Einschätzung der Meereissituation Arktis 2016
Weiterhin sehr warme Bedingungen in der Arktis!

Abbildung 1. Tägliche Meereisausdehnung vom 1. Oktober bis zum 30. November 2016 (rot) in der Arktis. Die Meereisausdehnung ist die Fläche der Gebiete mit einer Eiskonzentration über 15 %. Zum Vergleich sind die Ausdehnungen von Vergleichsjahren unterschiedlich farblich dargestellt und das Langzeitmittel von 1981-2010 (grau) mit dem Bereich von zwei Standardabweichungen ist als hellgrauer Schlauch hervorgehoben.
Im Jahr 2016 begann die Schmelzperiode des arktischen Meereises ungewöhnlich früh. Dadurch kann theoretisch über einen längeren Zeitraum Wärme aus der Atmosphäre und durch solare Einstrahlung in die Randmeere des arktisches Ozeans eingetragen werden, die zu Beginn des Winters wieder an die Atmosphäre abgegeben wird. Dies kann zu einer Verlängerung der eisfreien Periode führen. Vorhandene Daten reichen jedoch nicht aus, um diese Prozesse zu quantifizieren. Die warmen atmosphärischen Bedingungen des Oktobers haben sich im November fortgesetzt. Die Temperaturen lagen im 925 hPa Druckniveau weit über dem langjährigen Mittel von 1981-2010 über dem zentralen Arktischen Ozean. Nahe dem Nordpol traten lokal Werte von bis zu 10 Grad Celsius über dem langjährigen Mittel auf. Dies steht im starken Gegensatz zum nördlichen Eurasien, wo die Temperaturen im November zwischen 4 und 8 Grad Celsius unter dem langjährigen Mittel lagen (siehe Abbildung 4 links). Auch an der Messstation Ny-Ålesund auf Spitzbergen wurden bis Ende November Temperaturen weit über dem langfristigen Mittelwert gemessen (siehe Abbildung 5). Diese lokal auf Spitzbergen beobachtete Erwärmung der Arktis ist 2016 besonders ausgeprägt und räumlich über die gesamte Arktis ausgedehnt, wie eine Betrachtung aller Oktobermittelwerte der SST seit 1981 zeigt(siehe Abbildung 6). Es muss hierbei angemerkt werden, dass die SST auf Satellitendaten beruht und nicht auf direkten Messungen wie auf Spitzbergen.

Abbildung 4: Temperaturanomalie in °C auf 925 hPa (links) und Druck auf Meeresspiegelniveau in mb (rechts) für November 2016 im Vergleich zum Langzeitmittel 1981-2010 in der Arktis (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products). Der Pfeil rechts zeigt die Hauptströmungsrichtung zwischen den Druckgebieten.

Abbildung 5: Temperaturzeitreihe der Tagesmitteltemperatur vom 1. Januar bis 30. November 2016 an der Messstation AWIPEV (Spitzbergen) in rot. Zum Vergleich sind die Messwerte des langjährigen Mittels (1994-2015) in schwarz, sowie der Jahre 2012( grün) und 2007 (blau) mit den bisher geringsten sommerlichen Meereisausdehnungen dargestellt. (Zu beachten: 2012 sind die Daten für die Temperaturwerte vom 13.05. bis 31.05 die Werte aus 10 m Höhe verwendet, da die Messungen der 2 m Temperatur in diesem Zeitraum ausgefallen ist)
Dr. Stefan Hendricks; Dr. Monica Ionita-Scholz; Dr. Ralf Jaiser; Dr. Frank Kauker; Dr. Thomas Krumpen; Dr. Marcel Nicolaus
Jahreszeitlich zu geringe Eisbedeckung in Antarktis und Arktis

