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Meereis-Boje nach langer Reise durch die Arktis wieder geborgen

Die Geschichte einer Thermistorboje, die am 14.09.2018 in der Arktis ausgebracht wurde und am 01.03.2021 in Bremerhaven nach 900 Tagen wieder angekommen ist.

Wann wurde die Boje ausgebracht und welchen Weg hat sie zurückgelegt?

Die Boje mit dem Kürzel 2018T52 wurde im Rahmen einer deutsch-russisch-amerikanischen Kooperation (Projektnamen: NABOS / TRANSDRIFT / TICE) während der vom 18. August 2018 bis 29. September 2018 dauernden ARKTIKA 2018 Expedition auf dem russischen Eisbrecher Akademik Tryoshnikov im russischen Sektor des Arktischen Ozeans ausgebracht. Über die während der Expedition ausgebrachten Bojen wurde bereits hier berichtet.

Das Messprogramm (Multidisciplinary Ice-based Distributed Observatory - MIDO) sah vor, die Bojen in sogenannten Arrays (Messfeldern) in der nördlichen Laptew- bzw. Ostsibirischen See auf das Eis zu bringen (siehe Abbildung 2). In einem Array, wurden Eismassenbilanzbojen, zu denen auch 2018T52 gehört, und Schneebojen zusammen auf insgesamt drei kleinen Schollen (100 - 200 m Durchmesser) aufgestellt. Im Zentrum dieser drei kleinen Schollen, wurden komplexe, mehrschichtige biooptische Bojen zusammen mit einer Schneeboje auf einer größeren zentralen Scholle ausgebracht. Für den Aufbau auf den kleinen Schollen können bis zu drei Stunden, für die großen Schollen bis zu acht Stunden gebraucht werden.

Im Zeitraum vom 11. - 16.09.2018 wurden zwei komplette Arrays mit insgesamt 19 Bojen in der Ostsibirischen See ausgebracht. Die Region der Ausbringung befindet sich im südlichen Makarow Becken, östlich des Lomonosov Rückens und etwa 610 km südöstlich der Startposition der MOSAiC-Expedition, die etwa ein Jahr später bei 85.08°N, 134,43°O ihre Drift startete. Die Boje 2018T52 wurde am 14.09.2018 von Miriam Hansen (Uni Kiel / GEOMAR), Simon Hummel (AWI) und H. Jakob Belter (AWI) im Eis verankert (Position: 80.76°N, 163.18°O) (Abbildung 1 Mitte und rechts) und hat kontinuierlich bis zum 04.07.2020 Daten gesendet. Sie hat auf ihrem weiteren Weg mit der Transpolar Drift nach ca. 2240 km Luftlinie, aber einer realen Driftstrecke mit dem Meereis von ca. 4920 km die Framstraße etwa vier Monate vor der MOSAiC Scholle erreicht, obwohl sie über ein Jahr vor dem Start von MOSAiC ausgebracht wurde (Abb. 3).

Fund der Boje

Thermistorbojen sind eigentlich nicht schwimmfähig und fallen ins Meer, sobald das Eis die Boje nicht mehr tragen kann. Das bedeutet, dass diese Bojen meist nicht geborgen werden können und verloren gehen. Die Boje 2018T52 erreichte jedoch am 04.07.2020 die Insel Jan Mayen, eine kleine Vulkaninsel ca. 550 km nördlich von Island in der Grönlandsee (siehe Abb. 3). Dort wurde sie am 6. Oktober 2020 am Strand von Jan Mayen von den Cheftechnikern Pål Lunde und Jared Elgvin der Wetterstation in der einzigen Siedlung Olonkinbyen gefunden. Sie haben mit Jakob Belter vom Alfred-Wegener-Institut Kontakt aufgenommen und den Koffer mit der Messeinheit zurück nach Bremerhaven geschickt (Foto 1 und 2). Die Boje ist dann am 01.03.2021 in Bremerhaven angekommen, genau 900 Tage nachdem sie auf die Scholle gesetzt wurde. „Ich war sehr überrascht, als ich den Anruf erhielt! Es ist schon außergewöhnlich, dass so eine Boje nach so einer langen Drift und Geschichte auf dem Eis das Schmelzen übersteht, dann an einer Küste angespült und auch noch gefunden wird! Damit hat diese Boje nicht nur einen langen und wertvollen Datensatz geliefert, sondern ist dazu noch ein ganz besonderes Erinnerungsstück“, beschreibt Jakob Belter seine Freude. „Von dieser Boje und ihrer Geschichte können wir lernen und zukünftige Bojen so konzipieren, dass sie generell schwimmen und wir sie hoffentlich häufiger zurückbekommen.“

