Einschätzung der Meereissituation Arktis 2015
21. September 2015 „Am 6. September erreichte das arktische Meereis sein Ausdehnungsminimum in 2015 mit 4,35 Millionen Quadratkilometern, dem viertniedrigsten Wert seit Beginn unserer Zeitreihe im Jahr 1979 und bestätigt den langzeitlichen Abwärtstrend der arktischen Meereisausdehnung. Nun wird über den Winter der saisonale Eiszuwachs der Eisausdehnung beginnen“ sagt Georg Heygster von der Universität Bremen (Abbildung 1). Das Meereis der Arktis gilt als kritisches Element im Klimageschehen und als Frühwarnsystem für die globale Erwärmung. In den 1970er und 1980er Jahren lagen die sommerlichen Minimumwerte noch bei durchschnittlich rund 7 Millionen Quadratkilometern.
Sowohl die Nordostpassage entlang der russischen Küste, als auch die Roald Amundsen Route durch die Nordwestpassage sind zurzeit eisfrei. Wie lange sie offen bleiben, hängt zum einen von den Wetterbedingungen ab, aber auch von der Wärmemenge, die noch in der ozeanischen Mischschicht (etwa die ersten 15 m des Ozeans) vorhanden ist.
Untersuchungen haben gezeigt, dass besonders niedrige Ausdehnungen des Meereises im September in solchen Jahren entstehen, wenn die sommerliche, atmosphärische Zirkulation über dem zentralen Arktischen Ozean dominiert wird durch Hochdruckgebiete, also von antizyklonalen Bedingungen, die relativ sonniges und warmes Wetter mit sich bringen. Ein mit diesen Bedingungen assoziiertes Windmuster im Uhrzeigersinn fördert die Eiskonvergenz, verdichtet das Eis und sorgt so für eine geringere Eisbedeckung. Das beste Beispiel hierfür war der Sommer 2007 mit der zweitniedrigsten Meereisausdehnung in der Satellitendatenaufzeichnung. Umgekehrt treten September mit großen Eisausdehnungen vornehmlich auf, wenn die atmosphärische Zirkulation über dem zentralen Arktischen Ozean eher zyklonal (gegen den Uhrzeigersinn) ist, was einen geringen Bodendruck bedeutet. Dieses Muster bringt mehr Wolken und tiefere Temperaturen mit sich. Außerdem breitet der Wind das Eis über eine große Fläche aus.
In diesem Zusammenhang betrachtet, förderte die atmosphärische antizyklonale Zirkulation des Sommers (Juni bis August) 2015 eine niedrige Septemberausdehnung (Abb. 2 A). Der Druck auf Meereshöhenniveau war sowohl über dem zentralen Arktischen Ozean also auch über Grönland und den umliegenden Regionen höher als der Durchschnitt. Über nord-zentral Eurasien war der Luftdruck niedriger als im Durchschnitt. Dies ging einher mit Temperaturen über dem Durchschnitt auf 925hPa Druckniveau für große Teile des Arktischen Ozeans (Abb. 2 B), besonders entlang der Küste Ostsibiriens, in der Laptewsee und dem kanadisch, arktischen Archipels bis hin zum Nordpol. Allerdings waren die Bedingungen bei weitem nicht so begünstigend für eine geringe Eisausdehnung wie im Jahr 2007, als Felder ungewöhnlich hohen Drucks weiter südlich und östlich (über der nördlichen Beaufortsee) und ungewöhnlich niedrigen Drucks sich entlang großer Teile der nördlichen eurasischen Küste erstreckten (Abb. 2 C). Dies führte zu warmen, südlichen Winden über die Ostsibirischesee und der Tschuktschensee, die starke Eisschmelze und einem Eistransport von der Küste weg bedingen (Abb. 2 D). Sowohl in 2015 als auch in 2007 führten die sommerlichen Druckmuster zu Winden, die zur Framstraße gerichtet waren und halfen so, das Eis aus dem Arktischen Ozean in die Ostgrönland See zu transportierten.