Abbildung 1: Tägliche Meereisausdehnung bis zum 03. November 2016 (rot) in der Arktis (oben) und Antarktis (unten). Die Meereisausdehnung ist die Gesamtfläche der Gitterzellen mit einer Eiskonzentration über 15 %. Zum Vergleich sind die Ausdehnungen von Vergleichsjahren unterschiedlich farblich dargestellt und das Langzeitmittel von 1981-2010 (grau) mit dem Bereich von zwei Standardabweichungen ist als hellgrauer Schlauch hervorgehoben.
Die aktuellen Bedingungen in der Antarktis stehen in starkem Gegensatz zum dort beobachteten langjährigen, ansteigenden Trend. Ein ähnlich niedriger Wert für die Meereisausdehnung (Oktober-Mittel 2016: 17,4 Mio. km²) wurde nur 1986 mit 17,2 Mio. km² erreicht (siehe Abbildung 2). Diese Abweichungen sind wahrscheinlich Ausdruck der generellen starken, interannualen Variabilität und können auch Folge des starken El Nino des vergangenen Jahres sein. Die Eisausdehnung ist besonders gering auf beiden Seiten der Antarktischen Halbinsel (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Differenz der Meereiskonzentration September/Oktober 2016 zu 2015 (links) und Differenz der Meereiskonzentration September/Oktober 2016 zum langjährigen Mittel 2003 bis 2015 (rechts)

Abbildung 4: Druckanomalie auf Meeresspiegelniveau in mb und Temperaturanomalie in °C auf 925 hPa für September und Oktober 2016 im Vergleich zum Langzeitmittel 1981-2010 in der Antarktis (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products)
Nach einem anfänglich schnellen Gefrieren bis Ende September (siehe Abbildung 1 links) verringerte sich die Eisneubildung im Oktober jedoch. Eine mögliche Ursache hierfür ist die Tatsache, dass die Meeresoberflächentemperatur in der Beaufort-, Barents-, Tschuktschen-, Kara- und Ostsibirischensee sowie entlang der Euroasiatischen Küste (Abbildung 7 rechts) deutlich über dem langjährigen Mittelwert liegen. Offene Wasserstellen in der zentralen Arktis haben sich erst spät im September gebildet, so dass es dort nur zu einem geringen Wärmeeintrag von der Atmosphäre in den Ozean kam. Diese offenen Wasserstellen besitzen Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt. Beginnt die Atmosphäre sich nach Erreichen des sommerlichen Minimums wieder abzukühlen, kann sich das Eis hier rasch neu bilden. In vielen Regionen ist das Eis in diesem Jahr jedoch sehr früh zurückgegangen (siehe Newseintrag hier), so dass die strahlungsbedingte Erwärmung des Ozeans groß war. Diese im Ozean gespeicherte Wärme verhindert im Moment wahrscheinlich das Wachstum des Meereises. In vielen Regionen ist die Meeresoberflächentemperatur noch Ende Oktober deutlich über dem Gefrierpunkt (siehe Abbildung 7 links).
Auch die atmosphärische Zirkulation spielt eine wichtige Rolle. Die Lufttemperaturen im Oktober auf 925 hPa waren über großen Teilen der Arktis für diese Jahreszeit zu hoch (siehe Abbildung 8 links). Dabei zeigen die Regionen der Beaufort- und Tschuktschensee sowie über Ostgrönland Temperaturen von bis zu 8 Grad über dem langjährigen Mittelwert von 1981-2010. Darüber hinaus liegt ein ungewöhnlich starkes Hochdruckgebiet über Nordskandinavien und ein Tiefdruckgebiet mit Zentrum über der Beringsee. Beide führen zu Windströmungen, die warme Luft in die Arktis eintragen. Diese Erwärmung der Arktis ist 2016 extrem stark und räumlich sehr weit ausgedehnt. Dies zeigt eine Betrachtung aller Oktobermittelwerte seit 1948 (siehe Abbildung 9). Deutlich zu sehen sind diese Bedingungen auch an der Messstation in Ny-Ålesund (siehe Abbildung 10). Auch hier liegen die Messwerte über den normalerweise um diese Zeit des Jahres gemessenen Temperaturwerten. Beide Effekte, ungewöhnlich hohe Meeresoberflächentemperaturen und atmosphärische Zirkulation, führen zu dem besonderen Meereisausdehnungsmuster, was sich im Oktober 2016 in der Arktis zeigt. Die Erwärmung erstreckt sich dabei über die gesamte Atmosphäre (siehe Abbildung 11).

Abbildung 7: Meeresoberflächentemperatur (in Grad Celcius): Mittelwert der letzten Oktoberwoche 2016 (links) und Anomalie zum langjährigen Mittelwert 1948-2015 (Quelle: NOAA Optimum Interpolation (OI) SST V2 Data)

Abbildung 8: Temperaturanomalie in °C auf 925 hPa (links) und Druck auf Meeresspiegelniveau in mb (rechts) für Oktober 2016 im Vergleich zum Langzeitmittel 1981-2010 in der Arktis (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products)

Abbildung 9: Kennzeichnung der räumlichen Verteilung der Lufttemperaturen auf Meeresniveau für die sechs Jahre mit den wärmsten Oktobertemperaturen im Zeitraum 1948-2016.

