Meereisentwicklung in der Arktis
Nachdem das Jahr 2020 in der Arktis mit vielen Rekorden aufwarten konnte, ist die Jahreswende eher weniger spektakulär verlaufen, wie eine genauere Betrachtung der Monate Dezember und Januar zeigt. Die Eisausdehnung im Dezember 2020 betrug 11,94 Mio. km2 im Monatsmittel, war damit die drittniedrigste Eisausdehnung seit 1979 und setzte den langjährigen, mit etwa 3,3 % pro Dekade abnehmenden Trend fort. Die Meereisausdehnung lag im Monatsmittel etwa 0,97 Million km2 unterhalb des Dezember-Mittels der Jahre 1981 bis 2010, jedoch 0,5 Mio. km2 oberhalb des Negativrekords aus dem Jahr 2016. Insbesondere im Beringmeer und in der Barentssee war die Eisausdehnung niedriger als das langjährige Mittel. Am 31. Januar 2021 betrug die Meereisausdehnung in der Arktis 14,29 Mio. km2 (Abb. 1) und erreichte damit in etwa die Eisausdehnung der letzten zwei Jahre. Im langjährigen Trend des Monatsmittels für Januar liegt das Jahr 2021 mit 13,63 Mio. km2 an siebter Stelle (Abb. 2). Auch hier ist im Langzeitvergleich eine Abnahme in Höhe von etwa 2,8 % pro Dekade zu verzeichnen. Lediglich die räumliche Verteilung ist unterschiedlich gegenüber 2020, da in der Barentssee und nördlich von Spitzbergen weniger Eis vorhanden ist, während in der Grönlandsee, im Beringmeer und im Ochotskischen Meer das Meereis weiter nach Süden vorgestoßen ist (Abb. 3). Die Wachstumsrate des Meereises im Monat Januar betrug 47.518 km2 pro Tag. Dies entspricht ziemlich genau einem täglichen Zuwachs an Meereis von der Fläche Niedersachsens.
Besonders prägend für die aktuelle Wintersaison in der Arktis ist die Temperaturanomalie, die in der Laptewsee, der zentralen Arktis und über Ostgrönland und dem Norden Kanadas im Dezember bereits bis zu 5°C oberhalb des langjährigen Mittels von 1971 – 2000 lag (Abb. 4 oben links). In Sibirien herrschten demgegenüber im Mittel etwa 2 °C kältere Temperaturen vor, mit lokalen Kälterekorden von -49 °C in Tomsk. Dieser Trend setzte sich im Januar des Jahres in verstärkter Form fort. Über der zentralen Arktis, Nordgrönland, Nordkanada und Alaska erstreckte sich eine Temperaturanomalie gegenüber dem Langzeitmittel von 3 ° - 6 °C. Dem gegenüber lagen die Temperaturen in Sibirien 6 bis 8 Grad unter dem langjährigen Temperaturdurchschnitt. Die mit diesem Temperaturmuster im Januar verbundene atmosphärische Zirkulation wurde von hohem Druck über Sibirien und niedrigem Druck über dem nördlichen Nordatlantik und dem Nordpazifik dominiert. Die Karte der Bodenluftdruckanomalie (Abweichung des mittleren Luftdrucks auf Meeresspiegelniveau gegenüber dem klimatologischen Bezugszeitraum 1971 – 2000) zeigt ausgedehnte Bereiche niedrigen Luftdrucks über dem Nordatlantik und Nordpazifik (negative Luftdruckanomalie), während sich ein Gebiet hohen Luftdrucks (positive Anomalie) von Grönland über die zentrale Arktis bis nach Russland erstreckt (Abb. 4 unten rechts).
Dieses typische Zirkulationsmuster - auch als Arktische Oszillation (AO) bekannt – beschreibt die Veränderungen der Luftdruckgegensätze in Bodennähe zwischen den arktischen und mittleren Breiten auf der Nordhalbkugel und entsteht durch die großen Temperaturunterschiede zwischen beiden Regionen. Während die AO sich für den Großteil des Novembers in einer stark positiven Phase befand, drehte sich diese für fast den gesamten Dezember in eine negative Phase um. Als Ergebnis dieses Wechsels der AO-Phase bildete sich im Dezember ein Luftdruckmuster mit hohem Druck über dem Arktischen Ozean, einem sehr hohen Hochdruck in der Beaufortsee und niedrigem Druck über dem Atlantik und der pazifischen Subarktis. Im Allgemein besteht eine starke Kopplung zwischen der Arktischen Oszillation in der unteren Troposphäre und der Stärke des Polarwirbels in der Stratosphäre bzw. höheren Troposphäre. Eine positive AO-Phase ist durch eine Verstärkung des Polarwirbels gekennzeichnet.