Abbildung 2: Muster des Drucks auf Meeresspiegelniveau und der Lufttemperatur auf dem 925 hPa Druckhöhe (ca. 750 m Höhe) für Sommer (Juni bis August) Jahre 2015 (A,B) und für 2007 (C,D) ausgerückt als Differenz zum langjährigen Mittelwert von 1981-2010. Das Muster von 2015 trug zum Septemberminimum bei, war aber insgesamt nicht ganz so günstig für die Entwicklung eines besonders niedrigen Minimums wie es 2007 beobachtet wurde. (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products)

Abb.: Tägliche Meereisausdehnung bis zum 2. September 2015 (rot) in der Arktis. Die Meereisausdehnung ist die Gesamtfläche der Gitterzellen mit einer Eiskonzentration über 15 %. Im Vergleich die Ausdehnung von 2007 (grün), von 2012 (mangenta) und von 2014 (blau), und das Langzeitmittel von 1981-2010 (grau) mit dem Bereich von zwei Standardabweichungen als hellgrauem Schlauch.
03. September 2015 Im August herrscht nach wie vor ein stetiger Rückgang im arktischen Meereis. Die Rate ist etwas schneller als die des Langzeitmittels. Vorhersagen zeigen, dass das Jahresminimum der Meereisausdehnung, das erwartungsgemäß Mitte bis Ende September auftritt, das dritt oder viert niedrigste seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen werden könnte. All diese vier niedrigsten Ausdehnungen traten nach 2007 auf. Mitte August sank die antarktische Meereisausdehnung zum ersten Mal seit November 2011 unter die des Langzeitmittels von 1981-2010. Überblick der arktischen Situation im August
Die mittlere Meereisausdehnung im August 2015 liegt bei 5,61 Mio. km², die viert niedrigste Augustausdehnung der Satellitendatenaufzeichnung. Der Wert liegt 1,61 Mio. km² unter dem Langzeitmittel 1981-2010 des Monats und 900.000 km² über dem Rekordtief von August 2012. Der schnelle Rückgang des täglichen Eisverlusts Ende Juli 2015 verlangsamte sich im August etwas und stieg gegen Ende August wieder leicht an. Am 31. August war die Meereisausdehnung nur unwesentlich kleiner (4,37 Mio km²) als zur selben Zeit 2007 (4,59 Mio km²) und 2011 (4,46 Mio km²). Derzeit fällt das Eis mehr als zwei Standardabweichungen unter das Langzeitmittel von 1981-2010. Dier Meereisausdehnung bleibt in fast allen Regionen unter dem Langzeitmittel, ausgenommen die Regionen der Baffin Bucht und der Hudson Bucht, wo einiges Eis in geschützten Küstenregionen bestehen blieb. Auffallend in der späten Schmelzsaison 2015 sind die großflächigen Regionen mit niedriger Eiskonzentration (weniger als 70 % Eisbedeckung) in der Beaufort See. Ein paar Flächen mit mehrjährigem Eis umgeben von offenen Wasserflächen verbleiben in der zentralen Beaufort See. Die Eisverlustrate verblieb über den Großteil des August konstant. Sie betrug im Mittel 75.100 km² pro Tag, im Vergleich zu 57.300 km² pro Tag im Langzeitmittel 1981-2010 und 89.500 km² pro Tag in 2012. Kalte Bedingungen herrschten in der Ost Sibirischen See, der Tschuktschensee und der westlichen Beaufort See. Dort lag die Lufttemperatur auf 925 hPa Druckniveau zwischen 1,5 bis 2,5 °C unterhalb des Durchschnitts. Eine ausgedehnte Region mit Temperaturen von 1.5 bis 2.5 °C oberhalb des Durchschnitts erstreckt sich von Norwegen bis zum Nordpol. Der Druck auf Meeresspiegelhöhe lag mehr als 10 hPa über dem Mittel über dem Zentral Arktischen Ozean, gepaart mit Werten leicht unter dem Durchschnitt in nord-zentral Sibirien. Dies ist ähnlich zu der Dipolsituation im Juli. Die Arktische Oszillation war ebenso wie im Juli für den Großteil des August negativ.