Abbildung 10: Temperaturzeitreihe der Tagesmitteltemperatur vom 1. Januar bis 31. Oktober 2016 an der Messstation AWIPEV (Spitzbergen) in rot. Zum Vergleich werden die Messwerte des langjährigen Mittels (1994-2015) in schwarz, sowie der Jahre 2012( grün) und 2007 (blau) mit den bisher geringsten sommerlichen Meereisausdehnungen dargestellt. (Zu beachten: 2012 sind die Daten für die Temperaturwerte vom 13.05. bis 31.05 die Werte aus 10 m Höhe verwendet, da die Messungen der 2 m Temperatur in diesem Zeitraum ausgefallen ist).

Abbildung 11: Höhen-Breitengradschnitt der mittleren Atmosphärentemperatur im Oktober 2016 von 60°N bis zum Pol zeigt, dass über der gesamten Arktis (etwa 75° – 90°N) die Temperaturen deutlich über dem langjährigen Durchschnitt liegen und zwar nicht nur in Bodennähe, sondern über einen großen Höhenbereich hinweg. Quelle: NSIDC, NOAA Earth System Research Laboratory Physical Sciences Division
Prof. Dr. Christian Haas (Meereisphysik AWI Bremerhaven)
Dr. Marcel Nicolaus (Meereisphysik AWI-Bremerhaven)
Dr. Georg Heygster (IUP – Institut für Umweltphysik der Universität Bremen)
Sommerliches Meereisminimum in der Arktis durchschritten - Das Jahr 2016 zeigt die zweitniedrigste jemals gemessene Meereisausdehnung

Abbildung 1: Tägliche Meereisausdehnung bis zum 13. September 2016 (rot) in der Arktis. Die Meereisausdehnung ist die Gesamtfläche der Gitterzellen mit einer Eiskonzentration über 15 %. Im Vergleich die Ausdehnung von 2007 (grün) und von 2012 (magenta) und das vorangegangene Jahr 2015 (blau). Das Langzeitmittel von 1981-2010 (grau) mit dem Bereich von zwei Standardabweichungen ist als hellgrauer Schlauch dargestellt.

Abb. 2: Meereiskonzentration am 7. September 2016, dem Tag des diesjährigen sommerlichen Meereisminimums sowie die Grenzen der Meereisausdehnung der Jahre 2007 und 2012 (links). Vergleich der Meereisbedeckung in der Arktis für die Jahre 2007, 2012 und 2016 (rechts). Die Abbildungen basieren auf Daten mit einer Auflösung von 6,25x6,25 km.
Prof. Lars Kaleschke (CEN – Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit, Universität Hamburg) Hier geht es zur vollständigen Pressemitteilung.
Meereis in der Arktis steuert stark auf sommerliches Minimum zu

