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Arktisches Meereis weiter auf dem Rückzug

Meereisminimum Meereisdicke Arktis

Der Sommer 2022 zeigte einmal mehr, dass die Meereisbedeckung durch langfristige Trends und kurzfristige, starke Jahr-zu-Jahr Schwankungen charakterisiert ist, die durch den Einfluss von Wetter und Meeresströmungen verursacht werden.

Die Sommermonate Juni bis August in Europa waren laut dem Copernicus Climate Change Service (Klimawandeldienst der Europäischen Kommission und der Europäischen Weltraumorganisation) die heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen und lagen 0,4° Celsius über den bisherigen Spitzenwerten der Jahre 2018 und 2021. Der Sommer war geprägt durch eine Vielzahl von Hitzewellen, langanhaltenden Trocken- / Dürreperioden, die eine große Anzahl von flächenhaften Waldbränden in vielen Teilen Europas, auch in Deutschland, zur Folge hatten. Laut einer von finnischen Wissenschaftler:innen veröffentlichten Studie des Meteorologischen Instituts in Helsinki ist die arktische Erwärmung stärker als bisher angenommen, und die Arktis hat sich in den vergangenen 43 Jahren fast viermal so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt. All dies sind Anzeichen einer zunehmenden Klimaerwärmung.

Betrachtet man jedoch die Meereisausdehnung als einen Indikator der arktischen Erwärmung so ist das Jahr 2022 kein außergewöhnlich warmes Jahr in der Arktis gewesen und das Meereis ist im Vergleich zu den letzten 15 Jahren nicht überdurchschnittlich geschmolzen. Die mittlere Eisausdehnung liegt im oberen Drittel der letzten 15 Jahre, aber weiterhin unterhalb der Werte vor 2006. Wie ist diese aktuelle Entwicklung in diesem Jahr zu bewerten?

Die mittlere Eisausdehnung eines jeden Monats verdeutlicht im Jahresgang den Zyklus des Frierens und Schmelzens der Meereisbedeckung. Sie ist Ausdruck der atmosphärischen Zirkulation, aber auch der ozeanischen Einflüsse auf das Meereis und ist das Ergebnis vielfältiger Einflüsse. Hierzu zählen darüber hinaus die Atmosphärentemperatur, aber auch die Wolkenbedeckung und die Windverhältnisse, die alle auf das Meereis einwirken und das Schmelzen und die Drift des Meereises beeinflussen. Durch den ozeanischen Wärmetransport werden Wassermassen an die Eisunterseite herangeführt, die das basale Schmelzen des Meereises hervorrufen. Ende August lag die tägliche Eisausdehnung noch bei 5,2 Millionen km² und das Monatsmittel rangierte auf Position 13 der Liste der Eisausdehnungen seit 1979 mit einem Wert von circa 6 Millionen km². Das diesjährige Meereisminimum wurde am 16.09.2022 erreicht und betrug 4,79 Mio. km² (Abbildung 4). Die Eisausdehnung umfasste am 25.09.2022 bereits wieder eine Fläche von etwa 5,18 Millionen km² und war somit vergleichbar zum Vorjahr zusammengeschmolzen (Abbildung 1, Abbildung 4, Abbildung 5). Der diesjährige Sommer hat wie im vergangenen Jahr der Eisdecke nicht außergewöhnlich stark zugesetzt, dennoch ist der negative Trend seit 1979 ungebrochen und beträgt etwa 12 % pro Jahrzehnt (Abbildung 2). Wir erwarten in diesem Jahr einen monatlichen Mittelwert von 5,0 +/- 0,2 Millionen km², der auf Platz 12 der Negativliste der Absolutwerte der mittleren Meereisausdehnung rangieren wird (Tabelle 1).

Betrachtet man die Meereisausdehnung und -konzentration jedoch etwas genauer, so sind in diesem Jahr einige Besonderheiten festzustellen, die das Jahr charakterisieren:

