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Neue Erkenntnisse über die Zuverlässigkeit von Meereisvorhersagen

Meereisvorhersage Meereismodelle Arktis

Die Erstellung zuverlässiger Vorhersagen für die Meereisausdehnung in der Arktis und die Lage der Eiskante stellt eine große Herausforderung dar, gewinnt aber gleichzeitig zunehmend an Bedeutung für Vorhersagesysteme.

Jüngste Ergebnisse zeigen, dass unter sub-saisonalen Vorhersagesystemen die Fähigkeit, die Lage der arktischen Eiskante zuverlässig zu prognostizieren, stark variiert. Das beste System liefert mehr als 1,5 Monate im Voraus- Vorhersagen, die besser als eine klimatologische Referenzvorhersage sind, mit der höchsten Genauigkeit im Spätsommer. Da die Vorhersagen in diesem Zeitraum am zuverlässigsten sind, können wertvolle Langzeitvorhersagen für Akteure in einer Jahreszeit bereitgestellt werden, in der der Schiffsverkehr seinen Höhepunkt erreicht. Weitere Optimierungen können durch eine verbesserte Erfassung der Anfangszustände und eine Reduzierung der Fehlerquellen bei der Modellformulierung erreicht werden.

„Der Bedarf an zuverlässigen Vorhersagen, die die Meereisentwicklung Tage oder Monate im Voraus beschreiben, ist in den letzten Jahrzehnten erheblich gestiegen,“ erklärt Lorenzo Zampieri, Doktorand und Mitglied der Nachwuchsforschergruppe „Seamless Sea Ice Prediction“ (SSIP) am Alfred-Wegener-Institut. Zampieri ist Erstautor des Artikels ‘Bright Prospects for Arctic Sea Ice Prediction on Sub-seasonal Time Scales’, dessen Ergebnisse im Folgenden zusammengefasst werden. „Meereisvorhersagen sind fundamentale Werkzeuge für den Umgang mit Risiken, die mit diesen Aktivitäten in der Arktis verbunden sind — einer Region, die trotz des beobachteten Meereisrückganges nach wie vor eine extreme Umgebung ist”, fügt Zampieri hinzu. Klimavorhersagen zufolge wird bis zur zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts der Rückgang des arktischen Meereises vermutlich zu einem eisfreien Nordpolarmeer im Spätsommer führen, wenn anthropogene Treibhausgasemissionen nicht erheblich reduziert werden. Dieses Szenario wäre allerdings für verschiedene kommerzielle Interessen sowohl von privaten als auch öffentlichen Akteuren in der Region von Bedeutung. Beispiele sind die wachsende Anzahl an Untersuchungen zu neuen kommerziellen Schiffswegen, die Ausweitung der Treibstoff- und Mineralölgewinnung und Entwicklungen in der Touristik.

Operationelle Vorhersagezentren rund um den Globus haben inzwischen die Notwendigkeit einer präziseren Darstellung des Wetters und des Klimas in ihren Vorhersageprodukten erkannt und verwenden daher zunehmend vollständig gekoppelte Vorhersagemodelle. Diese hochentwickelte Modellkonstellation ist umfassender als diejenigen, die üblicherweise in klassischen Wettervorhersagen Anwendung finden und zeichnet sich durch ein globales Ozean- und Meereismodell aus, das mit dem Atmosphärenmodell aktiv interagiert. Die Vorhersagemodelle werden wiederum mit In-situ- und Satellitenbeobachtungen kombiniert, um eine realistische Darstellung des Anfangszustands zu erhalten. Da solche Beobachtungen in den Polarregionen jedoch besonders gering sind, ist die Zuverlässigkeit entsprechend eingeschränkt. Nichtsdestotrotz haben diese Vorhersageprodukte das Potenzial, Ereignisse jenseits der klassischen wetterbasierten Zeitskala zu prognostizieren, und die Meereisentwicklung Wochen bis Monate im Voraus vorherzusagen.

Unser heutiger Wissensstand über die Zuverlässigkeit bestehender Vorhersagesysteme für arktisches Meereis stammt primär vom Sea Ice Outlook — einer gemeinsamen Initiative der internationalen Wissenschaftsgemeinde, die seit 2008 saisonale Meereisvorhersagen sammelt, um diese auf ihre Zuverlässigkeit hin auszuwerten. Bis dato haben dynamische Vorhersagesysteme basierend auf Sea Ice Outlook nur eine begrenzte Zuverlässigkeit demonstriert und ihre Ergebnisse sind mit denen von statistischen Ansätzen vergleichbar. Modellstudien zeigen jedoch ein großes Potenzial für zuverlässigere Vorhersagen auf einer saisonalen Zeitskala und deuten somit darauf hin, dass erhebliche Verbesserungen dynamischer Vorhersagesysteme möglich sein sollten. 