Abbildung 1: Tägliche Meereisausdehnung bis zum 31. August 2016 (rot) in der Arktis. Die Meereisausdehnung ist die Gesamtfläche der Gitterzellen mit einer Eiskonzentration über 15 %. Im Vergleich die Ausdehnungen von 2007 (grün), 2012 (blau) und von 2015 (türkis). Das Langzeitmittel von 1981-2010 (grau) mit dem Bereich von zwei Standardabweichungen ist als hellgrauer Schlauch dargestellt.
So erreichte die Eisausdehnung mit 4,15 Mio. km² den zweitniedrigsten jemals gemessen Wert für den Monat August und unterschreitet damit die Werte für 2007, das Jahr mit der bisher zweitniedrigsten Meereisausdehnung überhaupt. Während sich die Meereisabnahme in der ersten Monatshälfte noch sehr vergleichbar zu den Jahren 2007 und 2011 verhielt, konnte ein verstärkter Zerfall der Meereisdecke und ein Rückgang der Ausdehnung in der zweiten Monatshälfte beobachtet werden (Abb. 2b). Dies geschah insbesondere im Kanadischen-Becken und in der Ostsibirischen See. Zum Ende des Monats waren weite Teile bis tief ins Makarow-Becken eisfrei. Die Animation (Abb. 3a) der Meereisentwicklung beginnend mit der winterlichen maximalen Ausdehnung im Februar 2016 bis Ende August zeigt dies in eindrücklicher Weise. In einer zweiten Animation ist die relative Drift und Bewegung des Meereises anhand der seit September 2015 in der Arktis installierten Eisbojen dargestellt. Diese Sensorsysteme messen je nach Bojentyp meteorologische Parameter, Schneeeigenschaften, Massenbilanz und teilweise auch ozeanische Parameter unter dem Eis. Gleichzeitig wird auch die tägliche Position der auf dem Eis montierten Bojen übermittelt, die einen guten Eindruck der Eisbewegung wiedergibt (Abb. 3b). Es wird deutlich, dass sich das Eis über die transpolare Drift in Richtung Framstraße und Grönlandsee bewegt, jedoch je nach Windfeld und Ozeanströmung aber auch rotierenden Wirbelbewegungen folgt.
Abbildung 3a: Animation des Meereisrückgangs in der Arktis vom 1. Februar bis 31. August 2016 mit täglichen Karten der Meereiskonzentration.
Abbildung 3b) Driftbewegung von Meereisbojen, die ab September 2015 in der Arktis aufgestellt wurden und neben anderen meereisbezogenen Messdaten auch Aufschluss über die Driftbewegenung des Meereises geben.

Abbildung 6a: Anomalie des Luftdrucks auf Meeresspiegelniveau in mb (Datengrundlage: www.esrl.noaa.gov/psd/data/gridded/data.ncep.reanalysis.html)

Abbildung 6b: Temperaturanomalie in °C auf 925 hPa Druckhöhe für August 2016 im Vergleich zum Langzeitmittel 1981-2010 in der Arktis. (Datengrundlage: www.esrl.noaa.gov/psd/data/gridded/data.ncep.reanalysis.html)
Die vorherrschenden meteorologischen Bedingungen im August folgten mehr oder weniger dem Muster dieses Sommers: In der Regel bewölkt und kühl, mit einem Tiefdruckgebiet über dem größten Teile des arktischen Beckens (Abb. 6a). Aufgrund dieser Bedingungen wurde eine Verlangsamung der Schmelzen von Meereis beobachtet. Die Oberflächentemperaturen im östlichen Teil des Arktischen Beckens, vor allem über der Barents-Kara-See und Teilen der Laptev-See, waren für diese Zeit des Jahres etwa 2 ° C kälter als im Vergleich zum langjährigen klimatologischen Mittel der Jahre 1981 bis 2010 (Abb. 6b). Zwar gabt es ähnliche Bedingungen (Tiefdrucksystem über dem arktischen Becken) auch im Jahr 2012, jedoch ist die Meereisausdehnung in diesem Jahr sehr verschieden. Wie bereits erwähnt hat sich im August ein Sturmtief in der Arktis etabliert, das das Meereis stark auseinandergetrieben und zur verstärkten Abnahme beigetragen hat. Obwohl die Temperatur gegenüber dem langzeitigen Trend nicht besonders warm gewesen ist, konnte das Meereis im August dennoch einen verstärkten Rückgang verzeichnen. Dies ist unter anderem durch den milden vorangegangenen Winter verursacht, der ein vermindertes Eiswachstum verursacht und somit eine modale Eisdicke des einjährigen Meereises von nur 1 m verursachte. Dieses im Vergleich zu den letzten Jahren recht dünne Eis ist der sommerlichen Schmelze besonders stark ausgesetzt. Eisdickenmessungen des Satelliten CryoSat-2 sowie Messungen mit dem Forschungsflugzeug Polar 6 während der TIFAX-Kampagne im Sommer 2016 bestätigen diese Entwicklung. Ein Vergleich der bisherigen Minimumjahre 2012 und 2007 mit diesem Jahr zeigt, dass sich das Eis in diesem Jahr besonders weit im Kanadischen Becken und im Makarow-Becken zurückgezogen hat. Noch niemals zuvor war das Gebiet bis weit südlicher als 80° Nord großflächig eisfrei. Darüber hinaus ist die Eisgrenze in der Grönlandsee südlich der Framstraße besonders weit nach Norden gerückt. Seit Ende August sind auch die Nordostpassage und die Nordwestpassage erstmals gleichzeitig eisfrei und erlauben den Transekt vom Atlantik zum Pazifik über beide Schiffsrouten. In den verbleibenden etwa zwei Wochen des arktischen Sommers, bevor das herbstliche Eiswachstum wieder einsetzt, erwarten wir einen weiteren Meereisrückgang lediglich für die ausgedehnte Meereiszunge von der Zentralarktis zum ostsibirischen Schelf. Das Rennen, ob sich das Minimum von 2012 noch unterschritten wird, bleibt also weiter offen; ein dramatisches Zeichen für die fortschreitenden Auswirkungen des globalen Klimawandels in der Arktis. Mögliche weitere Aussichten Wenn die atmosphärischen Bedingungen in der Arktis im September weiter andauern, so kann sich die Abnahme des Meereises in der zentralen Arktis weiter fortsetzen. Betrachtet man die Wettervorhersage für die Arktis bis zum 10. September, so soll sich eine dipol-ähnliche Struktur im Luftdruckfeld über dem Arktischen Ozean durchsetzen (Abb. 8a). Diese Struktur ist durch ein Tiefdruckgebiet über der Beaufortsee und der kanadischen Arktis und ein Hochdrucksystem über der Barents-Kara-See, der Laptevsee und der Ostsibirischen See charakterisiert. Um den 18. September soll dieses Luftdruckmuster durch ein Tiefdrucksystem über dem gesamten Arktischen Becken ersetzt werden (Abb. 8b), das mindestens bis zum 23. September andauern soll. Verbunden mit dieser Luftdruckverteilung sollen kälter als normale Temperaturen in der Beaufort See und der kanadischen Arktis für die nächsten zwei Wochen vorherrschen, die dann den Übergang zum Herbst einläuten. In den Küstengebieten des östlichen Teils des arktischen Beckens sind in den nächsten zwei Wochen hingegen wärmer als normale Temperaturen zu erwarten.