Quelle: nsidc.org/arcticseaicenews/

Die Karte zeigt die durchschnittlichen Oberflächentemperaturen des Ozeans (SST) und die Meereiskonzentration für den 30. August 2015. Die SST wird von Satelliten gemessen mit Hilfe von thermischen Emissionssensoren. Die Meereiskonzentration ist abgeleitet aus NSIDC's Meereiskonzentrationsdaten. Ebenfalls gezeigt werden Temperaturen von Driftbojen, die in 2,5 m Tiefe des Ozeans gemessen werden (graue Kreise zeigen an, wo es keine Temperaturdaten von Bojen gibt). (Quelle: nsidc.org/arcticseaicenews/)
26. August 2015 In der ersten Augusthälfte fällt die Meereisausdehnung in der Arktis unter diejenige von 2010, 2013 und 2014. Öffnungen der Eisdecke haben sich innerhalb der Beaufort See und der Tschuktschen See weiter ausgedehnt. Während sich die Nordostpassage geöffnet hat, bleibt die Nordwestpassage weiterhin geschlossen, mit erheblichen Eismengen in den Kanälen des kanadischen Archipels. Einige Datenquellen aber zeigen schmale Öffnungen im Eis, die eine Durchquerung ermöglichen könnten.
Überblick der arktischen Meereissituation in der ersten Augusthälfte
Am 16. August 2015 lag die Meereisausdehnung bei 5,47 Mio. km². Dies sind 1,66 Mio. km² weniger als das Langzeitmittel von 1981-2010 für den Monat August (siehe Abb. 1 und Abb. 2). Allerdings liegt der Wert noch 1,1 Mio. km² über der Ausdehnung von 2012 an diesem Datum, das Jahr mit dem Rekordtief der Meereisausdehnung. Der Rückgang des Meereises hat sich im Vergleich zu Juli verlangsamt, bleibt aber in der ersten Hälfte des Monats dennoch schneller als es für August typisch ist. Der Großteil des Eises in der Baffin- und der Hudson-Bucht ist nun endgültig geschmolzen. Große offene Wasserflächen und geringe Eiskonzentrationen innerhalb der Beaufort und der Tschuktschen See weiten sich aus. Einige der geringen Eiskonzentrationen, die in passiven Mikrowellendaten zu erkennen sind, könnten auch auf Schmelztümpel zurückzuführen sein, die sich auf dem Eis gebildet haben. Bilder von MODIS (Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer), Sensor der NASA Terra- und Aqua-Satelliten, bestätigen allerdings sehr lockeres Packeis und erhebliche Mengen an offenen Wasserflächen in dieser Region. Das meiste des verbleibenden Eises scheint sehr dickes mehrjähriges Eis zu sein, das mit dünnerem einjährigem Eis vermischt ist, das schnell schmilzt. Das Packeis in der östlichen Arktis bleibt kompakt.

Abb. 2: Tägliche Meereisausdehnung bis zum 28. August 2015 (rot) in der Arktis. Die Meereisausdehnung ist die Gesamtfläche der Gitterzellen mit einer Eiskonzentration über 15 %. Im Vergleich die Ausdehnung von 2014 (blau) und das Langzeitmittel von 1981-2010 (grau) mit dem Bereich von zwei Standardabweichungen als hellgrauem Schlauch.

Abb. 3: Temperaturanomalie in °C auf 925 hPa Druckhöhe für Juli 2015 zum Langzeitmittel 1981-2010 in der Arktis. (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products)