Nutzung der Daten

Schon bevor 2018T52 wieder nach Bremerhaven kam, hat Simon Hummel, der 2018 mit auf dem Eis stand, angefangen, mit den Eisdickendaten der damals ausgebrachten Bojen zu arbeiten. Damals war er als studentische Hilfskraft mit an Bord der Akademik Tryoshnikov und heute untersucht er die Daten im Rahmen seiner Masterarbeit, um zum einen das thermodynamische Eiswachstum während der Drift und zum anderen anhand der Positionsdaten auch die Verschiebung der Bojen zueinander und damit das dynamische Eiswachstum zu bestimmen. Zusätzlich verwendet er die Daten zur Validierung von Meereiswachstumsmodellen, um in Zukunft bessere Vorhersagen des Arktischen Meereises entlang der Transpolar Drift zu ermöglichen.

Hintergrund über Bojenmessungen

Auf dem Meereis der Arktis und Antarktis installierte Messsysteme, sogenannte Lagrangesche Bojen, spielen eine besonders wichtige Rolle zum Verständnis des polaren Klimasystems. Mit ihrer Hilfe werden die Entwicklungen und insbesondere die Veränderungen des Meereises im Zusammenspiel mit Atmosphären- und Ozeaneigenschaften dokumentiert, wodurch sich ein besseres Gesamtbild dieses Systems ergibt.

Häufig eingesetzte Meereisbojen sind beispielsweise die recht einfachen GPS-Drifter (auch als „Surface Velocity Profiler“ bezeichnet), oder die komplexeren Schnee- oder Meereismassenbilanz-Bojen, die neben meteorologischen Größen kontinuierlich auch die Meereis- und Schneedicke messen. Diese Instrumente stellen eine ideale Ergänzung zu den Beobachtungen von Satelliten dar, die eine hohe räumliche Abdeckung vorweisen. Daten dieser Bojen werden auch über meereisportal.de zur Verfügung gestellt. Hier können die Drifttrajektorien sowie die individuellen Messgrößen in nahezu Echtzeit eingesehen und heruntergeladen werden. 

Aber auch über diesen Einsatzzweck hinaus leisten die meereisbasierten Bojen einen wichtigen Beitrag für die Wettervorhersagen der Polargebiete. Sie messen beispielsweise den Luftdruck und die Lufttemperatur über den polaren Ozeanen und übermitteln diese Daten zusammen mit der GPS Position innerhalb weniger Minuten in das Globale Telekommunikations-System (GTS) der WMO (World Meteorological Organisation). Von dort aus sind diese Messungen dann für jedermann frei zugänglich, wovon vor allem die Vorhersagemodelle der verschiedenen Wetterdienste und meteorologischen Organisationen profitieren.

Thermistorbojen bieten die Möglichkeit, die verschiedenen Medien Luft, Eis und Wasser anhand ihrer unterschiedlichen thermischen Leitfähigkeiten zu unterscheiden. Dazu wird zunächst regulär die Temperatur aufgezeichnet. Die Thermistoren werden dann für eine kurze Zeitdauer aufgeheizt und die Temperatur nach einigen Sekunden erneut aufgezeichnet. Die Differenz dieser Werte ist abhängig von der Fähigkeit des Mediums, die entstandene Wärme abzutransportieren und gibt somit Aufschluss über dessen thermische Leitfähigkeit. Im Tiefenprofil erkennt man daher Sprünge in der Temperaturdifferenz, die auf Grenzflächen zwischen verschiedenen Medien, beispielsweise von Schnee zu Eis oder von Eis zu Wasser, hindeuten. Durch diese Messmethode besteht auch im Sommer, wenn die Temperatur von Meereis und Ozean nahezu gleich ist, die Möglichkeit, die Lage der Eisunterseite in den Profilen abzuleiten. Die Messung der Leitfähigkeit erlaubt es ebenfalls, Informationen über die Schneedicke abzuleiten (siehe Abbildung 1 rechts).

Veröffentlichung

Lei, R., M. Hoppmann, B. Cheng, G. Zuo, D. Gui, Q. Cai, H. J. Belter, W. Yang, 2021. Seasonal changes in sea ice kinematics and deformation in the Pacific sector of the Arctic Ocean in 2018/19, The Cryosphere, 15, 1321-1341, doi.org/10.5194/tc-15-1321-2021

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