Ein typischer Sommer in der Arktis

Abbildung 3: Tägliche Meereisausdehnung bis zum 13. August 2017 (rot) in der Arktis. Die Meereisausdehnung ist die Gesamtfläche der Regionen mit einer Eiskonzentration über 15 %. Zum Vergleich ist die Ausdehnung von 2016 in blau, für 2012 in magenta und für 2007 in grün dargestellt und das Langzeitmittel von 1981-2010 (grau) mit dem Bereich von zwei Standardabweichungen ist hellgrau hervorgehoben.

Abbildung 5: Vergleich der monatlich gemittelten Position der Eiskante (15 % Meereiskonzentration) in der Arktis für Juli 2017 zu 2016 links und für Juli 2017 zum langjährigen Mittelwert (2003-2014) rechts. Blau sind Regionen gekennzeichnet, die im Vergleich mehr Meereis zeigen, während rote Regionen weniger Meereis aufweisen.

Abbildung 6: Die Grafik links zeigt das durchschnittliche Datum des Schmelzbeginns in einem Jahr. Warme Farbtöne deuten auf einen frühen, und kältere Farben auf einen späteren Schmelzbeginn hin. Die Abbildung rechts zeigt die Abweichungen vom durchschnittlichen Schmelzbeginn in Anzahl Tagen. Warme Farben deuten auf einen frühen und kältere Farben auf einen späteren Schmelzbeginn hin. (Quelle: nsidc.org/arcticseaicenews/2017/08/which-august-will-we-get/)

Abbildung 7a: Dieses Bild des MODIS-Instruments der NASA zeigt Meereis des kanadischen Archipels am 3. Juli 2017. Der blaue Farbton zeigt Gebiete mit ausgedehnten Schmelzwassertümpeln auf der Eisoberfläche an. (Quelle: nsidc.org/arcticseaicenews/2017/07/a-recent-slowdown/)

Abbildung 7b: Der Sentinel-2 Satellit hat diese Aufnahme von großen Eisschollen mit gut erkennbaren Schmelztümpeln in der Nares Strait am 8. Juli 2017 gemacht. (Quelle: nsidc.org/arcticseaicenews/2017/07/a-recent-slowdown/)
Da es derzeit immer noch nicht möglich ist, die Dicke des Meereises im Sommer flächendeckend durch Satellitenmessungen zu bestimmen, sind wir für Abschätzungen nach wie vor auf Helikopter- oder Flugzeugmessungen oder numerische Modelle angewiesen. Meereisphysiker Marcel Nicolaus (AWI) erklärt: „Unsere Eisdickenmessungen während der vergangenen Polarsternexpedition PS106 (mehr zum EM-Bird Einsatz hier) zeigen für die Region um Spitzbergen mit modalen Dicken von 1,0 bis 1,5 Metern sehr ähnliche Dicken wie in den Vorjahren. Hier scheint das Meereis also trotz des warmen Winters nicht besonders dünn zu sein.“ Um derartige Messungen nun auch im Spätsommer zu erweitern und mit Messungen aus den Vorjahren vergleichen zu können, führt das AWI dieser Tage die Expedition TIFAX in der nördlichen Framstraße und nördlich von Grönland aus. Mit den Ergebnissen kann in einigen Wochen gerechnet werden. Betrachtet man die gesamte Arktis mit Hilfe des Pan-Arctic Ice Ocean Modeling und Assimilation System (PIOMAS), deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Eisdicke im Mai 2017 (als die Schmelzsaison gerade erst begonnen hatte) im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2015 unter dem Durchschnitt des Arktischen Ozeans lag, vor allem in der Tschuktschensee und nördlich des kanadischen Archipels. Eine kleine Region mit überdurchschnittlicher Eisdicke war zu der Zeit nördlich und westlich des Svalbard-Archipels und in der Grönlandsee gelegen. „Insgesamt zeigen all diese Daten der Eisausdehnung und Eisdicke, dass wir zwar wieder einen Sommer mit ähnlich geringem Meereisvolumen wie in den letzten Jahren erwarten, jedoch keine Extremwerte“, schlussfolgert Marcel Nicolaus.

Abbildung 10: Gezeigt wird die Entwicklung der Summe der täglichen Mitteltemperaturen unter null mit Beginn 1. Juli eines Jahres bis zum 1. Juli des nächsten Jahres. Weiterhin werden abgebildet die 15% bis 85 % Perzentile und die 30% bis 70% Perzentile über die Referenzperiode 1981-2010. (Quelle: nsidc.org/arcticseaicenews/2017/07/a-recent-slowdown/)