Abb. 4: Druckanomalie auf Meeresspiegelniveau in mb für Juli 2015 zum Langzeitmittel 1981-2010 in der Arktis. (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products)
Verschiedenste Methoden wurden entwickelt um das jährliche Minimum der arktischen Meereisausdehnung im September vorher zu sagen. Ergebnisse des Sea Ice Outlooks können hier in verkürzter Form nachgelesen werden.
Passage von Russland nach Indien
Die Nordostpassage entlang der russischen Küste scheint vollständig geöffnet zu sein. Dies zeigen sowohl die passiven Mikrowellendaten (Abb. 1) als auch die Daten des MASIE (Multisensor Analyzed Sea Ice Extent, der geeigneter ist für die Erfassung von dünnem Eis). Jedoch zeigt MASIE (Abb. 5) nach wie vor erhebliche Mengen an Eis nördlich der Taimyr Halbinsel und den Sewernaja Semlja Inseln, allerdings mit einer schmalen offenen Wasserpassage durch das Eis. Auf der anderen Seite der Arktis, in der Nordwestpassage, befindet sich nach wie vor besonders viel Eis. MASIE zu folge gibt es derzeit noch keine komplett geöffnete Route. Einige passive Mikrowellen Bilder, wie z. B. von der Universität Bremen von AMSR2 (Advanced Microwave Scanning Radiometer 2) zeigen eine offene Wasserroute entlang der historischen Strecke des norwegischen Forschers Roald Amundsen durch den südlichen Teil der Archipels. Die Unterschiede zwischen MASIE und der Darstellung der Universität Bremen sind vermutlich begründet durch stark schmelzendes Eis mit zahlreichen Schmelztümpeln. Beide Phänomene sind mit passiven Mikrowellensensoren schwer von offenem Wasser zu unterscheiden.
12. August 2015 Die arktische Meereisausdehnung im Juli 2015 liegt deutlich unter dem Mittelwert für diese Zeit des Jahres, obwohl das Eis in der Baffin- und der Hudson-Bucht beständig ist. Ein Teil der Nordostpassage erscheint größtenteils offen, bis auf eine schmale Region entlang der Taymyr Halbinsel. Die Nordwestpassage ist nach wie vor vollständig mit Eis bedeckt. Überblick der arktischen Meereissituation im Juli
Der Mittelwert der Meereisausdehnung von Juli 2015 lag bei 8,24 Mio. km² und liegt 1,16 Mio. km² unter dem Langzeitmittel von 1981 bis 2010 dieses Monats (siehe Abbildung 1 und Abbildung 2). Während sich das arktische Meereis im Juni mit einer Rate wie im langjährigen Mittel zurückgezogen hat, beschleunigte sich der Verlust der Ausdehnung im Juli. Gegen Ende des Monats bewegte sich die Verlustkurve am unteren Ende des Bereichs der zweifachen Standardabweichung des Mittelwertes von 1981-2010. Damit lag sie deutlich unterhalb des Wertes von 2014 (siehe Abbildung 2). In der Kara-, Barents-, Tschuktschen-, Ostsibirischen- und Laptew-See lag die Meereisausdehnung unterhalb des Juli-Mittelwertes, wohingegen sie sich in der Beaufort See und der Ost Grönland See um den Mittelwert bewegte. Dass die Eisausdehnung dennoch über der von 2012 blieb, lag daran, dass sowohl in der Baffin-Bucht, als auch in der Hudson-Bucht die Ausdehnungen oberhalb des langjährigen Juli-Mittelwertes lagen. Trotz der am Durchschnitt liegenden Meereisausdehnung innerhalb der Beaufort See, zeigen höher aufgelöste Satellitendaten (passiver Mikrowellensensor AMSR-2) und Bilder im sichtbaren Bereich von MODIS (Abbildung 7) ziemlich geringe Eiskonzentrationen, mit vielen großen Eisschollen, umgeben von offenem Wasser.

Abb. 4: Temperaturanomalie in °C auf 925 hPa Druckhöhe für Juli 2015 zum Langzeitmittel 1981-2010 in der Arktis. (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products)