Abb. 8a: Wettervorhersage für die zentrale Arktis. Luftdruck auf Meeresniveau für den 10. September 2016 (Quelle: www.weatheronline.co.uk)

Abb. 8b: Wettervorhersage für die zentrale Arktis. Luftdruck auf Meeresniveau für den 18. September 2016 (Quelle: www.weatheronline.co.uk)
Prof. Dr. Christian Haas (Meereisphysik AWI-Bremerhaven) Haben Sie Fragen? info(at)meereisportal.de
Stürmische und kalte Wetterverhältnisse im Juli in der Arktis sorgen für einen moderaten Meereisrückgang

Abbildung 1: Tägliche Meereisausdehnung bis zum 1. August 2016 (rot) in der Arktis. Die Meereisausdehnung ist die Gesamtfläche der Gitterzellen mit einer Eiskonzentration über 15 %. Im Vergleich die Ausdehnung von 2007 (grün) und von 2012 (blau). Das Langzeitmittel von 1981-2010 (grau) mit dem Bereich von zwei Standardabweichungen ist als hellgrauer Schlauch dargestellt.
Die durchschnittliche Meereisausdehnung betrug im Juli 7,76 Mio. km² und lag damit 0,35 Mio. km² über dem Wert von 2012 und 0,13 Mio. km² über dem Wert von 2007 und 1,64 Mio. km² unter dem langjährigen Mittelwert für den Monat Juli von 1981-2010 (siehe Abbildung 2 und Abbildung 3). Im Juli war die Meereisausdehnung in der Kara- und Barentssee weiterhin unterhalb des langjährigen Mittelwertes, wie dies auch bereits über den ganzen Winter und Frühling der Fall war. Dies gilt ebenfalls für die Beaufortsee, wobei sich die Ausdehnung in der Laptewsee und der Ostsibirischen See im Normalbereich bewegt. Der durchschnittliche tägliche Meereisverlust im Juli betrug circa 85.000 Quadratkilometer pro Tag und war damit geringer als in den Jahren 2007 (94.000 km²/Tag) und 2012 (93.000 km²/Tag).

