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Polynien: offene Wasserstellen der polaren Ozeane

Ozean Atmosphäre Antarktis

Wenn starke ablandige Winde in der Arktis und Antarktis küstennahes Meereis vom Land wegtreiben, bilden sich offene Wasserflächen im eisbedeckten Ozean. Sie sind wichtige Orte des Wärme- und Stoffaustausches.

Wenn starke ablandige Winde in der Arktis und Antarktis küstennahes Meereis vom Land wegtreiben, bilden sich offene Wasserflächen im eisbedeckten Ozean. Diese sogenannten Polynjen können Größen von  wenigen 100 m² bis zu mehreren 1.000 km² haben. Sie treten rund um die Antarktis sowie in vielen Küstenabschnitten der Arktis auf. Viele bilden sich auf Grund der lokalen Topografie und Windsituation regelmäßig und sind somit wichtige Regionen für den Austauschprozess zwischen Atmosphäre und Ozean. Die besondere Bedeutung von Küstenpolynjen liegt darin, dass sie Orte intensiven Stoff- und Wärmeaustausches sind. Durch das Fehlen der isolierenden Eisdecke wird permanent neues Eis gebildet. Salz aus dem Meerwasser, das nicht in die Struktur des Eises eingebaut werden kann, wird an den Ozean abgegeben, gleichzeitig kühlt sich das Ozeanwasser ab. Dieses kalte und salzige Wasser hat eine höhere Dichte als das umgebende Wasser, sinkt als Tiefenwasser ab und trägt zu lokalen Meeresströmungen, aber auch zur thermohalinen Zirkulation bei. Lokal und regional liefern die offenen Wasserflächen einen Beitrag zum Erwärmen und „Befeuchten“ der Atmosphäre. Auf diese Weise beeinflussen sie das Wetter in den Polarregionen. Der Vorgang lässt sich anhand des folgenden Beispiels veranschaulichen: Man stelle sich einen heißen Teller Suppe (den Ozean) vor, über den man hinwegpustet (der eiskalte ablandige Wind). Es kommt zur Bildung  von Mischungsnebel und Wolken. Für Tiere wie Pinguine und Eisbären bieten Polynjen einen Zugang zu ihren Jagdgründen. Nach der Polarnacht erwärmen sich Polynjen rasch und es kommt zu einem verstärkten Algenwachstum. Die im Folgenden vorgestellten Ergebnisse stammen aus einer aktuellen Untersuchung der Forschungsgruppe Erdbeobachtungssysteme am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Die beiden Autoren der Studie untersuchten, welche Möglichkeiten sich durch die Kombination verschiedener Satellitensensoren für die Erforschung von Polynienprozessen ergeben. Wolfgang Dierking, Co-Autor der Studie und Professor für Meereisfernerkundung an der Arctic University of Norway in Tromsø erläutert: „Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Satellitensensoren, die jeweils bestimmte Bereiche der elektromagnetischen Strahlung erfassen. Schon jeder Bereich für sich alleine kann faszinierende Einblicke in die Eisbildungsprozesse in Polynjen geben, doch durch die Kombination verschiedener Sensoren erhält man wesentlich genauere Informationen über die Eisverhältnisse". Sein Kollege Dr. Thomas Hollands ergänzt: „Es ist fast wie in der Digitalfotografie. Dort werden durch die Kamera jeweils Werte für Rot, Grün und Blau aufgenommen und hieraus wird das digitale Farbbild zusammengesetzt. Ohne diese Unterscheidung der unterschiedlichen Wellenlängen würde man „nur“ ein Schwarz-Weiß-Bild sehen. Bei uns sind es zusätzlich zu diesen sichtbaren Wellenlängenbereichen, die uns Satelliten wie Landsat 8 oder EO-1 des amerikanischen Geologischen Dienstes (USGS) liefern, eben auch noch Informationen im Infrarot und Mikrowellenbereich – allerdings werden diese leider weder mit dem gleichen Satelliten, noch mit dem gleichen Ausschnitt, noch zwingendermaßen zur gleichen Zeit aufgenommen."