Abb. 5: Druckanomalie auf Meeresspiegelniveau in mb für Juli 2015 zum Langzeitmittel 1981-2010 in der Arktis. (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products)
In diesem Sommer hat sich das Eis extrem langsam aus der Baffin- und der Hudson-Bucht zurückgezogen. Über den gesamten Juli verblieb das Eis länger in den Buchten als in den letzten Sommern und erhöhte die Eismenge der gesamten Arktis um 500.000 km². Diese, sonst in dieser Zeit des Jahres schiffbaren Regionen, sind nun mit Eis blockiert. Die starken Eisbedingungen machen die Treibstofflieferung für einige Küstengemeinden in den kanadischen Regionen Nanavut und Nunavik schwierig. Ein Versorgungsschiff erreichte die Region Nunavik mit drei Wochen Verzögerung, aber auch arktische Forschungsprojekte wurden durch die dortige Eissituation ebenfalls verzögert. Ebenso ist die Versorgung von Gemeinden im Norden Quebecs von der extremen Situation in der östlichen Hudson-Bucht betroffen. Eisbären, die sich normalerweise um diese Zeit weiter draußen an der Eiskante aufhalten, wurden in der Stadt Iqaluit (63° 45′ N, 68° 33′ W, Kanada) gesehen.
Früherer Beginn der Eisschmelze in 2015
Der Zeitpunkt des Schmelzbeginns spielt eine entscheidende Rolle für die Eismenge, die jeden Sommer schmelzen kann. Beginnt die Schmelze, verringert sich die Oberflächenalbedo. Dies bedeutet, dass mehr Sonnenenergie an der Erdoberfläche absorbiert wird und somit wiederum weiteres Schmelzen und auch eine weitere Verringerung der Albedo begünstigt. Jedes Objekt auf der Erde gibt nicht nur Infrarot-, sondern auch Mikrowellenstrahlung von sich. Da diese Mikrowellenstrahlung sensitiv für flüssiges Wasser in der Schneedecke ist, kann der Beginn der Schmelze mit denselben Daten von passiven Mikrowellensatelliten erfasst werden, wie jene zur Bestimmung der Meereisausdehnung, allerdings mit einem anderen Algorithmus. Diesen Sommer begann die Schmelze in der Kara- und der Beaufort See einen Monat früher als im Durchschnitt, sodass sich die Eisbedeckung dort früh im Sommer schon zurückzog und in der Beaufort See das Eis nun sehr dünn ist. Im Gegensatz dazu startete die Schmelze in der Baffin-Bucht, der Ostsibirischen und der Laptew See später als im Durchschnitt. In der Baffin-Bucht geht die Sommerschmelze sehr langsam von statten, so dass davon ausgegangen werden kann, dass das Eis dort diesen Sommer nicht vollständig verschwinden wird (siehe Abbildung 6).
Abbruch von altem, dickem Eis in der Beaufort See
Mehrjähriges Eis, das mindestens eine Schmelzsaison überdauert hat, ist in der Regel sehr dick. Die Lage und das Alter von mehrjährigem Eis können, durch die Verfolgung der Eisbewegungen von Jahr zu Jahr bestimmt werden. Daten über das Eisalter von Anfang Juli zeigen eine Eiszunge von altem mehrjährigem Eis, die sich von der südlichen Beaufort See über Alaska bis in die Tschuktschen See erstreckt. Bilder des passiven Mikrowellensensors von AMSR-2 zeigen, dass das Packeis in der Beaufort See sehr dünn wird, mit Eiskonzentrationen kleiner als 50 %. Vergleichbare Aufnahmen aus dem sichtbaren Bereich von MODIS zeigen ein Gemisch von sehr großen aber auch kleinen Schollen von mehrjährigen Eis, die von offenem Wasser umgeben sind. Das die Schollen umgebende Wasser begünstigt seitliches und basales Schmelzen und verstärkt die Möglichkeit, dass ein Großteil dieses mehrjährige Eis bis zum Ende des Sommers vollständig geschmolzen sein wird (siehe Abbildung 7).