Abbildung 4: Druckanomalie auf Meeresspiegelniveau in mb für Juli 2016 zum Langzeitmittel 1981-2010 in der Arktis. (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products)

Abbildung 5: Temperaturanomalie in °C auf 925 hPa Druckhöhe für Juli 2016 zum Langzeitmittel 1981-2010 in der Arktis. (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products)

Abbildung 6: Temperaturzeitreihe der Tagesmitteltemperatur vom Januar bis 31. Juli 2016 an der Messstation AWIPEV (Spitzbergen) in rot. Zum Vergleich werden die Messwerte aus den beiden Jahren 2007 (dunkelblau) und 2012 (schwarz) und das langjährige Mittel (1994-2015) in hellblau dargestellt. (zu beachten: 2012 sind die Daten der Temperaturwerte vom 13.05. bis 31.05 die Werte aus 10 m, da die 2 m Temperatur in diesem Zeitraum ausgefallen ist.
Zahlreiche Stürme führten zu einem moderaten Rückgang der Meereisbedeckung im Juni und Anfang Juli, da die vorherrschenden Tiefdruckgebiete über der zentralen Arktis vor allem einen kühlenden Effekt auf die Oberfläche haben. Dies wirkte sich auf die Lufttemperatur in der Laptewsee aus, die 1 bis 4 Grad unter dem langjährigen Mittel lag. So trugen die stürmischen Bedingungen dazu bei, dass das Meereis der Westarktis (im Beaufortwirbel) stark auseinander getrieben und verteilt wurde. In dieser Region bildeten sich bis Ende Juli zahlreiche Flächen offenen Wassers (Polynjas). Erst als sich wärmere Luftmassen von den arktischen Küsten ausbreiteten, beschleunigte sich die Abnahme der Meereisbedeckung etwas. Entlang der nördlichen Küsten von Alaska, Kanada und Grönland lag die Lufttemperatur 1 bis 2 Grad über dem langjährigen Mittel. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass das dicke mehrjährige Meereis in dieser Region über den Sommer wegschmelzen wird. Die sehr warmen Bedingungen in der Barents- und Karasee mit Temperaturen zwischen 3 bis 6 Grad über dem langjährigen Mittelwert halten weiterhin an und führen zu einem Rückgang der Meereisbedeckung bis nach Nordspitzbergen, Franzjosefland und zu den Neusibirischen Inseln (siehe Abbildung 4 und 5), was sich auch in den Temperaturmessungen in Ny-Ålesund niederschlägt (siehe Abbildung 6). Insgesamt haben damit im Juli Bedingungen vorgeherrscht, bei denen das Meereis (im Vergleich der letzten 10 Jahre) durchschnittlich abgenommen hat.
„Nun bleibt es spannend zu beobachten, wie sich das Meereis über die kommenden Sommermonate verhalten wird, da insgesamt von einer vergleichsweise dünnen Eisdecke auszugehen ist, die besonders sensibel auf die jeweiligen Witterungsbedingungen reagieren wird", kommentiert Dr. Marcel Nicolaus die momentane Eissituation in der Arktis. Er bricht Anfang September zur Arktisexpedition mit dem Forschungseisbrecher Polarstern auf, um Untersuchungen zur Situation des arktischen Meereises durchzuführen. Der Wechsel im Druckmuster von Mai bis Juli führte zu einem Wechsel der Meereisdrift in der Arktis. Zu Beginn des Jahres erfolgte die Meereisdrift stabil im Uhrzeigersinn. Durch die Bedingungen im Juli verringerte sich in der Beaufortsee die Geschwindigkeit der Meereisdrift jedoch und erzeugte ein gegen den Uhrzeigersinn verlaufendes Driftmuster in der Laptewsee (siehe Abbildung 7), was den Eisabbau in der zentralen Arktis verlangsamte. Beobachtet man insgesamt die meereisbdeckte Fläche, die in der Berechnung im Gegensatz zur Meereisausdehnung auch die Meereiskonzentration der betrachetten Datengitterzelle berücksichtigt (Information zur Berechnung finden sich hier), so erreicht die Meereisfläche Ende Juli den zweitniedrigsten Wert (siehe Abbildung 9), was ein Beleg für die sehr stark auseinandergetriebenen und verteilten Meereisschollen in der Beaufort- und Karasee ist (Abbildung 2). Die diesjährige Schmelzsaison hat über den meisten Teilen des Arktischen Ozeans früher als im Durchschnitt begonnen. Dies wurde durch das durch Hochdruck bestimmte Wetter im Frühjahr in der Arktis vorangetrieben. Der Beginn der Schmelze kann mit dem gleichen passiven Mikrowellensensor bestimmt werden, mit dem auch die Meereiskonzentration und –ausdehnung bestimmt wird. Die Schmelze begann im späten April/frühen Mai in der südlichen Beaufortsee, was ungefähr sechs Wochen (über 40 Tage) früher als im langjährigen Durchschnitt war. Die Schmelze begann auch früher in der Barentsee und der nördlichen Baffinbucht (siehe Abbildung 9). Das frühe Einsetzen der Schmelze ist wichtig, da die Schmelze die Oberflächenalbedo reduziert, wodurch das Meereis und die darauf liegende Schneeschicht mehr Sonnenstrahlung absorbieren kann, was wiederum den Schmelzprozess beschleunigt (positive Rückkopplung). Daten des Satelliten MODIS (Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer) der NASA zeigen sehr große mehrjährige Eisschollen in der Beaufortsee. Im August geht die Schmelzsaison in der Arktis in die entscheidende Phase, bevor das Minimum der sommerlichen Meereisausdehnung im September erreicht wird.

