Antarktisches Meereis erreicht das diesjährige Minimum

Abbildung 1: Tägliche Meereisausdehnung vom 1. Oktober 2016 bis zum 12. März 2017 (rot) in der Antarktis. Die Meereisausdehnung ist die Gesamtfläche der Regionen mit einer Eiskonzentration über 15 %. Zum Vergleich sind die Ausdehnungen von Vergleichsjahren in unterschiedlichen Farben dargestellt, und das Langzeitmittel von 1981-2010 (grau) mit dem Bereich von zwei Standardabweichungen ist als hellgrauer Schlauch hervorgehoben.

Abbildung 4: Mittleres Zirkulationsmuster von Meereis in verschiedenen Regionen der Antarktis. Pfeile zeigen die mittlere Richtung und Geschwindigkeit der Eisdrift an. Die mittlere Meereisbedeckung, beruhend auf Satellitenbeobachtungen, in maximaler (minimaler) Ausdehnung im Zeitraum von 1979 bis 2012 ist in Orange (Grau) schattiert. Quelle: geändert nach IPCC 2013, S. 334
Obwohl der langjährige Trend der mittleren Meereisausdehnung in der Antarktis einen leichten Anstieg verzeichnet (Abb. 2), zeigt dieser Sommer ein anderes Bild: das gesamte Frühjahr und den Sommer über ist die Meereisausdehnung außergewöhnlich niedrig gewesen (Abb.1). Generell festzuhalten ist, dass die Amplitude der zwischenjährlichen Schwankungen zunimmt. Was sind mögliche Gründe hierfür und welchen Einfluss hat diese auf den langjährigen Trend? „Es ist schwierig zu beurteilen, was die Ursachen für diese momentan niedrige Meereisausdehnung in der Antarktis sind“, stellt Prof. Christian Haas, Leiter der Abteilung Meereisphysik am Alfred-Wegener-Institut fest, da das Meereis der Antarktis nach wie vor Fragen aufwirft, die wissenschaftlich häufig erst ansatzweise geklärt sind. Generelle Aussagen abzuleiten ist schwierig, da die Ausdehnung rund um den Kontinent sehr stark zeitlich und räumlich schwankt. So ergeben sich große regionale Unterschiede in den Trends (siehe Abb. 4). Hierbei dominiert die Zunahme im Rossmeer die Gesamtentwicklung der antarktischen Meereisesausdehnung in den letzten Jahrzehnten und erklärt zum großen Teil die bisherige Zunahme der Gesamtfläche des antarktischen Meereises. Ohne bessere Eisdicken- und Eisvolumenabschätzungen ist es jedoch schwierig Erklärungen dafür zu geben, welche Folgen Klimaänderungen für die antarktische Meereisbedeckung haben und welche Klimafaktoren den größten Einfluss haben (Zwally et al., 2002). So ist zum Beispiel bisher noch ungeklärt, ob die leichte Zunahme des antarktischen Meereises durch natürliche Klimavariabilitat erklärt werden kann, oder ob es menschengemachte Beiträge gibt (siehe Abb. 2). Beobachtungsdaten reichen nicht weit genug zurück und auch Modellsimulationen lassen nur ungenaue Rückschlüsse auf die Signifikanz der beobachteten Eiszunahme zu. Es gibt zwei große Einflussfaktoren, die das Meereises in der Antarktis verändern: die atmosphärischen und die ozeanischen Randbedingungen. Meereis wird im Südpolarmeer maßgeblich von den vorherrschenden Zirkulationsmustern im Ozean und in der Atmosphäre geprägt, da das Eis frei nordwärts treiben kann. Die nördliche Ausbreitung des Eises wird somit von den jeweiligen Strömungsgeschwindigkeiten und –richtungen bestimmt, welche wiederum in erster Linie von den lokalen Windsystemen beeinflusst werden. Es wird davon ausgegangen, dass die regional gegensätzlichen Trends in der Eisbedeckung von Änderungen der örtlichen Windgeschwindigkeit und -richtung mitverursacht werden (Notz, 2015). Um die Meereissituation der diesjährigen antarktischen Schmelzsaison besser einschätzen zu können, wurden für den aktuellen Sommer die Differenzen zum Vorjahr und zum langjährigen Mittelwert berechnet. Diese Ergebnisse sind in Abbildung 5 dargestellt. Dort zeigen rote (blaue) Gebiete Regionen, in denen weniger (mehr) Meereis als im Vorjahr (rechts) und im langjährigen Mittelwert (links) vorkam. Übereinstimmend mit dem generellen Trend wurde auch in diesem Jahr eine Abnahme des Meereises in der Bellingshausen- und in der Amundsensee beobachtet (vgl. Abb. 4). Typischerweise zieht sich das Meereis mehrere hundert Kilometer entlang der Amundsenküstenlinie zurück. Entgegen dem langjährigen Trend zeigte sich das Rossmeer jedoch nahezu den ganzen Januar und Februar über eisfrei und auch im östlichen und vor allem im nördlichen Weddellmeer wurde eine geringere Meereisbedeckung sowohl im Vergleich zum Vorjahr wie auch gegenüber dem langjährigen Mittel beobachtet. Im Weddellmeer zeigen sich typischerweise Veränderungen, die unabhängig vom Windantrieb sind. Dort findet der Verlust des Meereises an der Unterseite durch Schmelzprozesse statt und dieser ist umso größer, je mehr Wärme der Ozean von der Unterseite an das Meereis heranführt. In diesem Sommer konnten im Einstrombereiche des Wedellmeeres bis zu 1° C wärmere Meeresoberflächentemperaturen beobachtet werden. Das westliche Weddellmeer ist durch eine stabile Eisbedeckung mit mehrjährigem Meereis geprägt, da die Eisdrift durch die Antarktische Halbinsel blockiert wird und das Meereis nur sehr langsam nach Norden getrieben werden kann.
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Abbildung 6: Vergleich der monatlich gemittelten Position der Eiskante (15 % Meereiskonzentration) für die Monate Oktober 2016 bis Februar 2017 mit den jeweiligen Vorjahreswerten (links) und zum langjährigen Mittelwert . Blau sind Regionen gekennzeichnet, die mehr Meereis im Vergleich zum Vorjahr zeigen, während rote Regionen weniger Meereis aufweisen. |