Abb. 6: Links: Zeitpunkt des Schmelzbeginns in 2015. Rechts: Anomalien des Schmelzbeginns zum Langzeitmittel 1981-2010. Die Daten stammen von SMMR (Scanning Multichannel Microwave Radiometer) und SSM/I (Special Sensor Microwave Imager) Zeitreihen. (Quelle: nsidc.org/arcticseaicenews/ Juli 2015)

Abb. 7: Oben: Eisalter in Jahren vom 29. Juni bis 5. Juli 2015. Unten links: MODIS Satellitenbild der Beaufort See-Region vom 22. Juli 2015 mit einem Gemisch aus sehr großen und kleinen Schollen mehrjährigen Eis in offenem Wasser. Oben rechts: AMSR-2 Satellitenbild der Eiskonzentration in % vom 22. Juli 2015. (Quelle: nsidc.org/arcticseaicenews/ Juli 2015)
15. Juli 2015 Die arktische Meereisausdehnung erreichte im Juni 2015 den viertniedrigsten Wert seit Beginn der Satellitenmessungen. Durch den diesjährigen niedrigen Wert liegt der Trend der Abnahme der Meereisausdehnung im Juni bei 4,9 % pro Dekade. Die Geschwindigkeit, mit der das Meereis zurückgeht, war für Juni nahe dem Durchschnitt. Jedoch haben anhaltend warme Bedingungen und eine erhöhte Schmelzrate gegen Ende des Monats die Voraussetzungen für einen schnelleren Eisverlust in den kommenden Wochen geschaffen. Die Schneebedeckung auf den Landflächen der nördlichen Hemisphäre sank im Juni mit 5,4 Millionen km² auf den zweitniedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen. Im Gegensatz zur Arktis lag die antarktische Meereisausdehnung weiterhin über dem langjährigen Durchschnitt und bestätigt den Trend eines sich ausdehnenden Packeisgürtels. Überblick der arktischen Bedingungen im Juni
Die gemittelte arktische Meereisausdehnung lag im Juni 2015 bei 10,75 Millionen Quadratkilometern, dem viertniedrigste Wert für Juni in den Satellitenmessungen (siehe Abb. 1). Dies sind eine Million Quadratkilometer weniger als das Langzeitmittel der Jahre 1981 bis 2010 von 11,75 Millionen Quadratkilometern und 430.000 Quadratkilometer mehr als das Rekordminimum für diesen Monat, das in 2010 beobachtet wurde. Die Meereisausdehnung blieb in der Barents- und Tschuktschensee unter dem Durchschnitt und setzt das im Mai gezeigte Muster fort. Während die Meereisbedeckung in der westlichen Hudson-Bucht unterdurchschnittlich ist, liegt sie im östlichen Teil der Bucht über dem Durchschnitt und östlich von Grönland nahe dem Durchschnitt.
Der Eisverlust beschleunigt sich typischerweise im Juni und die höchsten Verlustrate tritt im Juli auf, dem wärmsten Monat im arktischen Jahr. Insgesamt betrug der Eisverlust über den Monat 1,61 Millionen Quadratkilometer. Am Ende des Monats lag die Meereisausdehnung innerhalb einer Standardabweichung des Langzeitmittels von 1981 bis 2010.

