das Nordpolarmeer erstellen.

Seit wenigen Tagen liegt die Auswertung für den Winter 2024/2025 vor. Demzufolge gab es zum Ende des Winters mehr als 18.300 Kubikkilometer Meereis in der Arktis. Würde man diese Menge Packeis in eine Würfelform mit einer Kantenlänge von einem Kilometer pressen, entstünden am Ende 18.300 Riesen-Eiswürfel. Eine unvorstellbar große Menge Eis, von der allein 13.800 Kubikkilometer im zurückliegenden Winter neu entstanden sind (Abbildung 5).

“Der zurückliegende Winter in der Arktis war im Hinblick auf das Eisvolumen keinesfalls außergewöhnlich. Wir sehen auch keine direkten Einflüsse der geringen Meereisausdehnung, weil das Packeis in mehreren Regionen dicker war als in den Jahren zuvor, was sich positiv auf das Gesamtvolumen auswirkt”, sagt AWI-Fernerkundungsspezialist Dr. Stefan Hendricks.

Abbildung 5: Darstellung der Meereisvolumenentwicklung seit Inbetriebnahme der beiden Satelliten CryoSat-2 und SMOS im Jahr 2010. Im Winter 2024/2025 stieg das Eisvolumen von 4.509 Kubikkilometer im Oktober 2024 auf 18.371 Kubikkilometer im März 2025. Grafik: Stefan Hendricks, Alfred-Wegener-Institut

Packeis mit auffällig hoher Eisdicke dokumentierten CryoSat-2 und SMOS zum Ende des Winters (April 2025) vor allem vor der Nordküste Grönlands, in der Tschuktschensee sowie in Teilen der russischen Schelfmeere. Dünner als im Vergleichszeitraum 2010 bis 2021 war das Packeis in den inneren Gewässern des kanadischen Archipels, in Teilen der zentralen Arktis sowie in der Laptew- und nördlichen Barentssee (Abbildung 6 und 7). “Vor der Nordküste Grönlands hat sich im Laufe des Winters sehr viel Packeis angesammelt. Wir nehmen deshalb an, dass die auffallend hohen Eisdicken in dieser Region vornehmlich auf Eisverformungen zurückzuführen sind. Das heißt, die Eisschollen haben sich dicht zusammengeschoben und vielerorts aufgetürmt”, erläutert der Fachmann.

Abbildung 6: Darstellung der im April 2025 (Winterende) von CryoSat-2 und SMOS gemessenen Meereisdicke und ihrer Abweichung im Vergleich zum Mittel des Monats April im Zeitraum 2010 bis 2021. In der rechten Karte sind all jene Gebiete rot markiert, in denen das Meereis dünner war als im Vergleichszeitraum; blau sind Gebiete markiert, in denen das Packeis dicker war. Grafik: Stefan Hendricks, Alfred-Wegener-Institut

Abbildung 7: Darstellung der im Oktober 2024 (Winteranfang) von CryoSat-2 und SMOS gemessenen Meereisdicke und ihrer Abweichung im Vergleich zum Mittel des Monats Oktober im Zeitraum 2010 bis 2021. Deutlich zu erkennen ist, dass das Meereis in der Region nördlich Grönlands im Oktober 2024 noch überdurchschnittlich dünn war. Grafik: Stefan Hendricks, Alfred-Wegener-Institut

Abbildung 8: Darstellung der Zeitserie zur Meereisdicke in der Arktis, gemessen mit den beiden Satelliten CryoSat-2 und SMOS. Der Winter 2024/2025 sticht im Vergleich zu den Vorjahren weder positiv noch negativ hervor. Grafik: Stefan Hendricks, Alfred-Wegener-Institut

Antarktis: Auffällige Parallelen zwischen der Verteilung des Meereises und den Abweichungen der Lufttemperatur in Bezug auf das Langzeitmittel

In der Antarktis hat die Meereisausdehnung im Monat Mai winterbedingt zugenommen – um mehr als 2,7 Millionen Quadratkilometer, was fast der achtfachen Fläche Deutschlands entspricht (Abbildung 9). Das Monatsmittel betrug 9,41 Millionen Quadratkilometer. Damit reiht sich der Mai 2025 auf Platz 7 der Langzeitstatistik ein. Eine geringere Meereisausdehnung gab es zu dieser Zeit des Jahres bislang nur in den Jahren 1980, 1981, 1986, 2017, 2019 und 2023 (Abbildung 10).

Ein Vergleich der Jahresgänge zeigt zudem, dass die Entwicklung der Meereisausdehnung im Mai 2025 einen ähnlichen Pfad genommen hat wie im Mai 2024. Zum Monatsende lag die Meereisausdehnung beider Monate sogar gleichauf. Große Packeisflächen trieben in diesem Jahr jedoch in anderen Regionen als noch im Mai 2024 (Abbildung 11). Mehr Eisschollen als im Vorjahr gab es zum Beispiel im östlichen Weddellmeer, vor der Küste der Ostantarktis, in Teilen der Amundsensee sowie weit vor der Küste des Marie-Byrd-Landes. Weniger Meereis als im Mai 2024 dokumentieren die Satelliten dagegen an der Nordspitze der Antarktischen Halbinsel (westliches Weddellmeer), in der Bellingshausensee, vor der Küste des Adélielandes sowie vor der Küste des Königin-Maud-Landes (Abbildung 11).

