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Meereis in der Arktis erreicht sommerlichen Tiefststand

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Das arktische Meereis hat am 7. September 2024 mit einer Fläche von 4,39 Millionen Quadratkilometern sein sommerliches Minimum erreicht. Damit ist das Meereisminimum 2024 das neuntniedrigste in der fast 45-jährigen Geschichte der Satellitenbeobachtungen.

Auch wenn in diesem Jahr kein neues Rekordtief erreicht wurde, liegt die Eisausdehnung konstant am unteren Ende der zwischen 1981 und 2010 beobachteten Werte (Abbildung 1).

Betrachtet man das bisherige Monatsmittel aus den ersten 17 Tagen des Monats September, erhält man einen vorläufigen Monatsmittelwert von 4,43 (± 0,05) Millionen Quadratkilometer, was derzeit dem drittniedrigsten Wert seit 1979 entspricht (Abbildung 2; Abbildung 11)). Bis zum Ende des Monats und abnehmender Schmelze wird sich dieser Wert jedoch noch verändern. Generell setzt sich der negative Trend in der sommerlichen Eisausdehnung also auch in diesem Jahr fort, mit entsprechenden Auswirkungen nicht nur auf die Arktis selbst und dessen Ökosystem, sondern auch auf das globale Wettergeschehen.

In diesem Beitrag fassen wir die Prozesse, die das Meereis im letzten Jahr beeinflusst haben, zusammen und resümieren, wie gut die Vorhersagen seit Juni für das Meereisminimum im September 2024 mit der Realität übereinstimmen. Außerdem geben wir einen kurzen Überblick über vergangene und laufende Expeditionen, auf denen Meereismessungen in diesem Sommer durchgeführt wurden. 

 

Satellitendaten zeigen Abnahme der Dicke von besonders altem Eis

Der sommerlichen Schmelzperiode ging ein relativ warmer Winter voraus. Überdurchschnittlich hohe Temperaturen in 925 hPa (ca. 750 m über der Oberfläche) prägten im Januar und Februar 2024 die gesamte Arktis (Abbildung 3). Es folgten März und April mit ebenfalls überdurchschnittlichen Temperaturen in der Nähe Kanadas und Grönlands, während entlang der sibirischen Küste niedrigere Temperaturen vorherrschten (Abbildung 4). Als Folge des warmen Winters zeigen thermodynamische Modelle ein deutlich reduziertes Eiswachstum, insbesondere in den Regionen mit besonders altem und dickem Eis nördlich des kanadischen Archipels. Eisdickenmessungen der Satelliten CryoSat-2/SMOS zeigen an diesen Stellen ausgeprägte negative Anomalien (Abb. 5). Dickeres Eis als üblich wurde von CryoSat-2/SMOS in der eurasischen Arktis registriert, was sowohl auf stärkeres Eiswachstum im März/April als Folge niedrigerer Temperaturen (vgl. Abbildung 4) als auch auf starke Deformationsprozesse durch konvergente Eisbewegung zurückzuführen sein kann. Ungewöhnlich war auch der eher geringe Export (Abbildung 6) von neu gebildetem Eis von den russischen Schelfen in die zentrale Arktis und die Framstraße.

 

Sommerliches Schmelzen

Mit Beginn des Frühlings stiegen die Temperaturen in der gesamten Arktis an und das Eis begann sich mit einer Geschwindigkeit zurückzuziehen, die zunächst dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre entsprach (siehe Abbildung 1). Die atmosphärischen Bedingungen waren dabei eher wechselhaft und regional unterschiedlich. Im Juni bildete sich in der zentralen Arktis dann eine stabile Hochdruckzelle, die mit wolkenlosen Bedingungen und verstärktem Wärmeeintrag einherging (Abbildung 7). In der Folge beschleunigte sich der Eisrückgang in den Sommermonaten deutlich, bis Ende Juli entlang der sibirischen Küste und in der Beaufortsee nur noch vergleichsweise wenig Eis vorhanden war (Abbildung 8). Lediglich in der Ostsibirischen See (Wrangel-Insel) hielt sich das Eis wie auch in den letzten drei Jahren (2021-2023) relativ lange, so dass die Nordostpassage erst Mitte August nahezu eisfrei wurde. Die Nordwestpassage war zu diesem Zeitpunkt bereits befahrbar. Im August waren die Temperaturen und auch die Windgeschwindigkeiten mit Ausnahme der Karasee und der Wandelsee wieder leicht unterdurchschnittlich. Die mäßige Eisdriftgeschwindigkeit und die niedrigen Temperaturen im August könnten den Eisrückgang im August und in der ersten Septemberwoche dann zumindest begrenzt haben. Die satellitengestützten Messungen der Oberflächentemperaturen zeigen jedoch auch in diesem Jahr erneut stark erhöhte Werte in den Randmeeren – ein Phänomen, das sich mittlerweile ausnahmslos jedes Jahr beobachten lässt (Abbildung 9).