Abb. 2: Temperaturanomalie Juni 2015 (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products)
Die besonders warmen Bedingungen in der Karasee, wo die Eisausdehnung unterdurchschnittlich ist, stehen im Zusammenhang mit dem Windmuster, das warme Luft aus dem Süden zuführt. Der Wind weht entlang der nördlichen Flanke eines Tiefdruckgebietes mit Zentrum über der Barentssee. Nördliche Winde auf der westlichen Seite dieses Tiefdruckgebietes brachten kühle Bedingungen in das Gebiet der Norwegischen See. Die Temperaturen in der nördlichen und östlichen Beaufortsee und in einem Großteil des Kanadisch-Arktischen Archipels lagen nahe bei bzw. geringfügig unter dem Durchschnitt.

Abb. 3: Die Ausdehnung der Schneebedeckung auf Land in der nördlichen Hemisphäre für den Monat Juni von 1967 bis 2015. Die Anomalie wird dargestellt zum Mittelwert für die Jahre 1981 bis 2010 (Quelle: climate.rutgers.edu/snowcover/chart_anom.php)
Die Schneebedeckung im Juni erreichte im Mittel 5,45 km² in der nördlichen Hemisphäre und stellt damit den zweitgeringsten Wert der 48-jährigen Messzeitreihe dar (siehe Abb. 3). Diese Wertung bleibt auch bestehen, wenn die Schneebedeckung für Juni für Nordamerika (4,9 Mio km²) und Euroasien (1,58 km²) getrennt betrachtet wird (Quelle NSIDC). Die Schneebedeckung war besonders gering in Alaska und Westkanada. Es herrschten ungewöhnlich warme Bedingungen in der Region und förderten eine geringe Eisbedeckung in der Beringsee und dem Ochotskischen Meer. Der Frühling war ebenfalls sehr warm und trocken in Alaska.
Meereisverlust und Schneefall über Euroasien Klimamodelle sagen voraus, dass die Niederschläge in der Arktis im Laufe des 21. Jahrhunderts steigen werden. Erwärmt sich das Klima, kann die Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen, was einen stärkeren polwärts gerichteten Transport von Wasserdampf und in der Folge von Niederschlag bedingt. Die Abnahme der arktischen Meereisausdehnung spielt dabei ebenfalls eine Rolle, weil mehr offene Ozeanflächen eine zusätzliche Feuchtigkeitsquelle darstellen. Man erwartet, dass dieser Effekt am stärksten im Herbst ausgeprägt ist, wenn es einen großen Temperaturunterschied zwischen dem offenen Wasser und der darüber liegenden Luft gibt, wodurch eine starke Verdunstung in die Atmosphäre stattfindet. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Wegmann et al. (2015) zeigt, dass mehr offene Wasserflächen in der Barents- und Karasee tatsächlich zu einem Anstieg des Schneefalls im Herbst über Euroasien geführt haben. Ihre Analysen basieren auf Schneebeobachtungen von über 800 russischen Landstationen und Analysen des atmosphärischen Feuchtigkeitstransports. Mehr Informationen:
Wegmann, M., Y. Orsolini, M. Vasquez, L. Gimeno, R. Nieto, O. Bulygina, R. Jaiser, D. Handorf, A. Rinke, K. Dethloff, A. Sterin, and S. Bronnimann. 2015. Arctic moisture source for Eurasian snow cover variations in autumn. Environmental Research Letters, 10, doi: 10.1088/1748-9326/10/054015.
10. Juni 2015 Zur Meereissituation des vergangenen Monats meint Georg Heygster von der Uni Bremen: "Die Schmelzperiode ist in der Arktis nun im vollen Gange und das Meereis zieht sich schnell zurück. Ende Mai war die tägliche Meereisausdehnung auf einem rekordniedrigen Niveau. Dies steht in scharfem Kontrast zu den täglichen Meereisausdehnungen in der südlichen Hemisphäre, die rekordhohe Niveaus erreichen." Die mittlere Meereisausdehnung in der Arktis im Mai 2015 betrug 12,4 Millionen km² und ist die drittniedrigste gemessene Meereiausdehnung in den Satellitenaufzeichnungen für den Monat Mai. Das sind 850,000 km² unter dem Langzeitdurchschnittswert von 13,25 Millionen km² und 60,000 km² über dem Rekordtief für diesen Monat, das im Jahr 2006 beobachtet wurde (siehe Abb. 1; Abb. 3). Kontextbedingungen der Meereissituation im Mai
Diese unter dem Durchschnitt liegende Meereisausdehnung ist teilweise ein Ergebnis des frühen Aufschmelzens des Eises in der Beringsee und der Beständigkeit von unterhalb des Durchschnitts liegenden Eisbedingungen in der Barentssee. Ebenfalls fand während des letzten Frühlings ein frühes Aufbrechen des Meereises in der Beringsee statt. An den anderen Orten bewegt sich die Meereisausdehnung an den durchschnittlichen Werten. Ende Mai sind mehrere Öffnungen im Packeis aufgetaucht, besonders markant vor allem in der südlichen Beaufortsee nahe Banks Island, vor der Küste Barrows, Alaskas, und in der Karasee (siehe Abb. 5). Im aktuellen Monat Juni ist es wahrscheinlich, dass sich die Eisverluste beschleunigen werden, aber wie schnell, wird von den Wetterbedingungen und dem Beginn der Eisoberflächenschmelze in der hohen Arktis abhängen. Insgesamt war der Mai 2015 in der Arktis kälter als im Durchschnitt über dem zentralen arktischen Ozean, der östlichen Grönlandsee, der Ostsibirischen See und der Laptewsee, insbesondere nördlich des grönländischen Eisschilds, wo die Lufttemperaturen auf dem 925 Millibar Level 2 bis 4 °C unter dem Durchschnitt lagen (Abb. 4 links). Dagegen waren die Temperaturen in der Beaufortsee, der Barentssee und der Karasee 4 bis 8 °C über dem Durchschnitt, mit Oberflächentemperaturen, die in Barrow, Alaska, über den Gefrierpunkt gestiegen sind. Diese Temperaturmuster waren an die über dem Durchschnitt liegenden Luftdrücken auf Meereshöhe über Sibirien, Alaska und Kanada gekoppelt (Abb. 4 rechts). Damit verbundene Windmuster haben dazu beigetragen, das Eis von der Küste Alaskas wegzudrücken, was zur Entstehung der offenen Wasser an der Küste Barrows, Alaskas, führte. Die hohe Temperatur im Mai können bedeutsam sein, weil sie zu früher Bildung von Schmelztümpeln auf dem Meereis beitragen, und diese wiederum zu einem geringeren Eisminimum im September. Insgesamt hat die Eisausdehnung im Mai 2015 in einem ziemlich schnellen Tempo abgenommen, mit einem Verlust von 1,77 Millionen km² von Anfang bis Ende des Monats. Die Eisausdehnung verläuft nun mehr als zwei Standardabweichungen tiefer als das langzeitliche Mittel der Jahren 1981 bis 2010 (siehe Abb. 2).