Abbildung 6: Geopotentiellen Höhe auf 850 mbar mit Windvektoren im Vergleich zum Langzeitmittel 1981-2000 (Quelle: www.esrl.noaa.gov/psd/data/gridded/data.ncep.reanalysis.html)

Abb. 7: Ross-Polynja vom 9.12 von VIIRS Sensor auf dem Suomi NPP Satelliten der NASA aufgenommen. Die Polynja ist schätzungsweie circa 500 km vom Schelfeis bis zur weitesten Öffnung breit und gut 800 km lang Quelle de.wikipedia.org/wiki/Suomi_NPP

Abbildung 8: Meeresoberflächentemperaturen (SST) für El Niño Jahre im Winter und im Frühjahr der Südhemisphäre im Vergleich zum Langzeitmittel 1981-2000. Schraffierte Flächen zeigen Regionen an, wo die Anomalien auf einem 95 % Konfidenzniveau signifikant sind. (Quelle: www.ncdc.noaa.gov/data-access/marineocean-data/extended-reconstructed-sea-surface-temperature-ersst-v3b)
Während die physikalischen Prozesse gut verstanden sind, die das jährliche Wachstum und das Schmelzen des Meereises bewirken, ist die Art, in der diese Prozesse auf längeren (z.B. dekadischen) Zeitskalen und regionalen räumlichen Skalen kombiniert werden kompliziert und nicht besonders gut erforscht. Auch ist der Zusammenhang zwischen der Veränderungen des antarktischen Meereises und dem globalen Klimawandel bisher nicht ausreichend verstanden. „Es wird spannend zu sehen, wie sich die Meereissituation in der Antarktis in den kommenden Jahren weiterentwickeln wird. Es gibt noch zu viele unbekannte Größen und Wechselwirkungen, die wir noch untersuchen müssen, um hier sicherere Aussagen machen zu können. Eins ist jedoch klar, der Klimawandel macht auch vor der Antarktis nicht halt! “, so Professor Christian Haas, Leiter der Sektion Meereisphysik am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Ansprechpartner: Prof. Dr. Christian Haas; Dr. Marcel Nicolaus; Dr. Monica Ionita-Scholz (AWI) Dr. Gunnar Spreen and Dr. Georg Heygster (Universität Bremen)