Die Studie, die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie durchgeführt wurde, um das Potential der aktuellen Sentinelsatelliten und zukünftiger nationaler Missionen wie z.B. TanDEM-L für die Meereisfernerkundung zu untersuchen, zeigt verschiedene Aspekte auf, wie unterschiedliche Sensoren ineinander greifen könnten. Dabei spielen nicht nur die unterschiedlichen Bereiche des elektromagnetischen Spektrums eine Rolle, sondern auch die räumliche und zeitliche Auflösung der verfügbaren Satellitenbilder. Als Grundregel gilt dabei in etwa: je gröber die räumliche Auflösung, desto größer ist die räumliche Abdeckung des Satelliten beim Überflug und desto häufiger erhält man ein Bild. Jedoch haben natürlich auch die gemessenen Wellenlängen und das jeweilige Messverfahren einen großen Einfluss auf Abdeckung und Auflösung. So interessant die detaillierte Untersuchung einzelner Eisschollen sein kann, so wichtig ist es auch, die Dynamik der ganzen Region zu betrachten. Hierbei werden die Bilder vom Eisdriftalgorithmus der Arbeitsgruppe ausgewertet. Die Grundlage sind stabile Muster im Eis, die in zwei aufeinander folgenden Bildern enthalten sind. So können Bewegungsvektoren für die gesamte im Satellitenbild abgedeckte Szene bestimmt werden. Dass die beiden Autoren für ihre Studie die für das AWI eher fremde Region des Rossmeeres gewählt haben, hängt mit der Datenverfügbarkeit zusammen. Das Polynjensystem im Rossmeer mit seinen drei Polynjen (Ross Ice Shelf, McMurdo Sound und Terranova Bay, siehe Abbildung 1) ist eine der wichtigsten „Eisfabriken“ der Antarktis und auch das Zusammenspiel der Polynjen stellt eine äußerst interessante Situation zur Untersuchung der Eisdynamik dar. „Wir waren auf der Suche nach einer zuverlässigen Polynja, die gleichzeitig klein genug ist, um von hochauflösenden Satelliten mit geringer Überdeckung vollständig erfasst zu werden und groß genug, dass man sie auch noch so gerade in den gröber aufgelösten Satellitendaten sieht“, begründet Thomas Hollands. „Die Terra Nova Bay Polynja erfüllt alle diese Voraussetzungen. Da es neben den geophysikalischen Fragestellungen auch um die Entwickelung neuer Methoden und Ansätze für die Meereisfernerkundung geht, ist ein solches überschaubares System sehr hilfreich.“

 

Wolfgang Dierking ergänzt: „Die Analyse von Fernerkundungsdaten ist weit mehr als das bloße Betrachten schöner Bilder, sondern auch das Verstehen des Signals. Für die Interpretation des Satellitenbildes ist dabei natürlich wichtig, die Gegebenheiten in den beobachteten Regionen zu kennen, um das gemessene Signal optimal auswerten zu können.“ (siehe auch Abbildung 2) Die Studie zeigt, wie unterschiedlich das Erscheinungsbild von Meereis in den Daten verschiedener Satelliten sein kann (Abbildung 3). Zudem werden verschiedene räumliche Skalen in einen Zusammenhang gestellt. Basierend auf den höher aufgelösten Daten zeigen die Autoren die Möglichkeiten für eine Multi-Sensor-Klassifizierung von Meereiseigenschaften auf und stellen dar, wie man diese Interpretation um Informationen zur Meereisbewegung ergänzen könnte.  Dies wäre beispielsweise hilfreich, um driftendes von festliegendem Meereis zu unterscheiden. Die Studie schließt mit einer Darstellung von wichtigen Polynjenkenngrößen und der Satellitensensoren, die bei der Bestimmung der jeweiligen Kenngrößen helfen können. Solche Studien helfen den Weltraumbehörden, zukünftige Beobachtungsszenarien optimal aufeinander abzustimmen und neue Satellitenmissionen noch besser an die Bedürfnisse der Forschung in den Polarregionen anzupassen.

Ansprechpersonen

  • Dr. Thomas Hollands (Erdbeobachtungssysteme, AWI-Bremerhaven)
  • Dr. Wolfgang Dierking (Erdbeobachtungssysteme, AWI-Bremerhaven)

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