Abbildung 11: (a) Temperaturanomalie in °C auf 925 hPa für (a) Juni 2017 und (b) Juli 2017 im Vergleich zum Langzeitmittel 1981-2000 in der Arktis. Druckanomalie auf Meeresspiegelniveau in hPa für (c) Juni 2017 und (d) Juli 2017 im Vergleich zum Langzeitmittel 1981-2000 (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/data/gridded/data.ncep.reanalysis.html)
Die Entwicklung der Summe der täglichen Mitteltemperaturen unter null (Cumulative Freezing Degree Days; FDD) ist ein einfaches Maß, wie kalt es war und wie lange diese Kälte angehalten hat. FDDs ist die Summe der täglichen Durchschnittstemperaturen unter null von einem Startdatum aus. Abbildung 10 beginnt am 1. Juli eines Jahres und endet am 30. Juni des Folgejahres. Die kumulativen FDDs stehen in Beziehung zur Eisdicke, da im Durchschnitt Jahre mit längeren Perioden mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt mehr Eiswachstum generieren. Anomalien (Abweichungen vom Durchschnitt) in kumulativen FDDs veranschaulichen die Kälte einer bestimmten Periode relativ zum langfristigen Durchschnitt (1981 bis 2010). Abbildung 10 zeigt, dass der Großteil des Zeitraums von Juli 2016 bis Juni 2017 äußerst mild war; milder (weniger kalt) als 2006 bis 2007 und 2011 bis 2012. Der September von 2007 und 2012 endete mit sehr niedrigen Septembermeereisausdehnungen (mehr Informationen beim NSIDC hier). Dies unterstreicht die unterdurchschnittlichen Eisdickenwerte in den PIOMAS-Daten. Obwohl die Bedingungen im Mai und Juni kühler waren, hatte dies wahrscheinlich wenig Einfluss auf die Eisdicke. Der Grund dafür ist, dass Eis in der Arktis seine maximale Dicke früher in der Saison im März oder April erreicht. Jedoch zog sich das Eis im Laufe des Junis mit einer sehr schnellen Rate zurück. Dies ist wahrscheinlich mit einer dünneren als der durchschnittlichen Eisbedeckung verbunden. Die Temperaturen der Luft im Juni waren etwas überdurchschnittlich (1 bis 3 °C) entlang eines Bereiches, der entlang der Datumslinie und des Hauptmeridians lag. Dies steht im Gegensatz zu den unterdurchschnittlichen Temperaturen über der östlichen Beaufortsee und dem kanadischen Archipel und der Barents- und Laptewsee (1 bis 3 °C). Der atmosphärische Druck auf Meereshöhe war über der Karasee unterdurchschnittlich (Abb. 11 a und b). Im Juli war das Lufttemperaturmuster über der Arktis ziemlich komplex. Die Temperaturen waren überdurchschnittlich über Alaska und erstreckten sich in die Beaufortsee (1 bis 2 Grad Celsius) und die Kara- und Barentsee (2 bis 4 Grad Celsius). Im Gegensatz dazu waren die Temperaturen über Grönland, Ost-Zentral-Sibirien und der Laptewsee 2 bis 4 Grad Celsius niedriger als der Durchschnitt. Das Luftdruckmuster auf Meereshöhe wurde von einem Tiefdruckgebiet dominiert, das den größten Teil des Arktischen Ozeans bedeckte. Ein weiteres Tiefdruckgebiet zentrierte sich über dem südlichen kanadischen Archipel (Abb. 11 c und d).
Sea Ice Outlook
Die Vorhersage der Septembermeereisausdehnung hat im Juni für das Jahr 2017 begonnen. Das AWI hat sich wieder mit zwei Beiträgen am internationalen Sea Ice Prediction Network (SIPN) beteiligt. Eine ausführliche Zusammenfassung des SIO für Juni und Juli ist hier zu finden. Anfang August sind die Vorhersagen auf der Basis der bis einschließlich Juli 2017 vorliegenden Daten möglich. Danach wird das Meereis in der Arktis in diesem September kein neues Rekordminimum erreichen, sondern sich in die Reihe der Jahre mit den bisher geringsten mittleren Ausdehnungen einreihen. Nach der statistischen Methode am AWI werden ca. 5,17 Mio. km² erreicht, nach der Methode mit einem dynamischen Modell in etwa 5,06 Mio. km². Die im September zu beobachtenden Ausdehnungen hängen jedoch noch von den aktuellen Wetterlagen der nächsten Wochen ab. Die Wetterlagen könnten das Eis noch auseinander treiben oder auch noch sehr stark abschmelzen lassen und damit die Eisausdehnung noch beeinflussen. Immerhin sind es noch ca. vier Wochen bis zum Erreichen des sommerlichen Meereisminimums. Kontakt:
Marcel Nicolaus (Alfred-Wegener-Institut)
Frank Kauker (Alfred-Wegener-Institut)
Monica Ionita (Alfred-Wegener-Institut)
Quellen:
Turner, J., T. Phillips, G. J. Marshall, J. S. Hosking, J. O. Pope, T. J. Bracegirdle, and P. Deb. 2017. Unprecedented springtime retreat of Antarctic sea ice in 2016, Geophysical Research Letters, 44, doi:10.1002/2017GL073656.
Graham, R. M., L. Cohen, A. A. Petty, L. N. Boisvert, A. Rinke, S. R. Hudson, M. Nicolaus, and M. A. Granskog. 2017. Increasing frequency and duration of Arctic winter warming events, Geophys. Res. Lett., 44, doi:10.1002/2017GL073395.
Sea Ice Prediction Network. “2017: July Report.” Arctic Research Council of the United States. https://www.arcus.org/sipn/sea-ice-outlook/2017/july. Sévellec, F., A. V. Fedorov, and W. Liu. 2017. Arctic sea-ice decline weakens the Atlantic Meridional Overturning Circulation. Nature Climate Change, doi:10.1038/nclimate3353.