Abbildung 9: Der aktuelle Jahresgang der Meereisausdehnung in der Antarktis (blaue Linie) im Vergleich. Der türkis-gefärbte Bereich zeigt die Spannbreite der Minimum-Maximum-Werte aus dem Zeitraum 1981-2010.

Abbildung 10: Darstellung der Entwicklung der mittleren Meereisausdehnung in der Antarktis für den Monat Mai. Die hellblaue Linie markiert den langfristigen Trend.

Abbildung 11: Differenz der mittleren Eiskantenposition im Mai 2025 im Vergleich zur mittleren Eiskantenposition im Mai 2024. Blau gekennzeichnet sind Meeresgebiete, in denen im Mai 2025 mehr antarktisches Meereis existiert. Rot markierte Regionen hingegen wiesen weniger Meereis auf.

Die Verteilung des Meereises rund um die Antarktis korrespondiert bis auf eine Ausnahme mit dem Muster der Temperaturabweichungen im Mai 2025 (Abbildung 12). Die Luftmassen über der Bellingshausensee und dem südlichen Teil der Antarktischen Halbinsel beispielsweise waren bis zu 10 Grad Celsius wärmer als im Vergleichszeitraum 1971 bis 2000. Überdurchschnittlich warme Lufttemperaturen wurden auch im Gebiet des Königin-Maud-Landes sowie vor der Küste des Adélielandes gemessen. Kälter als im Vergleichszeitraum war es im Mai lediglich über dem Rossmeer und dem angrenzenden Rossschelfeis sowie in der Ostantarktis.

Abbildung 12: Darstellung der Lufttemperaturabweichungen im Mai 2025 im Vergleich zu den langjährigen Temperatur-Mittelwerten für diesen Monat im Zeitraum 1971 - 2000. Insbesondere über der Antarktischen Halbinsel und Bellingshausensee sind deutlich wärmere Luftmassen zu verzeichnen.

Das Meereis von gestern, heute und morgen: Polarstern bricht zu neuer Expedition in die Arktis auf 

Der Mai 2025 ist für das Team der AWI-Sektion Meereisphysik ein besonders arbeitsintensiver Monat gewesen. Es galt, die große Meereis-Sommer-Expedition des Forschungseisbrechers Polarstern vorzubereiten und alle benötigten Messgeräte und das notwendige Zubehör zu verladen, denn am Freitag, den 29. Mai 2025, lief das Schiff aus Bremerhaven in Richtung Arktis aus.

Die Forschenden selbst werden erst Anfang Juli im norwegischen Tromsø an Bord gehen, wenn der zweite Fahrtabschnitt der diesjährigen Arktissaison beginnt. Er wird das Team um Fahrtleiter Dr. Marcel Nicolaus in die zentrale Arktis führen, wo sie an verschiedenen Stationen das Meereis von gestern, heute und morgen untersuchen werden.

“Wir beobachten heute schon drei verschiedene Meereis-Regime in der Arktis. Vor der Nordküste Grönlands gibt es immer noch Reste des alten, dicken Packeises, welches durchaus drei bis vier Jahre alt sein kann. Auf der Transpolardrift hingegen dominiert ein- bis zweijähriges Eis, während das Meereis in den russischen Schelfgebieten schon nach wenigen Monaten schmilzt. Diese drei Regime illustrieren die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft des arktischen Meereises. Für uns ist es deshalb ganz entscheidend zu verstehen, wie sich die Regime in ihren physikalischen Eigenschaften unterscheiden und was die Veränderungen des Packeises für den Arktischen Ozean, seine Lebensgemeinschaften und das Erdklima insgesamt bedeuten”, sagte Marcel Nicolaus in einem Gespräch in der letzten Maiwoche.

Mit welchen ausgeklügelten Beobachtungssystemen er und sein Team den Forschungsfragen nachgehen werden und wieso die Polarstern-Expedition mit dem Titel “Contrasts 2025” durchaus als bahnbrechend bezeichnet werden darf, erläutert er in Kürze selbst hier im Meereisportal. Dranbleiben lohnt sich also.

Abbildung 13: Dr. Marcel Nicolaus, Meereisphysiker am Alfred-Wegener-Institut und Fahrtleiter des 2. Fahrtabschnittes der diesjährigen Arktissaison. Foto: Marcel Nicolaus, Alfred-Wegener-Institut

Kontakt

Dr. Marcel Nicolaus (AWI)

Dr. Stefan Hendricks (AWI)

Dr. Klaus Grosfeld (AWI)

Dr. Renate Treffeisen (AWI)

Autorin

Sina Löschke (Science Writer)

www.schneehohl.net

Fragen?

Schreiben Sie uns eine E-Mail oder nutzen Sie das Kontaktformular.