 

Prognosen nahe an der Realität

AWI-Forschende haben in der Vergangenheit verschiedene Methoden verwendet, um die Meereisausdehnung im September einige Monate im Voraus vorherzusagen. In diesem Jahr kam dazu erstmals ein gekoppeltes Atmosphäre-Ozean-Meereismodell zum Einsatz, das AWI Coupled Prediction System. Nach der Einspeisung aktueller Beobachtungsdaten in das Modell wurden Vorhersagen zu Beginn der Monate Juni bis September gestartet. Dabei bilden jeweils 30 einzelne Simulationen ein Vorhersage-Ensemble, welches auch Unsicherheiten abbildet. Die am 1. Juni gestartete Vorhersage hat die spätsommerlich Meereisausdehnung tendenziell überschätzt (Abbildung 10). Insbesondere die zügige Abnahme der Ausdehnung im Juli und August wurde unterschätzt, sodass höhere Meereis-Wahrscheinlichkeiten am 7. September vor allem Richtung Beaufortsee und Ostsibirischer See erwartet wurden. Bereits die Vorhersage ab 1. Juli hat die zügige Abnahme jedoch weitestgehend richtig vorhergesagt, und wie zu erwarten gewinnen die später gestarteten Vorhersagen zunehmend an Schärfe.

 

Messungen vor Ort in 2024

Die satelliten- und modellgestützten Analysen werden auch in diesem Jahr durch Beobachtungen vor Ort ergänzt. So werden derzeit umfangreiche Eisdicken- und Oberflächenmessungen im Umfeld des Forschungseisbrechers Polarstern durchgeführt. Das Schiff befindet sich aktuell in der zentralen Arktis. Das dort angetroffene Eis stammt, wie im letzten Jahr auch, überwiegend aus der westlichen Arktis. Die Dicke des ebenen Eises ohne Presseisrücken beträgt derzeit etwa 1,3 Meter. Im Vergleich dazu wurden in der gleichen Region in den vergangenen Jahren geringere Dicken (ca. 0,8 m bis 1,0 m) beobachtet. Damals stammte das Eis allerdings überwiegend aus der östlichen Arktis und war im Sommer teils höheren Temperaturen ausgesetzt. Anhand der beobachteten Unterschiede versuchen die Forschenden nun die Auswirkungen unterschiedlicher Eisherkünfte auf das Ökosystem und die sommerliche Eisschmelze besser zu verstehen.

Neben den Messungen vom Schiff aus wurden auch in diesem Jahr wieder Forschungsflugzeuge eingesetzt. So wurden im Spätwinter mit Polar-5 Befliegungen des Eises in der kanadischen Arktis und in der Framstraße durchgeführt (Kontakt: Christian Haas (AWI)). Die Flugzeugmessungen liefern neben der Eisdicke auch Informationen über die Mächtigkeit der Schneedecke, die mit Satelliten bisher nur unzureichend erfasst werden kann. In den Sommermonaten fand eine zweite Flugzeugkampagne nördlich von Grönland und in der Framstraße statt (Kontakt: Jack Landy (Universität Tromsoe)). Ziel war es insbesondere, Daten zu sammeln, um die Qualität der satellitengestützten Eisdickenabschätzungen im Sommer zu verbessern.

 

Kontakt

Dr. Thomas Krumpen (AWI)

Dr. Klaus Grosfeld (AWI)

Dr. Renate Treffeisen (AWI)

Prof. Dr. Christian Haas (AWI)

Dr. Svetlana N. Losa (AWI)

Dr. Lars Kaleschke (AWI)

Dr. Jack C. Landy (UiT)

Dr. Helge Goessling (AWI)

Dr. Stefan Hendricks (AWI)

Dr. Marcel Nicolaus (AWI)

Dr. Nicklas Neckel (AWI)

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