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Autonome Messungen

Autonome Messysteme, kurz Bojen genannt, messen die Eigenschaften und die Position des Meereises während es durch die Polarregionen driftet und sich im Verlauf der Jahreszeiten verändert. Diese Messungen entlang des Driftweges des Eises (der Trajektorie) sind besonders geeignet, um die Veränderungen der Eigenschaften ein und desselben Eispaketes über die Zeit zu erfassen, da die Messysteme mit dem Eis reisen. Diese sogenannte lagrangesche Betrachtungsweise liefert ein einzigartiges Verständnis für die Ursachen der Veränderungen des Meereises, das zumeist hohe zeitliche Auflösungen bietet (stündliche Messungen sind bei vielen Systemen der Standard).

Diese Betrachtungsweise unterscheidet sich von eulerischen Beobachtungen, etwa aus der Fernerkundung, die aus einem statischen System das sich bewegende Meereis vermessen. Bojen werden seit mehreren Jahrzehnten sowohl in der Arktis als auch in der Antarktis benutzt. Sie werden im Rahmen von Feldkampagnen im, auf oder unter dem Meereis ausgebracht, teilweise auch von Flugzeugen abgeworfen und senden ihre Daten zumeist via Satelliten an die Forschungsinstitute an Land.

Die Komplexität einzelner Bojensysteme ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von einfachen Positionsbojen über Schnee- und Massenbilanzbojen bis hin zu bio-physikalischen Plattformen, die von der Atmosphäre bis tief in den Ozean reichen und vielfältige Parameter in Luft, Schnee, Meereis und Ozean messen. Je nach Bojentyp können die Plattformen nach dem Schmelzen des Eises im offenen Ozean weitertreiben und messen oder sinken auf den Meeresboden.

Ein wesentlicher Parameter jeder Messung ist die aktuelle Position der Boje. Aus diesen Daten wird die Drift des Meereises bestimmt und zugleich liefert die Position die Ortsangabe der jeweiligen Messung. Die Arbeit mit autonomen Plattformen wird international innerhalb des International Arctic Buoy Program (IABP) und des International Program for Antarctic Buoys (IPAB) koordiniert. Eine umfangreiche Sammlung von Bojendaten befindet sich im Datenportal von meereisportal.de. Darüber hinaus stellen einzelne Institute, Projekte und Bojenhersteller ihre Daten auf ihren eigenen Internetseiten zur Verfügung.

Die einfachsten und zugleich langlebigsten autonomen Systeme sind Positionsbojen. Diese Bojen sind unter verschiedenen Produktnamen bekannt und senden in erster Linie (nur) ihre eigene Position. Diese Daten werden sowohl für wissenschaftliche als auch für logistische Anwendungen verwendet. Aus den Positionsdaten der Boje lässt sich die Drift des Meereises ableiten. Aus den Positionsdaten eines Netzwerks an Bojen lässt sich darüber hinaus auch die Bewegung und Deformation des gesamten Eisfelds analysieren, zum Beispiel das Öffnen von Rinnen (zunehmende Abstände) oder das Überschieben von Meereis und die Bildung von Presseisrücken (abnehmende Abstände). Der durch den Wind und die Strömung des Ozeans bedingte Transport des Meereises verteilt nicht nur das Packeis um, sondern beeinflusst auch Ausdehnung, Konzentration, Massenbilanz und Energiebilanz des Meereises. Die Daten können ebenfalls genutzt werden, um die Meereisdrift mit atmosphärischen Druckfeldern zu verknüpfen, Satellitendaten zu überprüfen, oder um Driftwege für Sedimentstudien am Meeresgrund zu rekonstruieren.

Viele Positionsbojen messen zusätzlich noch den Luftdruck und die Oberflächentemperatur. Diese beiden Parameter gehen zusammen mit den Positionsdaten in das Global Telecommunication System (GTS) der World Meteorological Organization (WMO) ein. Sie bilden damit einen wesentlichen Bestandteil für Wettervorhersagen und natürlich auch wissenschaftliche Arbeiten.

Positionsbojen werden häufig auch zum Markieren von anderen Geräten oder Eisschollen verwendet, da sie zuverlässig die Position des sich bewegenden Eises berichten. So werden sie unter anderem ausgebracht, um bei Flug- oder Feldkampagnen gleiche Schollen nach einiger Zeit wiederzufinden.

Die Massenbilanz des Meereises umfasst sowohl die Dicke als auch die Ausdehnung des Eises und ist ein wichtiger Indikator des Klimawandels. Die Massenbilanz ergibt sich dabei aus der Differenz der Eiswachstumsmenge im Winter und der im Sommer geschmolzenen Menge an Meereis an der Oberfläche und Unterseite einer Eisscholle. Beobachtet man die Bewegung einer einzelnen Eisscholle durch Raum und Zeit, so bilden die Veränderungen in der lokalen Massenbilanz zusammenfassend alle Bedingungen im Oberflächenenergiehaushalt und der ozeanischen Wärmeströme ab. Hieraus können Veränderungen an der Ober- und Unterseite des Eises unterschieden werden. So lässt sich beispielsweise untersuchen, ob das Meereis von oben oder unten schmilzt.

Messungen der Eisdicke und der Temperaturen im Meereis werden mindestens täglich (teilweise stündlich) durchgeführt. Zusammen mit meteorologischen und ozeanographischen Messdaten lassen sich treibenden Kräfte hinter den Meereisveränderungen analysieren. So können wichtige Hinweise über die Bedeutung von verschiedenen Antriebskräften auf die Meereismassenbilanz gewonnen werden, z. B. die unterschiedlichen Beiträge von Energieflüssen in/aus Atmosphäre und Ozean.

