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Kartenprodukt „Mehrjähriges Eis“ - nun auch für Antarktis abrufbar!

Antarktis Arktis

Neben der Eisausdehnung und der Eisdicke ist auch das Eisalter eine wichtige Größe für die Charakterisierung und Genese von Meereis.

Neben der Eisausdehnung und der Eisdicke ist auch das Eisalter eine wichtige Größe für die Charakterisierung und Genese von Meereis! Denn mit dem Eisalter verändern sich auch die physikalischen Eiseigenschaften wie Eisdicke, Salzgehalt oder Verformbarkeit (Deformation) des Meereises, die dann wiederum für den Jahreszyklus, das Schmelzen sowie die Eisdrift von großer Bedeutung sind. Darüber hinaus ist die Kenntnis des Meereistyps für unterschiedliche Anwendungen entscheidend, sei es bei der Navigation von Schiffen in eisbedeckten Meeresgebieten, bei der Modellierung des Eis-Ozean-Atmosphäresystems oder aber auch generell bei der Fernerkundung anderer, mit dem Meereis verbundener Größen, wie z. B. der Dicke der Schneeauflage auf dem Meereis. Mit dem beschleunigten Rückgang des mehrjährigen Eises in der Arktis hat die tägliche Kartierung dieses Eistyps für viele Anwendungen an Bedeutung gewonnen.

Folgende Eistypen werden grundsätzlich bei der Klassifikation von Meereis unterschieden:

  • Junges Eis („young ice“, YI): bezeichnet dünnes, bis 30 cm dickes, neu-gebildetes Eis. Es enthält einige Untertypen, wie beispielsweise Nilas und Pfannkucheneis (Abb.1). Seine Oberfläche kann glatt oder rau sein.
  • Erstjähriges Eis („first-year ice“, FYI): Dieser Meereistyp wird während der kalten Jahreszeit (Frostsaison) gebildet. Es hat eine Dicke über 30 cm. Seine Oberfläche kann eben, rau oder zerfurcht sein.
  • Mehrjähriges Eis („multiyear ice“, MYI): Hiermit wird dasjenige Eis bezeichnet, das mindestens einen Sommer (Schmelzsaison) überdauert hat. Es ist weniger salzig und meist rauer als FYI.

Bereits seit 2019 hat sich die Arbeitsgruppe „Fernerkundung der polaren Regionen“ am Institut für Umweltphysik der Universität Bremen (IUP) mit der Entwicklung und Implementierung des Auswertealgorithmus zur Eistypenbestimmung beschäftigt. Resultat war ein Kartenprodukt, dass „Mehrjähriges Eis“ in der Arktis detektiert und in einer flächenhaften Darstellung als Konzentration darstellt. So können Flächen des Meereises auch einem Eisalter zugeordnet werden und somit Aussagen zur dynamischen Entwicklung abgeleitet werden.

Dr. Christian Melsheimer, Physiker am IUP, beschäftigt sich seit vielen Jahren unter anderem mit der Entwicklung von Auswertealgorithmen zur Eistypenklassifizierung. „Die MYI-Daten stammen von einer neuen, satellitenbasierten Erhebungsmethode des Meereistyps in der Arktis, mit der prinzipiell junges Eis (YI), erstjähriges Eis (FYI) und mehrjähriges Eis (MYI) unterschieden werden können. Für diese werden aktive und passive Mikrowellendaten (Radar-Scatterometer bzw. Radiometer) verwendet. Dieses Verfahren wurde ursprünglich für die Arktis entwickelt und kürzlich auch an die antarktischen Bedingungen angepasst.“ Diese Anpassung war notwendig, da sich das Meereis in der Antarktis vom Meereis in der Arktis physikalisch unterscheidet. Dies hat Auswirkungen auf die Mikrowellenemission und -streuung des Meereises und somit auf die Detektion von Mehrjährigem Eis.

Meereis wird umso dicker, je kälter die Atmosphäre ist, da so dem Eis und dem Wasser darunter mehr Wärme entzogen wird und höhere Gefriergeschwindigkeiten entstehen. Da aber das Eis mit wachsender Dicke das Meer darunter immer besser isoliert (d. h., vor Abkühlung schützt), kann Meereis allein durch Abkühlung nur bis auf eine Dicke von wenigen Metern anwachsen. Allerdings ist das im Wasser schwimmende Eis dem Wind und den Meeresströmungen ausgeliefert, die es beständig bewegen (Meereisdrift). Hierbei kann das Meereis deformiert werden, d. h. zusammengeschoben, übereinander geschoben und aufeinandergepresst werden, was die Eisdicke deutlich erhöht. Es können sich sogenannte Presseisrücken bilden, die Dicken von bis zu zehn Metern erreichen können.  Mehrjähriges Eis unterliegt häufig diesen dynamischen Prozessen und kann dadurch größere Dicken von mehreren Metern erreichen. Die Bildung von Meereis setzt sich also aus unterschiedlichen, teilweise parallel verlaufenden, thermodynamischen (Abkühlung) und dynamischen Prozessen (Verschiebung, Deformation) zusammen.