Das Subseasonal to Seasonal (S2S) Prediction Project ist eine gemeinsame Initiative des World Climate Research Programs (WCRP) und des World Weather Research Programs (WWRP), die es sich zum Ziel gemacht hat, sowohl die Zuverlässigkeit von Vorhersagen als auch das Verständnis von auf S2S-Zeitskalen (d. h. Vorhersagen, die sich auf Ereignisse beziehen, die Wochen oder Monate in der Zukunft liegen; siehe dazu Abbildung 1) angelegten Vorhersagen zu verbessern. Im Rahmen des S2S Prediction Projects wird eine Vorhersagedatenbank aufgebaut, die auch mehrere Vorhersagesysteme beinhaltet, in denen ein Meereismodell mit einem Atmosphären- und Ozeanmodell gekoppelt wird, um dynamische Meereisvorhersagen zu generieren. „Diese Datenbank stellt eine einmalige Gelegenheit dar, den aktuellen Stand der Vorhersagen für arktisches Meereis auf sub-saisonalen Zeitskalen gründlicher zu bewerten,“ sagt Zampieri. „Neben Quasi-Echtzeit-Vorhersagen sind retrospektive, also nachträgliche, Vorhersagen, die den gesamten Saisonzyklus abdecken, für die letzten 20 Jahre verfügbar. Somit bilden diese Daten eine perfekte Grundlage für eine robuste Bewertung der Vorhersagezuverlässigkeit.“

Um die S2S-Vorhersagen mit Satellitenbeobachtungen zu vergleichen, wurde der Schwerpunkt auf die Lage der Eiskante gelegt — eine Größe, die potenziellen Endnutzern wertvolle Informationen liefert. Um genauer zu sein, haben wir den erst kürzlich eingeführten Spatial Probability Score (SPS) verwendet, der im Grunde eine Erweiterung des Integrated Ice Edge Errors (IIEE) auf probabilistische Eiskanten-Vorhersagen ist. Diese Metriken wurden speziell entwickelt, um die Defizite der gängigeren Methoden zu überwinden, die sich auf die Differenz in der gesamtarktischen Meereisausdehnung oder -fläche beziehen. Methoden in der letzteren Kategorie erfassen lediglich den Gesamtumfang der Meereisabdeckung und sind nicht in der Lage, nützliche Informationen über die räumliche Verteilung des Eises zu liefern. Im Gegensatz dazu berücksichtigen der SPS und der IIEE nicht nur Variationen in der Gesamtausdehnung, sondern auch Meereis, das an der falschen Stelle prognostiziert wird.

Ergebnisse

Unsere Studie bietet die erste Übersicht über die Fähigkeit hochmoderner gekoppelter Vorhersagesysteme, die Lage der Eiskante auf sub-saisonalen Zeitskalen zuverlässig zu prognostizieren. Die Ergebnisse von sechs verschiedenen Systemen wurden miteinander verglichen (für die Modellbezeichnungen siehe Abbildung 2). Die Vorhersagesysteme, die zur S2S-Datenbank beitragen, weisen eine überraschend große Leistungsbandbreite auf: einige davon (CMA und Météo France) sind in dieser Hinsicht überhaupt nicht zuverlässig, auch nicht für kleinere Zeitskalen, während das derzeit beste System (ECMWF) zuverlässige Prognosen bis zu 45 Tage im Voraus liefert. Die übrigen Systeme (KMA, UMKO, NCEP) erweisen sich als einigermaßen zuverlässig, aber nur für Zeitskalen von maximal 10 bzw. 20 Tagen (siehe Abbildung 2). Für größere Zeitskalen liefern Meereisbeschreibungen, die auf einem beobachteten klimatologischen Zustand aufbauen, bessere Ergebnisse. Da solche Vorhersagen im Spätsommer am zuverlässigsten sind, können wertvolle Langzeitvorhersagen für Akteure in einer Jahreszeit bereitgestellt werden, in der der Schiffsverkehr seinen Höhepunkt erreicht. Unsere Ergebnisse sind auch durch die 30-Tage-Vorhersagen für das Meereisminimum im September 2007 (die erste Anomalie, welche größere Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit erregte) untermauert worden. Es gibt also Unterschiede unter den Vorhersagesystemen, wobei das ECMWF sich als das zuverlässigste behaupten konnte (siehe Abbildung 3).

Darüber hinaus zeigt unsere Studie, dass erhebliche Fehlerquellen bereits bei der Datenassimilation entstehen. In der Datenassimilation werden die vom System verwendeten Anfangszustände an die vorliegenden Beobachtungen angepasst, bevor die Vorhersage berechnet wird. Einerseits ist es anhand dieser Erkenntnis naheliegend, dass operationelle Vorhersagezentren ihre Datenassimilationsansätze für die meereis-, aber auch für atmosphärische und ozeanbezogene Anfangsbedingungen verbessern können. Anderseits deuten unsere Ergebnisse auf die Notwendigkeit hin, den Anfangszustand des Meereises auf eine Art und Weise zu erfassen, die über die Meereiskonzentration allein hinausgeht. Neue, durch satellitengestützte Fernerkundung gewonnene Eisdicke-Messungen werden essenziell sein, um die Zuverlässigkeit von sub-saisonalen und saisonalen Vorhersagesystemen in naher Zukunft zu verbessern. „Saisonabhängige Modellabweichungen spielen eine kritische Rolle in der eingeschränkten Zuverlässigkeit der Vorhersagen. Somit brauchen wir gezielte Maßnahmen, um die Genauigkeit gekoppelter Modelle in der Arktis zu verbessern und letztendlich systemische Fehlerquellen in den Modellberechnungen zu reduzieren“, sagt Zampieri zusammenfassend.

Literatur

Zampieri, L., Goessling, H. F., & Jung, T. (2018). Bright prospects for Arctic sea ice prediction on subseasonal time scales. Geophysical Research Letters, 45, 9731–9738. doi.org/10.1029/2018GL079394 

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