Der polare Jetstream und das Wetter in Europa
In der positiven AO-Phase ist der polare Jetstream stärker ausgeprägt und das Zirkulationsmuster treibt im Winter die warme Atlantikluft durch überwiegend starke Westwinde nach Nordeuropa und Sibirien sowie in die Polregionen (Abb. 5). In der negativen AO-Phase kann der Polarwirbel als geschwächt bezeichnet werden und es kann hingegen kalte Polarluft weiter nach Süden vordringen. Infolge können kühlere arktische Temperaturen weit bis nach Europa vordringen. Diese atmosphärische Zirkulationsmuster hat sich derzeit eingestellt und ist mitverantwortlich für die kalten Temperaturen und winterlichen Bedingungen über Norddeutschland. Aber auch die Kaltlufteinbrüche über Nordamerika mit Schneefällen und extrem niedrigen Temperaturen bis New York sind durch den geschwächten Polarwirbel verursacht.
Auf unserer Erde gibt es über den Polen der Arktis und Antarktis sogenannte Polarwirbel - diese sind sehr großräumige Tiefdrucksysteme in der mittleren und oberen Troposphäre. Dabei handelt es sich um Kaltluftzonen, welche aufgrund der negativen Strahlungsbilanz der Pole zustande kommt. Der Zusammenbruch des Polarwirbels geht einher mit einer plötzlichen Erwärmung in der Stratosphäre (in etwa 15 bis 50 Kilometern Höhe). In der darunter liegenden Schicht der Atmosphäre liegt der Jetstream, der von Westen nach Osten verläuft. Beide Systeme beeinflussen sich gegenseitig und auch unser Wetter. Ein schwacher Polarwirbel beeinflusst den Jetstream. Hierdurch steigt am Boden die Wahrscheinlichkeit, dass eisige Polarluft von der Arktis in den Süden gelangt. Extreme Vorgänge in der Stratosphäre sind zwar nur von kurzer Dauer, doch sie können unser Wetter über mehrere Monate beeinflussen. Ob sich der Polarwirbel in den kommenden Wochen weiter abschwächen und unser Wetter beeinflussen wird, kann man noch nicht sagen.
Meereisentwicklung in der Antarktis
Wie auch in der Arktis ist die Meereisausdehnung in der Antarktis im Dezember und Januar als durchschnittlich zu bezeichnen. Nach vier Jahren minimaler Eisausdehnung im Dezember weist die Meereisfläche einen Wert auf, der dem leicht abnehmenden langjährigen Trend von etwa 1,1 % pro Dekade der letzten 41 Jahre entspricht (Dezembermittel 10,0 Mio. km²) (Abb. 6). Die Meereisschmelze ist im Monat Dezember am Größten im Jahr. Sie betrug etwa 239.287 km² pro Tag, was einer Fläche vergleichbar mit Rumänien entspricht und fand im Wesentlichen im östlichen Weddellmeer und in der Lasarew-See sowie im südlichen Rossmeer statt.
In einer aktuellen Studie stellten Handcock und Raphael (2020) fest, dass in der Antarktis ein Großteil der Abweichungen gegenüber der mittleren Meereisausdehnung vom Zeitpunkt des Eisverlustes abhängt. Unter der Annahme, dass die Eisausdehnung jeden Tag erheblich abnimmt, ist der Einfluss des Zeitpunktes des Beginns und des Endes des Eisverlustes bzw. -zuwachses entscheidend, da bereits einige Tage Abweichung schon zu einem relativ großen Unterschied zur durchschnittlichen Eisausdehnung führen können. Die Ursachen für ein früheres oder späteres Einsetzen des Eisverlustes, wie zum Beispiel Wetter- oder Ozeaneinflüsse auf den zyklischen Jahrestrend, haben daher langanhaltende Auswirkungen, wenn sie so die Phase des Zyklus verändern (Quelle: NSIDC).
Der Eisrückgang in der Antarktis hat sich im Januar 2021 mit durchschnittlich 92.247 km² pro Tag verlangsamt und hat am Ende des Monats eine Fläche von 3,40 Mio km² erreicht (Abb. 7). Insbesondere im östlichen Weddellmeer hat sich entlang der Küste von Dronning-Maud-Land bis zum südlichen Filchner Schelfeis eine Küstenpolynja geöffnet, die ein Vordringen des Forschungseisbrechers Polarstern während des kommenden Fahrtabschnitts bis vor das Filchner-Ronne Schelfeis erleichtern würde. Es bleibt abzuwarten, ob diese günstigen Eisbedingungen in den kommenden Wochen anhalten. Im Vergleich zum letzten Jahr ist deutlich weniger Eis im nordwestlichen Weddellmeer sowie im östlichen Ross Meer vorhanden, während im Küstensaum der Ostantarktis, in der Amundsensee sowie im östlichen Weddellmeer noch größere Meereisflächen existieren (Abb. 8). Die aktuelle Position des FS Polarstern und der Fahrtverlauf während der Antarktisexpedition können hier mitverfolgt werden.
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