Abb. 4: Anomalie der Lufttemperatur (links) in 925 mb und für den Bodenluftdruck (rechts) für Mai 2015 in der Arktis Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/products

Abb. 5: Aus diesem Satellitenbild, aufgenommen am 2. Juni 2015, geht hervor, dass in der östlichen Beaufortsee aufgebrochenes Eis vorhanden ist. Ostrussland ist von Schnee bedeckt, während die Seward-Halbinsel (Alaska) größtenteils schneefrei ist. Der Luftdruck auf Meereshöhe war im arktischen Ozean zu dieser Zeit hoch. Grönland ist deutlich unten links zu sehen. Das Bild stammt von dem Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) des NASA Erdsatelliten. Quelle: Land Atmosphere Near-Real Time Capability for EOS (LANCE) System, NASA/GSFC; Quelle: nsidc.org/arcticseaicenews/

Abb. 6. Die oberstehenden Bilder vergleichen die Muster der Meereiskonzentrationsanomalien (SIC, in prozentualer Konzentration) im Winter mit den Meeresoberflächentemperaturanomalien (SST, in Kelvin) und dem Luftdruck auf Meereshöhe (SA, in Druckhöhe) für eine vorindustrielle Kontrollmodellsimulation. Quelle: M. Bushuk et al., Geophys. Res. Lett. doi:10.1002/2015GL063972
Die abnehmende Meereisbedeckung im Sommer hat die zunehmende sozioökonomische Aktivität in der Arktis begünstigt, wie beispielsweise den Ressourcenabbau und den Schiffsverkehr. Dafür werden zuverlässige Methoden zur Vorhersage des sommerlichen Minimums der Meereseisausdehnung mehrere Monate im Voraus benötigt. Der Schlüssel, die Meereisbedingungen im September genauer vorherzusagen, ist ein verbessertes Verständnis der physikalischen Mechanismen, die die Schwankungen der Meereisausdehnung von Jahr zu Jahr (der jährlichen Meereisvariabilität) bestimmen. Ein Gebiet wachsenden Interesses ist das sogenannte "Wiederauftreten" von unter- oder überdurchschnittlichen räumlichen Meereisanomalien mit einer zeitlichen Verzögerung von fünf bis zwölf Monaten. Dieses Phänomen des "Wiederauftretenss" scheint mit den Meeresoberflächentemperaturen in den saisonalen Eiszonen (von Abschmelzsaison zu Wachstumssaison), der Meereisdicke in den zentralen Arktis (von Wachstumssaison zu Abschmelzsaison) und der atmosphärischen Zirkulation (von Abschmelzsaison zu Wachstumssaison) zusammenzuhängen. Beispielsweise zeigt eine neue Studie, dass, wenn winterliche Meereiskonzentrationen in der ostgrönländischen See, der Barentssee und der Karasee oberhalb des Durchschnitts liegen, die Meereiskonzentrationen in der Beringsee dazu tendieren, unterhalb des Durchschnitts zu liegen. Dieses räumliche Verteilungsmuster der Anomalien, das den Nordatlantik und den Nordpazifik verbindet, hängt mit den Luftdruckmustern auf Meereshöhe zusammen. Sie erzeugen Oberflächenwinde und damit verbunden weiträumigen Transport von atmosphärischer Wärme. Diese Bedingungen sind wiederum mit Temperaturen verbunden, die kälter oder wärmer als die durchschnittlichen Meeresoberflächentemperaturen sind. Die Wärme wird im Ozean gespeichert und beeinflusst die regionalen Meereisbedingungen im darauffolgenden Herbst. Demnach entwickelt der Ozean ein Gedächtnis für die Neubildung von Meereis, während die Atmosphäre entscheidend die räumlichen Muster der Meereisvariabilität festlegt. Abbildung 6 zeigt die vorherrschenden Muster der winterlichen Meereisneurbildung in der Arktis, basierend auf einem Modelloutput einer vorindustriellen Kontrollsimulation der Community Climate System Model version 4 (CCSM4). Die Muster der Meereiskonzentration (SIC) werden durch unterhalb des durchschnittsliegender Meereiskonzentration im Beringmeer und oberhalb des durchschnittsliegender Meereiskonzentrationen in den Barents-, Grönland-, Island-, Norwegensee (Barent-GIN) charakterisiert. Lokale Anomalien der Meeresoberflächentemperatur (SSTs) zeigen das entgegengesetzte Signal. Dies wirkt wie ein "Gedächtnis" des Ozeans, das in der nächsten Wachstumssaison die Muster der letzten Abschmelzsaison wieder auftauchen lässt. Die Muster des Luftdrucks auf Meereshöhe (SLP) treiben Winde an, die den Austausch zwischen dem Nordatlantik und dem Nordpazifik unterstützen. Das Meereisvorhersagenetzwerk (Sea Ice Prediction Network) stellt ein Forum für die Meereisvorhersage-Community zur Verfügung, in dem über eine Vielzahl von Methoden Vorhersagen für die mittlere Meereisausdehnung im September erstellt werden.