Der Meereisphysiker Dr. Christian Melsheimer erklärt: „In der Antarktis sind die Bedingungen, unter denen sich Meereis bildet und wieder schmilzt, anders als in der Arktis, denn die ozeanographischen und meteorologischen Bedingungen in beiden Polarregionen sind sehr verschieden“. Der Arktische Ozean um den Pol ist von Landmassen umgeben, während die Antarktis ein Kontinent am Pol ist, der von Meer umgeben ist. Dementsprechend finden grundsätzlich unterschiedliche Strömungen in Ozean und Atmosphäre statt, die Auswirkungen auf die Eisbildung haben. Beispiele für diese Unterschiede sind, dass die Schneeauflage auf dem Meereis in der Antarktis meist dicker als in der Arktis ist. Demgegenüber ist das Dickenwachstum in der Antarktis meist geringer, da hier der Wärmefluss vom Ozean größer als in der Arktis ist. Der Einfluss von Wind und Wellen am Eisrand durch den offenen Ozean ist in der Antarktis stärker.

„Die Herausforderung bei der Bestimmung von mehrjährigem Eis ist, dass das Signal des Scatterometers oder Radiometers direkt an der Küste durch den Einfluss des Landes verfälscht wird, was zu fehlerhaften MYI-Konzentrationen führt. Daher wird in den ersten zehn Tagen der Saison das MYI in einer Zone der Breite des kleinesten Bildelementes (sog. Pixels) entlang der gesamten Küste aus den Daten entfernt, es sei denn, es ist mit dem der Küste vorgelagerten MYI verbunden“, erklärt Christian Melsheimer. Da die Datengewinnung während der Schmelzsaison nicht funktioniert, weil die Auswertemethode bei Vorhandensein von flüssigem Wasser in der obersten Schicht des Eises keine Eistypen mehr differenzieren kann, umfassen die Daten für das MYI nur die Monate der Gefriersaison, Oktober bis Mai für die Arktis bzw. Februar bis Oktober für die Antarktis.

Während in der Arktis das Meereis im Sommer seit den 80er Jahren um fast die Hälfte zurückgegangen ist und Eis, das älter als zwei Jahre ist, nur noch etwa ein Fünftel der Fläche der Arktis bedeckt (Abb. 2), ist die Eisausdehnung in der Antarktis zum Ende der Frostsaison seit Beginn der Satellitenaufzeichnung nahezu konstant bzw. nimmt sogar mit 0,5 % pro Dekade zu. Seit 2014 gibt es allerdings starke Fluktuationen wie sie zuvor noch nicht beobachtet wurden. Im Gegensatz zur Arktis schmilzt das Meereis in der Antarktis im Jahresgang jedoch zu zwei Dritteln, so dass im Verhältnis zur maximalen Eisausdehnung am Ende des Winters generell nur wenig MYI den Jahresgang überdauert.

Abbildung 3, links zeigt die Karte des Eiskonzentration von mehrjährigem Eis für den 20. Februar 2022, dem ersten Tag verfügbaren Datensatz zu Beginn der Gefriersaison 2022. Die Daten werden derzeit täglich aktualisiert und können hier abgerufen werden. Deutlich ist zu erkennen, dass insbesondere im südwestlichen Weddellmeer das größte Gebiet mehrjährigen Eises existiert. Diese Region an der Wurzel der Antarktischen Halbinsel überdauert üblicherweise in jedem Jahr die Schmelzperiode und weist daher auch Eisdicken von mehreren Metern auf. Ein weiterer Bereich mehrjährigen Eises ist in der Bellingshausen- / Amundsensee zu finden. Zum Vergleich ist in Abbildung 3, rechts die Eisausdehnung am selben Tag dargestellt. Nahezu das gesamte verbliebene Eis ist durch MYI charakterisiert.

Da sich die Gefriersaison in diesem Jahr noch in Mitten der Entwicklung befindet und voraussichtlich bis Ende Oktober andauern wird, ist die Karte des MYI zur maximalen Meereisausdehnung in der Antarktis am 30.08.2021 (Abb. 4, links) dargestellt. Während ein riesiger Packeisgürtel die Antarktis umgibt, ist das mehrjährige Eis durch Eisdrift ins nordwestliche Weddellmeer getrieben und hat sich in seiner Konzentration auch deutlich verringert. Der größte Teil des antarktischen Packeisgürtels ist durch erstjähriges Eis charakterisiert. Mehrjähriges Eis driftet mit der generellen Zirkulation, die durch Wind- und Ozeanströmungen auseinandergetrieben wird, und ist durch den Auswertealgorithmus nicht mehr flächig detektierbar. Dies wird durch die geringeren Eiskonzentrationen bei größerer Flächenausdehnung deutlich. Generell lässt sich feststellen, dass die Aktualisierung des MYI-Produktes und die Erweiterung auf die Antarktis sehr hilfreich für potentiellen Schiffsverkehr sowie für andere Wissenschaftszweige ist, die beispielsweise den Lebensraum und das Ökosystem des arktischen und antarktischen Meereises untersuchen.

Hier geht es zu dem neuen Datenprodukt.

Weitere Informationen zur Meereisbildung finden Sie unter:

www.meereisportal.de/meereiswissen/was-ist-meereis/entstehung-von-meereis/wachstum-von-meereis/

https://seaice.uni-bremen.de/multiyear-ice-concentration/

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Schematische Darstellung der Meereisentwicklung unter verschiedenen Bedingungen (geändert nach Lubin & Massom, 2006)