In den letzten Jahrzehnten wurden zahlreiche autonome Meereis-Massenbilanzbojen (IMB: ice mass-balance buoys) in der Meereisdecke verankert. Die von den derzeitigen Massenbilanzbojen gesammelten Daten können in drei Kategorien unterteilt werden:

  • Meereis- und Schneedicke
  • Temperaturprofile von der Atmosphäre über das Eis in den Ozean
  • Meereisdrift

Die Meereis- und Schneedicke wird entweder mit Hilfe akustischer Messverfahren (akustische Massenbilanzboje) oder über eine Kombination aus Temperatur und thermischer Leitfähigkeit (Thermistorboje oder thermische Massenbilanzboje) gemessen. Zusätzlich messen die meisten Massenbilanzbojen Temperaturprofile von der Atmosphäre bis in den Ozean, um die Temperaturveränderungen im Jahresgang zu erfassen und die Berechnung von Wärmeflüsse zu unterstützen.

Klassische Massenbilanzbojen nutzen akustische Verfahren zur Messung des Abstands der Sensoren zur Eisoberseite und -unterseite. Veränderungen der Abstände entsprechen Änderungen in der Eisdicke. Die Boje besteht aus einer zentralen Einheit, die mit zwei weiter entfernt gelegenen Einheiten über Verbindungskabel verbunden ist. Das zentrale Gehäuse enthält den Datenspeicher, Batterien, das Modem zur Satellitenkommunikation und ein Barometer. Ein Lufttemperatursender kann je nach Modell entweder hier liegen, oder weiter entfernt angebracht sein. Dieses zentrale Gehäuse ist in einen Hohlraum eingesetzt, der das Eis nicht durchdringt. Das Einsetzen dieser Bestandteile in das Eis hilft, die Temperaturextreme zu mildern, denen sie ausgesetzt sind. Die außenliegenden Sensoren befinden sich an zwei Trägerstrukturen, die Hohlräume ausfüllen, welche das Meereis völlig durchdringen. Eine Trägerstruktur platziert akustische Sensoreinheiten über und unter dem Meereis, die andere ist mit Thermistorketten ausgestattet, welche sich durch die Schnee- und Eisdecke und in den oberen Ozean ausdehnen und in regelmäßigen Abständen die Temperatur messen.

Thermistorketten messen die Temperaturverteilung von der Atmosphäre durch Schnee und Meereis bis in den Ozean. Zusätzlich wird die Kette nach der Messung kurz erwärmt, um über eine erneute Temperaturmessung dann die thermische Leitfähigkeit des Umgebungsmaterials bestimmen zu können. Die Kombination der beiden Messwerte ermöglicht Rückschlüsse auf die Massenbilanz und die Temperaturverteilung in der Atmosphäre, der Schnee- und Eisdecke und im Ozean.

Die Boje besteht im Wesentlichen aus einem mehrere Meter langen Schlauch, in den kleine Thermistoren eingelassen sind. Üblich ist eine circa 5 Meter lange Kette mit 240 Thermistoren in einem Abstand von 2 Zentimetern. Diese Thermistorkette wird beim Ausbringen der Boje durch ein Loch mit einem Durchmesser von meist 5 Zentimetern in den Ozean gehängt und friert dort im Laufe der Zeit im Eis ein. Die Thermistorkette ist mit einer Kontrolleinheit in einem Plastikkoffer verbunden, die die Sensoren ansteuert und die Daten aufnimmt. Zusätzlich erfasst ein GPS-Empfänger die Position der Boje. Ein integriertes Satellitenmodem (zumeist Iridium) versendet die Daten an eine zentrale Datenerfassungsstelle. Zusätzlich kann die Boje zumeist auch über diese Datenverbindung im Laufe des Betriebs umprogrammiert werden, zum Beispiel um Messintervalle anzupassen.

Generell sind die Dickenangaben des Meereises durch Thermistorbojen mit größerer Unsicherheit versehen als bei klassischen Massenbilanzbojen. Die Unterscheidung der einzelnen Medien, vor allem des Schnees vom Meereis, und die zusätzliche Information über die thermischen Eigenschaften sind jedoch Vorteile.

Schneebojen werden seit 2012 eingesetzt, um die Schneedicke zusammen mit der Lufttemperatur und dem Luftdruck auf Meereis zu messen. Sie leisten damit einen Beitrag zum besseren Verständnis der sehr komplexen und heterogenen Schneeauflage auf Meereis. Im Sommer erfassen die Bojen, nach dem Schmelzen des Schnees, auch die Ablation (Schmelzen plus Sublimation/Verdunstung) des Meereises an der Oberfläche. Wie alle Bojen zeichnen Schneebojen bei jeder Messung (üblicherweise stündlich) auch ihre Position und damit die Drift des Eises auf.

Das zentrale Element sind vier Ultraschallsensoren, die jeweils den Abstand zur Schneeoberfläche messen. Durch Akkumulation und Ablation des Schnees verändert sich dieser Abstand. Die Elektronik und Energieversorgung sind in einem Stahlzylinder verbaut, der im Meereis steckt. Die Verwendung von vier Sensoren (im Vergleich zu einem einzelnen Sensor) erhöht die Genauigkeit der Messungen, bietet eine höhere Ausfallsicherheit und erlaubt die Analyse kleinskaliger Veränderungen.