Abbildung 7: Arktische Meereisdrift vom 2. bis 8. Mai 2016 (oben) und 25. bis 31. Juli (unten). (Quelle: National Snow and Ice Data Center nsidc.org/arcticseaicenews/)

Abbildung 8: Der Beginn der Meereisschmelze durch Beobachtungen des passivem Mikrowellensatelitten MODIS(Quelle: NSIDC/University of Colorado, M. Tschudi, C. Fowler, J. Maslanik, W. Meier nsidc.org/arcticseaicenews/)
Dr. Marcel Nicolaus (Meereisphysik AWI-Bremerhaven) Haben Sie Fragen? info(at)meereisportal.de
Meereisausdehnung in der Arktis liegt deutlich unter dem langjährigen Mittelwert

Abbildung 1: Tägliche Meereisausdehnung bis zum 2. Juni 2016 (rot) in der Arktis. Die Meereisausdehnung ist die Gesamtfläche der Gitterzellen mit einer Eiskonzentration über 15 %. Im Vergleich die Ausdehnung von 2007 (grün) und von 2012 (blau). Das Langzeitmittel von 1981-2010 (grau) mit dem Bereich von zwei Standardabweichungen ist als hellgrauem Schlauch dargestellt.

Abbildung 4: Temperaturanomalie auf 925 hPa Druckhöhe. Abweichung der Mittelwerte für den Zeitraum von Januar bis Mai 2016 im Vergleich zum Langzeitmittel 1981-2010 in der Arktis für die Jahre 2016, 2012 und 2007. (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products)