  1. Nachdem die winterliche Eisausdehnung in der Arktis, trotz eines Wärmeeinbruchs im Februar und März von mehr als 6° C oberhalb des langjährigen Trends in der zentralen Arktis, eine eher mittlere Ausdehnung gezeigt hatte, waren das Frühjahr und der Sommer insgesamt eher durch durchschnittliche Temperaturen (im Mittel 1 bis 3 °C oberhalb des langjährigen Trends) gekennzeichnet. Die Eisausdehnung verlief in allen Monaten April bis August deutlich oberhalb der abnehmenden langjährigen Trendlinie, lag aber immer unterhalb des langjährigen Mittels (vergleiche Abbildung 2 für den Monat September). Ausgedehnte Luftdruckzellen (Hoch- oder Tiefdruckgebiete) haben sich eher südlich des Polarkreises gebildet und einen direkten Luftmassenaustausch zwischen der zentralen Arktis und mittleren Breiten blockiert. Hierdurch kam es in der zentralen Arktis nicht zu Warmlufteinbrüchen. Die warmen Luftmassen haben die mittleren Breiten Europas mit Trockenheit und Hitze getroffen.
  2. Regional betrachtet verzeichnen die Ostsibirische See sowie die Laptewsee mehr Eis als in den vergangenen Jahren (Abb. 3). Dies ist die Folge der im Juni/Juli vorliegenden Wetterlagen (vergl. Abbildung 6), die den Transport von Meereis aus den russischen Randmeeren in die zentrale Arktis eingeschränkt, und so einer schnellen Verlagerung der Eiskante Richtung Norden entgegengewirkt hat. Auch in der Framstraße und Ostgrönlandsee ist eine deutlich größere Eisbedeckung zu beobachten, primär als Folge eines ausgeprägten Druckgradienten zwischen Grönland und Spitzbergen im Monat August.
  3. Eher ungewöhnlich war die Bildung großer offener Wasserflächen Anfang Juni in der zentralen Arktis (Abbildung 7). Das flächige Aufbrechen des geschlossenen Packeises an dieser Stelle ist einer divergenten Eisdrift als Folge eines großen Tiefdrucksystems über der nördlichen Laptewsee Ende Juni, geschuldet. Hierdurch wurde Eis in südlicheren Gefilden zurück Richtung russische Küste geschoben, während weiter nördlich gelegenes Eis Richtung Framsttraße verdriftet wurde.  Die Anomalie ist im in Laufe des Sommers weiter nach Westen verdriftet worden und blieb bis in den September hinein sichtbar. Eine am Ende des Winters eher unterdurchschnittliche Eisdecke in der Laptewsee und ostsibirischen See mag diese Entwicklung begünstigt haben.
  4. Sowohl die Nordwestpassage wie auch die Nordostpassage haben sich Ende August geöffnet (mehr Informationen hier).

Ein weiteres wichtiges Maß, welches die Geschwindigkeit beeinflusst, mit der sich das Eis in den Sommermonaten zurückzieht, ist neben den Lufttemperaturen und dem ozeanischen Wärmetransport, dessen Dicke am Ende des Winters. Hier zeigen Daten der ESA Satelliten CryoSat-2 und SMOS ein ebenfalls eher moderates Bild: Das Eisvolumen der Arktis im Winter 2021/2022 (Abb. 8) entsprach zwischen Oktober und April durchgängig dem langjährigen Mittel (2011 - 2021). Die Abwesenheit großflächiger Gebiete mit besonders dünnem Eis am Ende des Winters, zusammen mit einer reduzierten Transportgeschwindigkeit Richtung Framstraße (Abb. 9), wird einen positiven Effekt auf die sommerliche Eisausdehnung gehabt haben.

Eisdickenmessungen, die mit dem Polarflugzeug Polar 6 am Ende des Sommers in der Arktis durchgeführt wurden, lieferten Daten zur Variabilität und Änderungen der Meereisdicke und Oberflächeneigenschaften in der Framstraße und Umgebung. Im Vergleich zu früheren Messungen in der Region, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten durchgeführt wurden, entsprechen die gemessenen Eisdicken in etwa dem Durchschnitt der vergangenen 11 Jahre (2010 – 2021). Die Tendenz hin zu einer stetig abnehmenden Eisdicke setzt sich allerdings auch in 2022 fort. Das Meereisportal hat in einem separaten Bericht über die Ergebnisse der IceBird Kampagne berichtet.

„Auch wenn dieser Sommer keine neuen Rekorde in der Arktis gebrochen hat, so bleibt die Eisbedeckung im langjährigen Vergleich sehr niedrig und wir gehen davon aus, dass sich der langfristige Meereisrückzug fortsetzen wird. Dieser Sommer zeigt einmal mehr, dass die Meereisbedeckung durch langfristige Trends und kurzfristige, starke Jahr-zu-Jahr Schwankungen charakterisiert ist, die durch den Einfluss von Wetter und Meeresströmungen verursacht werden“., fasst Prof. Christian Haas, Leiter der Sektion Meereisphysik am AWI die Schmelzsaison 2022 zusammen. „Diese Schwankungen sind weiterhin schwer vorherzusagen und erfordern umfangreichere systematische und kontinuierliche Beobachtungen und bessere Klimamodelle“, ergänzt sein Kollege Dr. Gunnar Spreen von der Universität Bremen.

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