Abbildung 5: Temperaturzeitreihe der Tagesmitteltemperatur vom Januar bis Mai 2016 an der Messstation AWIPEV (Spitzbergen) in rot. Zum Vergleich werden die Messwerte aus den beiden Jahren 2007 (dunkelblau) und 2012 (schwarz) und das langjährige Mittel (1994-2015) in hellblau dargestellt. (zu beachten: 2012 sind die Daten der Temperaturwerte vom 13.05. bis 31.05 die Werte aus 10 m, da die 2 m Temperatur in diesem Zeitraum ausgefallen ist.
Der Arktis droht ein Meereisverlust wie im Negativrekordjahr 2012
Bojendaten zeigen: Meereis ist im Winter nicht geschmolzen, nur langsamer gewachsen. Entgegen eines anderslautenden Berichtes US-amerikanischer Forscher führte diese Wärme jedoch nicht dazu, dass die Meereisdecke im Laufe des Winters in einigen Regionen dünner geworden ist. „Unsere Bojendaten aus diesem Frühjahr belegen, dass diese warme Winterluft nicht ausgereicht hat, um den auf dem Meereis liegenden Schnee, geschweige das Eis selbst zu schmelzen“, so Marcel Nicolaus. Das arktische Meereis sei im zurückliegenden Winter nur viel langsamer gewachsen als die Wissenschaftler dies erwartet hatten.
In ehemals eisreichen Gebieten wie dem Beaufortwirbel vor der Küste Alaskas sowie in der Region nördlich Spitzbergens ist das Meereis in diesem Frühjahr deutlich dünner als sonst zu dieser Jahreszeit . „Wo das Festeis nördlich Alaskas normalerweise 1,5 Meter dick ist, messen unsere US-amerikanischen Kollegen derzeit weniger als ein Meter. Derart dünnes Eis wird der Sommersonne nicht lange standhalten können“, sagte AWI-Meereisphysiker Stefan Hendricks.
Winterliches Rekordminimum der Meereisausdehnung in der Arktis im Januar und Februar 2016
Der langjährige Trend in der Meereisausdehnung für den Monat Januar liegt nun bei -2,9% pro Dekade (siehe Abbildung 3). Für den diesjährigen Januar gilt weiterhin, dass sich die mittlere monatliche Meereisausdehnung seit 2005 im Januar immer unter 14,15 Millionen Quadratkilometern bewegte. Vor 2005, also zwischen 1979 bis 2005, lag die Ausdehnung im Januar dagegen immer über 14,15 Millionen Quadratkilometern. Im Februar setzte sich der Trend weiter fort. Die durchschnittliche monatliche Ausdehnung des Arktischen Meereises lag im Februar 2016 bei 14,25 Millionen Quadratkilometern, was 0,96 Millionen Quadratkilometer unter dem langfristigen Durchschnittswert für Februar des Zeitraumes von 1981 bis 2010 von 15,21 Millionen Quadratkilometern liegt (siehe Abbildung 2 rechts). Der langjährige Trend in der Meereisausdehnung für den Monat Februar liegt nun bei -2,6% pro Dekade. Ursache hierfür ist die ungewöhnlich geringe Eisbedeckung in der Barentssee, Karasee und der östlichen atlantikseitigen Grönlandsee, und unterdurchschnittlichen Bedingungen im Beringmeer und dem Ochotskisches Meer. Die Eisbedingungen in der Baffin-Bucht, der Labradorsee und der Hudson-Bucht waren annähernd durchschnittlich. Im Golf von St. Lawrence war ebenfalls weniger Eis als normalerweise vorhanden.

Abb. 4: Der tägliche AO-Index Quelle: www.cpc.ncep.noaa.gov/products/precip/CWlink/daily_ao_index/ao_index.html
Das Muster des Luftdrucks im Januar, welches durch einen überdurchschnittlich hohen Druck über dem zentralen Norden Sibiriens bis hin zu den Regionen der Barentssee und Karasee, und durch einen unterdurchschnittlich niedrigen Druck in den nördlichen Regionen des Nordpazifiks und Nordatlantiks gekennzeichnet ist, ist typisch für eine negative Phase der AO. Dieser überdurchschnittliche hohe Druck verschiebt sich im Februar auf die Zentralarktis. Im Moment wird viel Augenmerkt auf die Auswirkungen des starken El Niño gelegt. In der Arktis ist allerding die AO ein viel bedeutender Faktor und beeinflusst im Winter oft die mittleren Breiten, indem sie das Ausbrechen von kalter Luft erlaubt. Wie die AO und El Niño verknüpft sind, bleibt eine aktuelle Forschungsfrage.
Sturmtief Frank bringt Wärmerekord in die Arktis – AWI Schneebojen liefern wichtige Wetterdaten

Abb. 1: Muster des Drucks auf Meeresspiegelniveau am 30.12.2015 (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products)

Abbildung 2: Oberflächentemperatur am 30. Dezember 2015 (Daten: NCEP/NCAR Reanalysedaten www.esrl.noaa.gov/psd/products)

Abbildung 3: Diese Karte zeigt die Lage der Schneebojen des AWIs in der Arktis am 30. Dezember 2015 (durch ausgefüllte Punkte gekennzeichnet) wie auch den Weg der Trajektorien seit ihrer Ausbringung (durch ein Kreuz gekennzeichnet). In unserem meereisportal.de finden Sie weitere Karten und Daten zu den Schneebojen des AWIs. Quelle: AWI

Abb. 5: Muster der Lufttemperatur auf dem 925 hPa Druckhöhe (ca. 750 m Höhe) und des Drucks auf Meeresspiegelniveau für Januar 2016 (oben) und für Februar (unten) ausgerückt als Differenz zum langjährigen Mittelwert von 1981-2010. (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products)
Dr. Marcel Nicolaus (Meereisphysik AWI-Bremerhaven)
Dr. Marion Maturilli (Atmosphärische Zirkulation AWI-Potsdam)